Hypo: Das Protokoll eines Sündenfalls

Hypo: Das Protokoll eines Sündenfalls
Wie der Kärntner Landtag trotz heftigster Warnungen einstimmig einen Haftungs-Blankoscheck ausstellte.

Man schrieb den 22. April 2004. Einen Monat zuvor hatten in Kärnten Landtagswahlen stattgefunden. Jörg Haider hatte triumphiert: 42 Prozent. Die SPÖ errang 38 Prozent, die Grünen kamen erstmals in den Landtag. Die ÖVP war auf 12 % abgestürzt.

Haider war am Zenit des Erfolgs: Im Bund stützte sich Wolfgang Schüssel auf Haiders FPÖ; in Kärnten fiel ein seit 1986 währendes SPÖ-Tabu: die Landes-SPÖ schloss mit Haider ein Regierungsübereinkommen.

Hypo: Das Protokoll eines Sündenfalls
Das war der politische Hintergrund, vor dem am 22. April jene Landtagssitzung stattfand, die die Leiterin derHypo-Untersuchungskommission,Irmgard Griss,als "Sündenfall" bezeichnet. Einstimmig beschloss der Landtag die der Höhe nach unbegrenzte Haftung des Landes für die Hypo und alle etwaigen Rechtsnachfolger der damaligen Landesbank.

Im Dezember 2003, vier Monate vor der Landtagswahl, hatte die SPÖ in der Landesregierung noch gegen das Haftungsgesetz gestimmt – da war sie ja noch in Opposition zur FPÖ gewesen. Nach der Wahl änderte die SPÖ die Meinung, ohne dies mit einem einzigen Wort zu begründen. Die 14 SPÖ-Mandatare stimmten schweigend, aber geschlossen zu.

Die beiden Grünen – neu im Landesparlament – stimmten ebenfalls sprachlos zu.

Dabei hätte es genügend Stoff für Debatten gegeben. Die Wirtschaftskammer Kärnten, der Unabhängige Verwaltungssenat Kärnten und die Finanzmarktaufsicht hatten das Haftungsgesetz im Begutachtungsverfahren in der Luft zerrissen. Punktgenau hatten diese drei Institutionen dort eingehakt, wo sich das Gesetz in der Folge als fatal erweisen sollte: die unbegrenzte Höhe der Haftung; die Haftung für "alle Rechtsnachfolger" (also auch, falls die Bank nicht mehr Kärnten gehören sollte); und die Befürchtung, dass Kärnten die Bürde nicht würde stemmen können, falls die Haftungen schlagend würden.

SPÖ und Grüne stimmten – wie gesagt – schweigend trotzdem zu.

Bemerkenswert der einzige ÖVP-Redner in der fraglichen Landtagssitzung: Der damals 26-jährige Klubobmann Stephan Tauschitz erwähnte zwar die Kritik im Begutachtungsverfahren, biederte sich aber der FPÖ an. Zitat Tauschitz: "Von unserer Seite gibt es auf jeden Fall grünes Licht für diese Gesetzesnovelle, wobei ich darauf hinweisen möchte, dass der Vertreter der ÖVP bereits in der Regierungssitzung vom 16. Dezember letzten Jahres diesem Entwurf zugestimmt hat, und dass es keinen einstimmigen Regierungsbeschluss gibt. Nein! Die SPÖ war dagegen! Die SPÖ hat sich im Dezember nicht dafür ausgesprochen und jetzt einen Sinneswandel gemacht, was mich persönlich sehr freut."

Der FPÖ-Abgeordnete Bernhard Gritsch bezeichnete das Haftungsgesetz als "Instrumentarium zur Wirtschaftsbelebung". Der damalige FPÖ-Klubchef Martin Strutz sprach offen aus, was sich die Landespolitik von der Bank als Gegenleistung erwartete: "Wenn wir jetzt Sanierungsmaßnahmen im Tourismus zu tätigen haben, dann haben wir mit dieser Bank ein Geldinstitut, das weit über die normale Risikofreudigkeit von Bankunternehmen bereit ist, Risiko zu übernehmen ..."

Falls sich jemand über das Verhalten der Nationalbank in der Causa Hypo wundert – das Protokoll liefert eine neue Facette. Der damalige "Leiter der Zweiganstalt Klagenfurt der Nationalbank", Günter Willegger, saß als FPÖ-Abgeordneter im Landtag (Willegger war Jahrzehnte SPÖ-Mitglied gewesen und im Krach zur FPÖ gewechselt).

Willegger in seiner Rede zum Haftungsgesetz: "Das Management (Anm.: damals Wolfgang Kulterer) ist besonnen genug, mit dieser Verantwortung umzugehen. Glauben Sie mir, mit diesem Management haben wir Freiheitlichen überhaupt keine Sorge, in der Zukunft noch mehr Ausschüttungen für die Bevölkerung heraus zu holen. Ich glaube, das Vertrauen, das wir in diese Bank setzen, ist voll gerecht." Beifall von FPÖ, ÖVP und Grünen

Das Gesetz wurde in zweiter und dritter Lesung einstimmig beschlossen.

Die Ausfallshaftungen laut Paragraf 1356 ABGB bedeuten (so steht’s im Gesetz und im Griss-Bericht), dass der Ausfallsbürge (also Kärnten) im Falle der Insolvenz von den Gläubigern sofort zur Zahlung heran gezogen werden kann. Kärnten könnte sich nur im Nachhinein bei der Hypo regressieren.

2007 hat Haider die Hypo an Bayern verkauft, die Haftungen blieben bei Kärnten – der Landtag hatte diesen Blankoscheck "für alle Rechtsnachfolger" 2004 ausgestellt.

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