Hypo: Das Biotop für eine Bankenpleite

Hypo: Das Biotop für eine Bankenpleite
Am Mittwoch beginnen die Zeugenbefragungen zum Kärntner Ursprung des Debakels.

Morgen, Mittwoch, beginnt der Hypo-Untersuchungsausschuss mit den Zeugenbefragungen. Es wird die erste von 58 Sitzungen, in denen bis Februar 2016 die kostspieligste Pleite der Zweiten Republik aufgearbeitet wird.

Ab morgen bis zur Sommerpause des Parlaments steht Kärnten auf dem Programm. In diesem ersten Kapitel wird durchleuchtet, wie es zu dem Milliardenschaden kommen konnte.

Die Zivilrechts-Spezialistin Irmgard Griss bezeichnet in ihrem Hypo-Bericht das Haftungsgesetz, das FPÖ, SPÖ, ÖVP und Grüne am 22. April 2004 einstimmig im Kärntner Landtag beschlossen haben, als "Sündenfall". Der Landtag stellte mit dem Haftungsgesetz einen Freibrief aus: Bis zum April 2007, dem Zeitpunkt, ab dem die EU öffentliche Haftungen für Banken verbot, erlaubten die Abgeordneten der Landesbank, unbegrenzt Geld mit Landes-Haftung aufzunehmen. Die Landeshaftungen wurden auch auf "alle Rechtsnachfolger", also auf etwaige Käufer der Landesbank, ausgedehnt. Diesen Freibrief stellten die Abgeordneten ohne nennenswerte Auflagen aus. Das Landesparlament hätte beispielsweise verlangen können, dass es für den Verkauf der Bank eines Landtagsbeschlusses bedarf. Oder die Abgeordneten hätten eine Informationspflicht an den Landtag über die Haftungshöhen verhängen können. Dann wäre der selbstmörderische Anstieg der Haftungen auf das Zwölffache des Landesbudgets wenigstens öffentlich zum Thema geworden.

Doch solche Sicherungen, die bei Überhitzung hätten durchbrennen können, wurden in das Gesetz nicht eingebaut. Auch wenn Eva Glawischnig trotzig jeden Fehler der Kärntner Grünen abstreitet – ein derart stümperhaftes Gesetz wäre den Grünen im Nationalrat vermutlich nicht passiert.

Trotz einstimmigen Beschlusses wäre es falsch, alle vier Parteien für das Hypo-Desaster gleichermaßen verantwortlich zu machen. Ähnliche Gesetze gab es schließlich auch in anderen Bundesländern. Haftungen in schwindelerregender Höhe – Wien stand für bis zu 120 Milliarden der Bank Austria gerade – gab es auch anderswo. "Der große Unterschied zwischen der Bank Austria und der Hypo Kärnten war, dass die Bank Austria exzellent geführt war", sagt Ex-Vizebürgermeister Bernhard Görg, in dessen Amtszeit die Bank Austria verkauft wurde.

Hypo: Das Biotop für eine Bankenpleite
APAART04 - 3103206 - WIEN - OESTERREICH: ZU APA WI - Der Kaerntner Landeshauptmann Joerg Haider (R.) und der Vorsitzende des Vorstands der Hypo Alpe-Adria -Bank International AG - Wolfgang Kulterer, auf einem Archivbild vom 24. Juni 2005, in Wien. APA-FOTO: ROBERT NEWALD
Von exzellenter Führung kann man bei der Hypo Kärnten wahrlich nicht sprechen. Im Zentrum des Desasters stehen zwei spezielle Charaktere und deren persönliche Motive: BankchefWolfgang Kultererund LandeshauptmannJörg Haider (Bild).

Haider betrachtete die Hypo als Bankomaten, mit dessen Hilfe er sich den Landeshauptmann-Posten sicherte. Haider gab den Problemlöser für alle Lebenslagen – und die Hypo zahlte. Vom Flughafen Klagenfurt bis zum Schlosshotel am Wörthersee. Auch Events, die Haider als Bühne dienten, wurden von der Hypo gesponsert. Nicht zuletzt zahlte sie Millionen-Prämien ans Land für die Haftungen.

Kulterer benutzte die Hypo ebenfalls als Vehikel. Kulterer wäre gern Kärntner Raiffeisen-Bankchef geworden. Da er den Job nicht bekam, wollte er beweisen, dass sein Genie verkannt wurde, wird in der Branche erzählt. Briefe aus dem Gefängnis stützen diese These: Kulterer schreibt darin, schuld an der Hypo-Misere trage eine Verschwörung der Konkurrenz, die ihm den Erfolg neidete.

