Hypo droht 2 Milliarden mehr zu kosten

Zu den 13 Milliarden an Altlasten könnten weitere Milliarden für Bayern dazukommen. Spindelegger will verhandeln.

Es klingt angesichts der gigantischen Summen, die beim Hypo-Desaster im Spiel sind, wie eine Nebenfront. Wegen der leeren Staatskassa und des wachsenden Unmuts der Steuerzahler, die die Hypo-Kosten alleine zu tragen haben, könnte aus einem Rechtsstreit mit Bayern aber bald eine – politische – Hauptfront werden.

Worum geht es? Seit November streiten Österreich und Bayern vor Gericht um 2,3 Milliarden Euro, die die früheren deutschen Hypo-Eigentümer (Mai 2007 bis Dezember 2009) noch in der Bank haben.

Die Bayern wollen das Geld zurück, es seien Kredite an die Hypo gewesen. Österreich sieht das Geld als Eigenkapital der Hypo an und verweigert die Rückzahlung. Die Fronten sind verhärtet. Bayerns CSU-Ministerpräsident Horst Seehofer schloss zuletzt einen Vergleich aus. Man könne nicht Milliarden herschenken, nur damit "beim Grenzübertritt Schönwetter" herrsche.

Und Seehofer dürfte am längeren Ast sitzen. Denn: Finanzminister Michael Spindelegger verfolgt jetzt eine "Anstalts"-Lösung zur Abwicklung der 13-Milliarden-Hypo-Altlasten. Damit fällt das bisher zentrale Argument der Österreicher im Prozess um die 2,3 Milliarden weg. Denn die Bayern-Gelder können nach österreichischer Rechtslage nur so lange einbehalten werden, solange die Bank "in der Krise steckt" und "saniert" wird.

Sobald die staatliche Anstalt, eine Art Mülldeponie für die faulen Hypo-Kredite und Immobilien ihre Arbeit aufnimmt, was im Sommer der Fall sein soll, kann aber von Sanierung keine Rede mehr sein. Dann haben die Bayern Anspruch auf ihre 2,3 Milliarden und Österreich ein Riesen-Budget-Problem mehr.

Verhandlungen

Spindelegger muss mit Bayern also dringend eine politische Lösung finden. In München war er bisher nicht.

Nur bei einer Pleite der Hypo Alpe-Adria hätte Bayern durch die Finger geschaut. Das war für viele Experten auch der Hauptgrund, für die Insolvenz einzutreten.

Spindelegger lässt hingegen die Details der Anstalts-Lösung ausarbeiten und will danach mit Seehofer verhandeln, heißt es im Ministerium.

Die Insolvenzvariante sei freilich noch immer nicht ausgeschlossen, was Beobachter aber eher als Drohkulisse verstehen. Denn im Vordergrund steht eine gütliche Einigung.

Zwei Mal hat das schon funktioniert: Wien bekam die Zustimmung Münchens zum Verkauf der Hypo-Österreich und zu einem potenziell wichtigen Verjährungsverzicht. Dank dieses Verzichts hat Wien wieder bis Jahresende Zeit zu entscheiden, ob man die Angaben Bayerns bei der Hypo-Notverstaatlichung anficht oder nicht.

Entgegenkommen

Dass Österreich diese Irrtums-Klage noch nicht eingebracht hat, werten Beobachter als Signal. Ein Entgegenkommen, weil Wien den Vergleich mit München und die Zustimmung zur Anstalts-Lösung braucht. Ebenso angeboten werde "umfassende Rechtssicherheit", erzählt ein Insider. Also, die Zusicherung, dass Österreich auf Klagen und Einspruchsmöglichkeiten verzichtet, damit auch Bayern das Kapitel abschließen kann. Schließlich hat der Ausflug der BayernLB nach Kärnten auch den Freistaat Milliarden gekostet.

Die Opposition im Wiener Parlament will vor allem die Zeit nach der Notverstaatlichung 2009 beleuchten. Gefordert wird ein U-Ausschuss, SPÖ und ÖVP blocken ab. Am Montag findet eine Sondersitzung im Nationalrat statt. Die Opposition wird Kanzler und Vizekanzler grillen. Gleich im Anschluss muss Spindelegger beim Treffen der EU-Finanzminister in Brüssel über Milliarden für Griechenland und den EU-Bankenabwicklungsfonds diskutieren.

Ob dort die Hypo zur Sprache kommt? Für die EU-Kommission ist die Bank in Österreich nicht mehr systemrelevant – auf dem Balkan sehr wohl.

Die angelaufene Restlverwertung bei der Hypo Alpe-Adria liegt in Händen des Bank-Managements – dürfte aber demnächst Georg Krakow überantwortet werden. Der frühere Bawag-Chefankläger und spätere Kabinettschef von Justizministerin Claudia Bandion-Ortner gilt in Kreisen des Finanzministeriums als Favorit für den Chefposten in der künftigen Hypo-Anstalt.

