Wer darf das Milliarden-Grab heben?

Wer darf das Milliarden-Grab heben?
Regierung setzt auf Untersuchungskommission, Opposition drängt weiter auf U-Ausschuss.

Dumm gelaufen. Je mehr Rot und Schwarz versuchen, etwas abzudrehen, desto mehr drehen sie es auf. Der anfänglich schleppenden Unterschriften-Aktion für einen Hypo-U-Ausschuss haben sie großen Zulauf verschafft. Über das Wochenende schnellte die Zahl der Unterschriften für die von der Opposition gestarteten Online-Petition hoch.

10.000 waren es pro Tag. Am Montag in Summe schon knapp 75.000. Es wären wohl noch mehr, wäre die Homepage nicht überlastet, daher langsam gewesen – obwohl ein zusätzlicher Server installiert worden ist.

Angesichts des massiven Drucks von empörten Bürgern haben die Koalitionäre ihren Kurs geändert. Ursprünglich hätte die Petition nur bis heute unterzeichnet werden können. Die Opposition trommelte, die Regierung wolle das Bürgerbegehren "abwürgen". Und so entschieden sich SPÖ und ÖVP für ein anderes parlamentarisches Procedere: Es ist weiter möglich, die Petition zu unterstützen – so lange, bis sich die Regierung im entsprechenden Ausschuss geäußert hat.

Hartes Polit-Match

Die parlamentarische Taktiererei ist Teil des Matches zwischen Regierungs- und Oppositionsparteien in Sachen Hypo. Letztere drängen auf einen U-Ausschuss, um die Polit-Verantwortlichen für die Hypo-Malaise benennen zu können. Die Koalitionäre verwahren sich gegen einen solchen Ausschuss. Eines der Argumente: Ein Tribunal würden Grüne & Co. daraus machen.

Um nicht als Aufklärungsverweigerer dazustehen, setzen sie ein eigenes Gremium ein: Eine Untersuchungskommission soll die Vorgänge rund um die einstige Kärntner Bank beleuchten – freilich erst ab der Notverstaatlichung im Jahr 2009. Die Zeit davor – wie es zu den Milliarden-Haftungen Kärntens unter Jörg Haider gekommen ist – wird nicht thematisiert.

Vorsitzen wird der U-Kommission die Ex-Chefin des Obersten Gerichtshofes, Irmgard Griss. "Unabhängig und unpolitisch" würden sie und ihre Kollegen arbeiten, sagen Kanzler Werner Faymann und Spindelegger. Wer Griss assistiert, ist offen; ebenso, wie lange die Kommission werken soll (siehe rechts).

Die Opposition ist nicht befriedet. "Eine Regierungskommission kann nie einen U-Ausschuss ersetzen", befindet Grünen-Vize-Klubchef Werner Kogler. Das sagt auch der Ex-U-Ausschuss-Verfahrensanwalt Klaus Hoffmann, vormals Präsident der Rechtsanwaltskammer: "Die Kommission hat nicht die gleichen Untersuchungsmöglichkeiten wie ein U-Ausschuss." Dort stehen Zeugen unter Wahrheitspflicht, Akten müssen vorgelegt werden.

Trotz geringer Kompetenzen preist SPÖ-Klubchef Andreas Schieder die Kommission: "Das ist ein guter Weg, weil alle Vorgänge rund um die Verstaatlichung der Hypo von sachkundigen Personen untersucht werden können." Ist ein U-Ausschuss obsolet? Schieder will "den Endbericht der Kommission abwarten". Dann solle über einen U-Ausschuss entschieden werden. Sein ÖVP-Pendant Reinhold Lopatka sagt zur Frage, ob ein U-Ausschuss noch nötig ist: "Die U-Kommission garantiert eine unpolitische, unabhängige, rechtskonforme Aufarbeitung der Hypo-Vergangenheit."

Ex-OGH-Präsidenten Irmgard Griss (67) wird die Untersuchungskommission zur Hypo leiten. Die gebürtige Steirerin, die einst in Harvard studiert hat, gilt als exzellente Juristin. Sie ist Honorarprofessorin für Zivil- und Handelsrecht an der Uni Graz und Leiterin der Schlichtungsstelle für Verbraucherrechte im Sozialministerium.

KURIER: Frau Dr. Griss, die U-Kommission wird von manchen als Vorwand gesehen wird, um einen U-Ausschuss zu verhindern. Wie geht es Ihnen damit?
Irmgard Griss: Man kann nicht verhindern, dass dieser Eindruck entsteht. Es liegt daher an der Kommission zu zeigen, dass sie ehrlich arbeitet und wirklich aufklären will und sich durch nichts davon abhalten lässt.

Sind Sie für oder gegen einen U-Ausschuss?
Ich bin grundsätzlich für einen U-Ausschuss. Ich glaube nur, dass er nicht zweckmäßig ist, so lange Gerichtsverfahren und staatsanwaltschaftliche Ermittlungen laufen. Diese Parallelität hat sich in der Vergangenheit nicht immer günstig ausgewirkt.

