"Haben den Zorn noch nicht verstanden"

Vizekanzler Michael Spindelegger, Grünen-Chefin Eva Glawischnig und Bundeskanzler Werner Faymann
Blau & Rot-Schwarz streiten über die Mitschuld. Grün & Pink geißeln Bad Bank als "dramatische Fehlentscheidung".

Normalerweise beantragen die Oppositionellen eine Nationalratssondersitzung – um die Regierenden wegen vermeintlicher Versäumnisse verbal zu "grillen". Diesmal haben sie die Koalitionsparteien urgiert. Wohl um sich nicht erneut vorhalten lassen zu müssen, auch ihre Informationspolitik in Sachen Hypo sei schlecht. Und so erläutern Kanzler und Vizekanzler den 183 Abgeordneten, warum eine "Bad Bank" in Form einer Kapitalgesellschaft "die beste Lösung für die Republik" sei – und nicht die von der Opposition gewünschte Hypo-Pleite.

"Wir werden die Kärntner nicht einer Insolvenz ausliefern", nicht verantwortbar wäre das, urteilt Werner Faymann. Und macht es plastisch: Schluss wäre mit Heizkosten-Zuschuss, Wohnbei- und Heimhilfen. Faymanns Vize, Finanzminister Michael Spindelegger, verwendet ein medizinischen Bild: "Es wäre eine Operation am offenen Herzen gewesen, ohne die notwendigen Instrumente." Im Übrigen: "Der ökonomische Wahnsinn trägt blaue Handschrift", verursacht von Heinz-Christian Straches Ex-Partie um Jörg Haider. Darauf verweist auch Faymann. Den Freiheitlichen, die zu Schildern gegriffen haben ("Spekulanten zur Kasse statt die Masse"), ruft er zu: Nicht mit Taferl sollten die wacheln ("kindische Aktion"). "Zeigen sie auf bei der Hypo-Verantwortung!" Staatspolitisch verantwortlich handle die Regierung, ergänzt Spindelegger. Mit der vergangenen Freitag gewählten "Lösung" habe sie "den Schlussstrich gezogen. Jetzt folgt der Akt der Abwicklung."

"Schlussstrich?!", johlen Oppositionelle. Die Chose beginne erst, "für die Steuerzahler", ereifert sich FPÖ-Chef Strache am Rednerpult. Rot und Schwarz hätten das Schlamassel zu verantworten, mit der Verstaatlichung der Hypo 2009: "Welcher Teufel hat die Bundesregierung geritten, diese Bank zurückzukaufen von den Bayern, obwohl diese den Schaden zu zwei Dritteln verursacht haben? Die Menschen haben das Gespür, dass da etwas stinkt mit dem Rückkauf."

Das erste Wortscharmützel an diesem Tag der Schuldzuweisung – jene der Koalitionäre an die FPÖ, jene der FPÖ an die Koalitionäre. Auch die Grünen nehmen diese in die Pflicht. "Sie haben den Zorn der Menschen noch immer nicht verstanden", befindet Klubchefin Eva Glawischnig. Ein alter Mann habe zu ihr gesagt, sich in seinem Leben "noch nie so belogen gefühlt" zu haben wie nun, in puncto Hypo. Und von wegen "beste Lösung": "Eine dramatische, historische Fehlentscheidung für die Bevölkerung" sei das.

Neos-Fraktionschef Matthias Strolz formuliert es so: "Die Regierung hat falsch, zu spät, zu teuer entschieden."

Gemeinsam beantragen die Oppositionsparteien neuerlich einen U-Ausschuss zum "größten Banken-Skandal der Zweiten Republik" (Spindelegger). Appell des Grünen Werner Kogler: "Blockieren Sie nicht länger das Notwendige und Richtige." Vorerst gibt es keinen. Rote und schwarze Mandatare sind gegen diese Art der Polit-Aufklärung. Eine SPÖ-Frau tut ihren Unmut darüber kund: Daniela Holzinger verlässt bei der Abstimmung den Saal.

Eine Nachlese der vormittäglichen Debatte gibt es hier.

Am Dienstag hat der Steirer Werner Kogler, Finanzsprecher des grünen Parlamentsklubs, in der Hypo-Debatte im Hohen Haus erneut punkten können. Koglers Rede zur ersten Hypo-Sondersitzung Mitte Februar ("Der HYPO-Krimi – Werner Kogler erklärt") war bereits ein Quotenhit – mehr als 65.000 Menschen sahen die 20-minütige Rede auf YouTube, eine bemerkenswerte Anzahl für einen Auftritt im Parlament (Video siehe unten).

Auch Koglers gestrige Rede im Nationalratsplenum hat Potenzial für einen Internet-Hit. Eine Auswahl der besten Zitate:

"Wenn Sie sagen, das darf nie wieder passieren, dann ist die erste und unumgängliche Voraussetzung, dass untersucht wird, nicht von einem Wischi-Waschi-Weisenrat, sondern von einem Untersuchungsausschuss – wie in jeder halbwegs entwickelten parlamentarischen Demokratie der Welt."

"Die Mehrheit im Parlament hätten Sie jetzt sicher nicht mehr, wenn Sie 2012 und 2013 die Karten auf den Tisch gelegt hätten. Deswegen sind Sie aus unserer Sicht gar nicht mehr legitimiert."

"Der Vorgang war so: Der Herr Finanzminister hat sich bemüht und sich als Erster seit Langem einen Sattel organisiert und sich draufgesetzt. Allein das Pferd hat gefehlt, weil das hat der Regierungspartner SPÖ unter dem Hintern weggezogen."

(Kogler zu Finanzminister Spindeleggers Versuch, die Hypo doch noch in die Insolvenz zu schicken.)

"Und Sie, Herr Lopatka, haben im Beichtstuhl die Seiten gewechselt, Sie hätten ja eigentlich beichten sollen, stattdessen haben Sie sich jetzt das Pfarrergewand übergezogen und halten die Moralpredigten."

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