Wie berichtet, soll sich eine Anstalt öffentlichen Rechts nach dem Scheitern des Bankenbeteiligungsmodells um die Verwertung der 13-Milliarden-Altlast der Hypo Alpe- Adria kümmern. Diese besteht aus faulen Krediten, schwer verwertbaren Immobilien, Leasingverträgen und einzelnen Tochterfirmen. Krakow arbeitet als Anwalt und wird derzeit von der Hypo-Taskforce unter Ex-Notenbank-Boss Klaus Liebscher beschäftigt. Zuvor war Krakow schon einmal als Hypo-Koordinator zwischen Wien und Klagenfurt unterwegs. So kam der Top-Jurist ("Ich bin kein Banker") in den zweifelhaften Genuss der Hypo-Aufarbeitung.

Wer das dringende Bedürfnis nach einem Geländewagen, einer schmucken Jacht oder gar einem kleinen Hotel an der kroatischen Küste verspürt, hat seit Kurzem die Möglichkeit, dem Steuerzahler ein paar Sorgen abzukaufen.

1,7 Milliarden Euro erhofft man sich bei der Hypo Alpe-Adria vom Verkauf der Vermögenswerte. 95 Prozent davon entfallen auf Immobilienbesitz und Beteiligungen.

Die Verwertungsgesellschaft Probus Real Estate soll die schrittweise Versteigerung von Immobilien in 12 Ländern Süd- und Osteuropas abwickeln. Die größten Brocken liegen dabei in Slowenien, Kroatien und Italien. Das Portfolio umfasst Büros und Einkaufszentren, aber auch Industrieanlagen und zahlreiche Hotelprojekte.

Für die kleinere Brieftasche gibt es seit Mai 2013 die Möglichkeit, das bewegliche Vermögen der Hypo direkt zu erwerben: Auf der Website aaaplatform.com sind Angebote im Wert von rund 85 Millionen inseriert, darunter nicht nur fast 200 Autos und Lkw, sondern auch Asphaltiermaschinen, Minibagger und ein Schneemobil. Die Preise reichen von 1400 Euro für eine Autowaschanlage bis zu 1,3 Millionen für die 21-Meter-Jacht "Dominator".

- Peter Danek

Seit sich die Regierung darauf verständigt hat, dass die faulen Kredite und derzeit unverkäuflichen Immobilien in eine rein staatliche Bad Bank wandern, brodelt es in der Gerüchteküche: Spekulanten, Hedge-Fonds und andere Großbanken – vor allem Raiffeisen – seien die Gewinner dieser Lösung, lauten die Spekulationen. Bei einer Pleite der Hypo hätten all diese Gruppen nämlich viel Geld verloren. Der KURIER hat die Fakten überprüft:

Garantierte Anleihen All jene, die landesgarantierte Anleihen der Hypo besitzen, können tatsächlich aufatmen. Im Insolvenzfall hätten sie ihr Kapital wohl großteils verloren. Jetzt bekommen sie es höchstwahrscheinlich am Laufzeitende zur Gänze zurück. Die Inhaber dieser Anleihen sind vor allem Versicherungen und Pensionskassen im deutschsprachigen Raum. Die Kurse dieser Anleihen sind nie um mehr als zehn Prozent unter den Nominalwert gefallen, zudem werden die Bonds kaum gehandelt. Spekulanten wie etwa Hedge-Fonds sind daher auch nie eingestiegen. Zwölf Milliarden Euro umfassen diese Anleihen noch. Sie sind der Hauptgrund, warum die Regierung eine Pleite der Bank vermeidet. Landesgarantierte Anleihen nicht zurückzuzahlen, bedeutet einen dramatischen Verlust der Glaubwürdigkeit der gesamten Republik.

Andere Anleihen Alle, die nicht landesgarantierte Anleihen der Hypo haben, sind zum Teil schon kräftig zur Kasse gebeten worden. Die Hypo hat einige dieser Bonds weit unter dem Nominale zurückgekauft. Das ist bei jenen Anleihen möglich, die "verlusttragend" sind. Viele Anleger haben freiwillig ein Rückkaufangebot mit Abschlägen akzeptiert, weil sie Angst hatten, sonst gar nichts mehr zu bekommen. Auf viele noch laufende Bonds zahlt die Hypo keine Zinsen.

Andere Hypos Die Hypothekenbanken der anderen Bundesländer haften für 1,8 Milliarden Euro an Pfandbriefen der Hypo Kärnten. Diese wären bei einer Pleite verloren.

Österreichs Banken Die Hypo-Konkurrenten in Österreich haben mit der Kärntner Bank nahezu kein Geschäft. Die Kärntner Hypo finanziert sich fast ausschließlich bei großen Banken in Deutschland und der Schweiz. Österreichs Banken profitieren insofern, als der Ruf des Finanzplatzes nicht beschädigt wird, weil es keine Pleite geben soll.