Wann startet Ihre Kommission? Mit wem werden Sie zusammenarbeiten? Gibt es ein Zeitlimit?
Ich habe erst wenige Gespräche geführt. Ich kann mir mein Team aussuchen. Ich habe schon über Leute nachgedacht, möchte aber noch keine Namen nennen. Ich hoffe, dass wir so schnell wie möglich mit der Arbeit beginnen können. Ein Zeitlimit wurde uns nicht gesetzt.

Was sollen Sie untersuchen?
Ausgangspunkt ist die Notverstaatlichung: Wie ist es dazu gekommen? War sie unvermeidbar? Man wird auch Ereignisse, die später waren, mit einbeziehen.

Ein U-Ausschuss hat wesentlich mehr Kompetenzen: Er kann Unterlagen anfordern, Zeugen laden. Zeugen stehen unter Wahrheitspflicht. Sie haben viel weniger Kompetenzen.
Da haben Sie recht. Das einzige, was ich in der Hand habe ist, dass die Kommission die Arbeit einstellt, wenn sie den Eindruck gewinnt, keinen uneingeschränkten Zugang zu relevanten Informationen zu haben.

Wie ist es Ihnen bis dato emotional ergangen, wenn Sie das Thema Hypo verfolgt haben?
Ich war und bin fassungslos. Ich glaube, dieses Gefühl teile ich mit vielen Menschen.

Wird Ihre Arbeit bezahlt?
Das ist noch nicht besprochen worden.

Kannten Sie Vizekanzler Spindelegger bereits, bevor er Sie gefragt hat, ob Sie die U-Kommission leiten wollen.
Nein, ich habe das erste Mal mit ihm gesprochen, als er mich am Sonntag in der Früh angerufen hat. Es gab aber natürlich vorher Gespräche mit anderen darüber.

Der künftige Aufsichtsratschef der Hypo-Alpe-Adria-Bank, der Deutsche Herbert Walter, wird keinen leichten Start haben. Er kommt in eine Bank, in der kaum noch etwas zu retten ist, und soll dafür ein neues Team finden.

"Katastrophe", "die Hypo ist schon mehr tot als lebendig". Finanzexperten, die eng mit der Hypo-Alpe-Adria-Bank vertraut sind, finden über den politischen Umgang mit der 2009 notverstaatlichten Bank kein gutes Wort.

Allen Beteiligten – vom Chef der Notenbank Ewald Nowotny bis zum gesamten Aufsichtsrat der Hypo – sei schon 2010 klar gewesen, dass die einzige, für die Steuerzahler schonende Lösung, die rasche Gründung einer Bad Bank sei. Hätte Finanzministerin Maria Fekter den Rat der Experten damals erhört, wäre das gesamte Hypo-Desaster die Steuerzahler um mindestens zwei Milliarden Euro billiger gekommen, sind die Experten überzeugt.

Die Gründe dafür: In die Bad Bank hätte man damals nur rund zehn Milliarden Euro an uneinbringlichen Krediten und schlecht verkäuflichen Immobilien der Bank einbringen müssen und nicht 17,8 Milliarden Euro wie jetzt. Der gute Teil der Hypo hätte mit weniger Last an faulen Krediten besser weiter arbeiten können.

Und zweitens: Die Verhandlungen mit der EU über den Abbau der Bank wären wesentlich einfacher gewesen. Denn Österreich hätte argumentieren können, dass schon ein großer Teil der Hypo-Geschäfte in die Bad Bank verlagert worden seien, die am Markt tätige Hypo also schon stark geschrumpft sei. So aber brummte die EU im Vorjahr der Hypo harte Auflagen auf und verbot ihr das Weiterführen vieler Geschäfte am Balkan.

"So schlecht wie Österreich mit der EU verhandelt hat, hat das kein anderes Land", ist ein Hypo-Insider empört. Keiner Problem-Bank in der EU außer der Hypo seien Geschäfte außerhalb der EU verboten worden. In Serbien aber laufen 75 Prozent aller Bank-Geschäfte in Euro. Für die Hypo lief Serbien bis zuletzt positiv, die EU-Auflage aber war ein harter Schlag.

Bayerns Verfehlungen

Wie stark die Bayerische Landesbank zum Desaster der Hypo beigetragen hat, belegen neue Zahlen, die dem Aufsichtsrat vorliegen. Demnach sind 40 Prozent aller faulen Kredite und Leasinggeschäfte unter bayerischer Führung der Hypo abgeschlossen worden.

Alle Total-Verluste wie Leasing in Bulgarien und der Ukraine sowie Mazedonien seien unter bayerischer Führung entstanden.

"Dass die Bayern nicht wussten, wie kaputt die Bank vor der Verstaatlichung war, ist daher unmöglich", betont einer der Experten im Gespräch mit dem KURIER. Immerhin sei das gesamte Geschäftsvolumen der Hypo in der Zeit der Bayern um 41 Prozent gewachsen, das Kreditvolumen um 42 Prozent.

Als groben und für die Steuerzahler teuren Fehler beurteilt er auch den Verstaatlichungsvertrag: "Dass es darin keine Klausel gibt, dass sich Österreich an den Bayern schadlos halten kann, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass die Fakten nicht stimmten , ist unglaublich".

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