Auch Kulterers manische Expansion auf dem Balkan mag als Indiz gelten, dass er etwas beweisen wollte. Binnen drei Jahren trieb er die Bilanzsumme der Hypo von 13 auf 31 Milliarden in die Höhe. Schneller, höher, weiter als die anderen. Die Landeshaftungen waren das Treibmittel, sie verhalfen ihm zu billigem Geld auf dem Kapitalmarkt. Die Haftungen stiegen in den drei Jahren ums Vierfache auf 25 Milliarden.

Die interne Qualitätskontrolle und die Sicherungssysteme der Bank hielten bei diesem rasanten Tempo nicht mit. Das gilt auch für den Personalbedarf. Junge Burschen mit wenig Berufserfahrung wurden in schnieke Anzüge gesteckt, mit einem Laptop ausgerüstet und zum "Banker" erklärt. "Die Hypo hat bei uns Leute aus hinteren Reihen abgeworben, deren Gehalt verdreifacht, und sie zu Spartenleiter ganzer Länder befördert", erzählt ein Bank-Chef.

Durchschnittskärntner ohne die Insiderkenntnisse des zitierten Bankdirektors sahen die Expansion der Hypo freilich positiv. 1300 Kärntner fanden dort Arbeit, und es waren nicht die schlechtesten Jobs. Eine Zeit lang ging auch alles gut. Kulterer wurde zum gefeierten Manager. Es gab nichts, was man dem coolen Manager mit dem Business-English nicht zutraute. "Visionärer Kulterer will Eisenbahnstrecke übernehmen und gesamte Wörthersee-Trasse untertunneln" – "Kulterer will mit Carinthian Center of Excellence jährlich 3000 hoch qualifizierte Arbeitsplätze schaffen", rapportierten die auflagenstarken Kärntner Zeitungen ehrfürchtig.

Als es in jenen Apriltagen 2004 um den Beschluss des Haftungsgesetzes im Landtag ging, bemühte sich der gefeierte Bankmanager höchstpersönlich in den SPÖ-Klub. Die Abgeordneten fühlten sich gebauchpinselt – und fielen um.

Treibende Kraft hinter dem Gesetz war jedoch die FPÖ. Und Beihilfe leistete, pikanterweise, die für die Bankenaufsicht mitzuständige Nationalbank. Deren Kärntner Landesdirektor Günter Willegger saß als Abgeordneter der FPÖ im Landtag und hielt eine flammende Rede für das Haftungsgesetz. "Das Vertrauen, das wir in diese Bank setzen, ist voll gerecht", sagte er.

Für Außenstehende erscheint dieses Verhalten der Finanzmarkt-Behörden verwunderlich: Im Begutachtungsverfahren zu dem Gesetz übte die Finanzmarktaufsicht heftige Kritik an der Ausweitung der Landeshaftungen, während ein Nationalbankdirektor im Landtag für den Beschluss warb.

Wer den Ursachen für das Hypo-Debakel nachspürt, muss sich auch die Dominanz Jörg Haiders in Erinnerung rufen. 2004 im März hatte er bei der Landtagswahl 42 Prozent errungen. Die SPÖ hob ihre seit 1986 währende politische Quarantäne über ihn auf und ging in Kärnten eine blau-rote Koalition ein. Im Bund stützte wiederum ÖVP-Kanzler Wolfgang Schüssel seine Regierung auf Haiders Partei. Haider stand in dieser Phase auf dem Zenit seiner Macht.

Abgesehen von seinen institutionellen Einflussmöglichkeiten über Bundes- und Landesregierung fürchteten viele Haider wegen der populistischen Kräfte, die er zu entfesseln vermochte. Dies taten wohl auch die Nationalbanker. Haider hatte immer wieder deren üppige Pensionen und sonstige Privilegien gebrandmarkt. Ein Insider sagt zum KURIER, die Nationalbanker hätten auch deswegen bei der Hypo trotz Warnsignalen nicht hingegriffen, weil sie Haiders Rachefeldzug gegen ihre Sonderpensionen fürchteten.

Der Gedanke erscheint nicht unplausibel. Die Finanzmarktaufsicht bekam Haiders Rache jedenfalls zu spüren, als sie 2006 wegen der vertuschten Swap-Verluste Kulterers Abberufung forderte. Haider feuerte eine Kanonade von Beschimpfungen, Drohungen und Klagen gegen die FMA-Vorstände ab. "Mittelalterliche Henker" lautete nur eines seiner Schimpfwörter.

Haiders Legende lautete: "Die in Wien wollen eine gesunde Kärntner Bank ruinieren". Damit stempelte er Hypo-Kritiker aus dem Bund zu neidischen Außenfeinden und Kritiker aus Kärnten zu Verrätern. Auch diese Art von Demagogie und Denunziation trug zu dem Hypo-Debakel bei.

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