Bayern Die Ex-Hypo-Mutter, Bayerische Landesbank, ist der einzige wirklich große Sieger der staatlichen Bad-Bank-Lösung. Denn sie hat gute Chancen, ihre 2,3 Milliarden Euro, die sie noch in der Hypo stecken hat, zurückzubekommen (siehe oben).

Vorwurf gegen Ex-Chef

Gegen den Ex-Hypo-Chef Gottwald Kranebitter erhebt der Kärntner FPÖ-Chef Christian Ragger schwere Vorwürfe. Kranebitter habe im September 2012 der Alpine Bau einen Kredit von 25 Millionen Euro gewährt, als bereits akute Zahlungsschwierigkeiten des Konzerns bekannt gewesen seien. "Das Geld ist weg, der Steuerzahler haftet dafür", sagt Ragger. Die Aussage von Hypo-Sprecher Nikola Donig, "der Zustand der Alpine ist für die Hypo nicht ersichtlich gewesen", sei eine "Schutzbehauptung.

Der Finanzexperte Gerald Hörhan studierte Mathematik in Harvard und arbeitete unter anderem als Investmentbanker für JPMorgan Chase in New York. Hörhan gilt als scharfer Kritiker der europäischen Krisenpolitik. Derzeit ist er Gesellschafter und Vorstand der international tätigen Investmentfirma Pallas Capital Holding AG mit Sitz in Wien. Der KURIER fragte ihn, ob die "Anstalt" die beste Lösung für die Hypo ist – oder ob nicht doch eine Insolvenz besser wäre.

KURIER: Ist die nun getroffene Anstaltslösung die beste Idee? Oder doch eine Pleite, wie das Wyman-Gutachten vorschlägt?

Gerald Hörhan: Grundsätzlich glaube ich, dass bei einer Pleite einer in diesen Westbalkan-Ländern großen Bank die Folgen unvorhersehbar und nicht abschätzbar sind. Ebenso die Folgen der ausstehenden Landeshaftungen in Kärnten in Milliardenhöhe. Das wäre verantwortungslos. Es würde dem Ruf Österreichs massiv schaden. Die Entscheidung der Politik, die Bank nicht in die Pleite zu schicken, war sicherlich richtig.

Was bedeutet "nicht abschätzbare Folgen"?

Österreich ist in diesen Ländern, in Slowenien, Kroatien, Serbien, sehr aktiv und ein wichtiger Handelspartner und Investor. Eine Pleite könnte diese Länder wirtschaftlich als auch politisch destabilisieren, wenn die Menschen plötzlich vor verschlossenen Bankfilialen stehen.

Die Bank wurde 2009 notver­staatlicht, hätte man damals anders reagieren müssen?

In so einer Notsituation, wie das die Finanzkrise war, gibt es nur begrenzte Möglichkeiten. Aber hätte man damals die Bank pleitegehen lassen, mitten in der Krise, hätte das sicher unüberschaubare Folgen gehabt.

Was soll jetzt geschehen?

Ich rate dringend, dass Profis mit der Verwertung der Hypo beauftragt werden. Der Insolvenzverwalter von Madoff (Milliardenbetrüger) hat eine fast 60-prozentige Erfolgsquote erzielt. Auch bei der Lehman-Pleite wurden teilweise hohe Gläubigerquoten erzielt. Man braucht einen externen Profi, der keinerlei Partikularinteressen hat und der versucht, aus den vorhandenen Vermögenswerten möglichst viel Geld herauszuholen.

Sie meinen, dass man von den als uneinbringlich geltenden 13 Mil­liarden viel mehr herausholen könnte?

Ja. Ein Profi, der internationale Großinsolvenzen abgewickelt hat und der am Gewinn beteiligt wird, der hat eine ganz andere Motivation tätig zu werden.

Ein professioneller Insolvenzverwalter müsste am Gewinn beteiligt werden, was ist da üblich?

Das ist letztlich eine Verhandlungsfrage. Man sollte sich dafür jedenfalls die besten Leute der Welt holen, die bringen auch das beste Ergebnis für den Steuerzahler. Aber ja, die sind auch teuer.

Wie schnell muss das gehen? Besteht die Gefahr, dass je später das startet, desto weniger Geld zu holen sein wird?

Das stimmt nur teilweise. Für die meisten Märkte gibt es derzeit ein ganz gutes Zeitfenster, um die Vermögenswerte zu veräußern. Hätte man das schon 2009 oder 2010 verkauft, hätte man paradoxerweise viel weniger bekommen, weil sich die Finanzmärkte zwischenzeitlich erholt haben. Die große Ausnahme bildet Slowenien. Wenn wir slowenische Vermögenswerte jetzt veräußern, werden wir sehr wenig dafür bekommen. Da macht es sicher Sinn, noch zwei Jahre zu warten, bis sich das Land wieder erholt hat.

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