Hypo Kärnten: Wie die Bayern tricksten

Wie Bayern die Verstaatlichung der Hypo von langer Hand geplant hat. Ein Ex-Bank-Chef packt aus.

Es war am 29. November 2008 inmitten der Turbulenzen der Finanzkrise, als der Verwaltungsrat der Bayerischen Landesbank (BayernLB) einen für Österreich folgenschweren Beschluss fällte: Die Bank werde sich auf Sicht von ihrer Tochter Hypo-Alpe-Adria-Bank trennen und die Osteuropa-Strategie aufgeben. Mitgeteilt wurde dieser Beschluss weder der Hypo-Führung noch deren Mit-Gesellschaftern (Land Kärnten und Grazer Wechselseitige Versicherung).

So beschreibt der ehemalige Hypo-Vorstand Tilo Berlin in seiner Zeugenaussage beim Prozess BayernLB gegen Hypo-Mitarbeiterstiftung den Geheimplan der Bayern, die Kärntner Tochter loszuwerden und den Schaden der Republik Österreich zuzuschieben. Ab diesem Zeitpunkt sei jede Hilfe der bayerischen Mutter für ihre Kärntner Tochterbank ausgeblieben.

Kleinkrieg

Hypo Kärnten: Wie die Bayern tricksten

Die Hypo-Vertreter hätten sich seit damals im "täglichen Kleinkrieg mit der BayernLB" um Refinanzierungen aufgerieben. "Der politische Prozess des Rückzugs aus der Hypo war offenbar vorbereitet und eingeleitet. Ein realistischer Versuch, die Bank und ihre Führung zu unterstützen, hat in dieser Phase nicht mehr stattgefunden. Damit begann die Negativspirale", resümiert Berlin in der Anlage zur Zeugenaussage am 15. Februar 2012.

Dass die Bayern ihre "Desinvestitionsentscheidung vom 29. November 2008" in Österreich niemandem mitgeteilt haben, könnte einen besonderen Grund haben. Denn weniger als einen Monat später, am 23. Dezember 2008, konnte sich der Hypo-Vorstand aus dem staatlichen Banken-Hilfspaket 900 Millionen Euro sichern.

Hätte der Vorstand damals gewusst, dass die bayerischen Mehrheitseigentümer "die existenzgründende Osteuropastrategie der Hypo auf Sicht nicht mittragen, wäre die Staatshilfe nicht zustande gekommen", stellt Berlin fest. Der Hypo-Vorstand sei ganz offensichtlich missbraucht worden. Der Ex-Hypo-Chef sieht retrospektiv auch die mangelnde Bereitschaft des BayernLB-Vorstands, an den Verhandlungen um das Staatsgeld teilzunehmen – "die Herren waren angeblich schon auf Weihnachtsurlaub" – in einem anderem Licht.

Vier Stationen

Die wichtigsten Stationen des Niedergangs der Hypo – den "Abschiebungsplan an die Republik Österreich", wie es Berlin nennt – beschreibt er folgendermaßen: Station eins war die Ablöse von BayernLB-Vorstand Werner Schmidt durch Michael Kemmer im Februar 2008 und die Bestellung von Stefan Ermisch als BayernLB-Vize. Laut Berlin war dies der Start eines "Pseudo-Managements" und von Kunden-abschreckenden Entscheidungen.

Station zwei war die Desinvestitionsentscheidung Ende November 2008 und der Plan "Hypo Fit 2016" mit dem Abbau von 2500 Arbeitsplätzen und dem Abverkauf von Ost-Töchtern. Der Ex-Hypo-Vorstand hatte kein Verständnis für diesen Plan, zumal Bank-Verkäufe in der Finanzkrise unmöglich waren und das Balkan-Geschäft die Geschäftsbasis der Hypo war.

Berlin versuchte Kemmer in einem Brief vom Februar 2009 von der Unsinnigkeit der Strategie zu überzeugen, blieb aber ungehört. Daraufhin schied Berlin im März 2009 aus dem Hypo-Vorstand aus.

Station drei ist für Berlin die Bestellung des Haus-und-Hof-Wirtschaftsprüfers der BayernLB, PricewaterhouseCoopers, zum Hypo-Prüfer – entgegen den Wünschen der restlichen Aktionäre. PWC hat im Auftrag der Bayern im September 2009 einen dramatischen Wertberichtungsbedarf bei der Hypo ermittelt. Für Berlin ist das nicht nachvollziehbar, zumal die Halbjahresbilanz 2009 noch positiv war und es bis September "keine wesentliche Verschlechterung der wirtschaftlichen Verhältnisse gab".

Zwangsverstaatlichung

Station vier ist die Feststellung eines enormen Verlusts der Hypo und die "Zwangsver­staatlichung". Damit sei für die Bayern ihr im Herbst 2008 entstandener Abschiebungsplan aufgegangen, vermutet Berlin. Den Bayern sei es damit gelungen, den Beteiligungswert von 825 Millionen Euro zu opfern, um Forderungen von 3,9 Milliarden Euro, die in der Pleite verloren gewesen wären, zu retten. Ex post sei klar, "dass die bayerische Seite in den Verstaatlichungsverhandlungen besser vorbereitet war als die österreichische."

Der Todesstoß für die Hypo

Ein Sondergutachten der Wirtschaftsprüfer von PriceWaterhouse-Coopers (PWC), das im Auftrag der Bayerischen Landesbank im September 2009 erstellt wurde, brachte die Hypo endgültig an den Rand des finanziellen Abgrunds.

Untersucht wurden zunächst 1400 Einzelengagements der Bank, für die PWC einen Wertberichtungsbedarf von 1,7 Milliarden Euro ermittelte. Auf einen Zeitraum von fünf Jahren sahen die Prüfer sogar 3,1 Milliarden Euro an Wertberichtigungen. "Asset Screening" nannte sich diese Überprüfung. "Asset Destruction" nennen es ehemalige Hypo-Banker.

Denn für die Feststellung eines Wertes von Kreditengagements von Banken gibt es eine riesige Bandbreite. "Hätte man den gleichen Maßstab an alle anderen österreichischen Kreditinstitute zum gleichen Zeitpunkt angelegt, hätte das zu Wertberichtigungen in zweistelliger Milliardenhöhe geführt", hält Berlin im Anhang zur Zeugenaussage fest. Das Ergebnis der PWC-Prüfung ist für den Ex-Banker ganz und gar unverständlich, zumal PWC zusammen mit Deloitte noch im August 2009 im "Halbjahresreview positive Ergebnisse bestätigt habe". Das Gutachten könnte Teil der Strategie der BayernLB sein. Berlin: "Es gibt massive Hinweise darauf, dass seitens der BayernLB die wirtschaftliche Lage der Hypo-Gruppe 2009 so verschlechtert wurde, dass eine Notverstaatlichung unausweichlich war.

An den PWC-Prüfern lässt er kein gutes Haar. Sie seien in Österreich und Osteuropa gänzlich unerfahren und die Wertberichtigungen basierten auf Pauschalannahmen.

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