Hugo Portisch warnt: "Nationalismus, ein schändlicher Kurs"

Hugo Portisch warnt: "Nationalismus, ein schändlicher Kurs"
Der Journalist und ehemalige KURIER-Herausgeber erklärt die Krisen Europas und die Chancen von Österreichs EU-Vorsitz

Neben der Asylfrage sind auch jene des Westbalkans und die Ukraine-Krise für Hugo Portisch (91) wesentlich für Österreichs EU-Vorsitz.

KURIER: Herr Doktor Portisch, zum dritten Mal übernimmt Österreich die EU-Ratspräsidentschaft. Was kommt auf die Bundesregierung zu?

Hugo Portisch: Zunächst das rein Bürokratische: Die Behandlung der Ansuchen der so genannten Westbalkanstaaten um Aufnahme in die EU: Serbien, Montenegro, Mazedonien, Kosovo, Bosnien-Herzegowina und Albanien. Im Prinzip haben sie alle Zusagen, im Einzelnen werden die Verhandlungen schwierig sein. Sie werden auch kaum während des österreichischen Vorsitzes abgeschlossen. Natürlich könnte unter österreichischem Vorsitz auch ein ernsthafter Versuch gemacht werden, die Situation in der Ukraine zu bereinigen, und zwar geht es keineswegs nur um einen Waffenstillstand im Osten, sondern um einen echten Weg aus der Krise – eine für Russland akzeptable Annäherung der Ukraine an Europa bei gleichzeitiger Berücksichtigung russischer Interessen im Donbas. Wenn man das zustande brächte, dann hätte man erstmals wirklich eine Brücke gebaut.

Österreichische Politiker sagen immer wieder, Brückenbauer sein zu wollen. Erfüllt Österreich diese Rolle – oder ist das bloße Rhetorik? Vieles von dem, was zur Rettung der EU jetzt getan werden muss, kann Österreich allein nicht bewerkstelligen. Hier aber nach Gleichgesinnten zu suchen und sie zur gemeinsamen Aktionen zu veranlassen, wäre eine lohnenswerte Aufgabe. Die ist allerdings nicht an den Vorsitz in der EU gebunden, das ließe sich immer bewerkstelligen, wenn man nur wollte.

Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz betont stets den pro-europäisch en Kurs von Türkis-Blau. Gefährdet die EU-skeptische FPÖ die Regierungslinie und auch die EU-Vorsitzführung Österreichs?

Ich nehme nicht an, dass die FPÖ gerade während der Vorsitzzeit störende Aktionen unternehmen wird. Aber es kommt auch darauf an, was die EU-Partner der FPÖ zu der Zeit vorhaben – ganz absentieren werden sich die Freiheitlichen nicht immer können.

Österreich übernimmt zum dritten Mal den Vorsitz – Was macht eine erfolgreiche EU-Präsidentschaft aus?

Sie wäre schon erfolgreich, wenn sie die Beitrittsansuchen ein Stück weiterbrächte. Erst recht, wenn es ihr gelänge, die Ukraine Frage einer Lösung näher zu bringen. Hoffen kann man nur, dass sich während des österreichischen Vorsitzes ein gemeinsames, energisches Zusammengehen Frankreichs und Deutschlands innerhalb der EU ergeben würde.

Europa steckt derzeit in einer tiefen Krise. Ist das europäische Projekt noch zu retten?

Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron hat ja seine Überlegungen zu einer „Neugründung“ Europas vorgelegt. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hat bis jetzt nur zögernd und zum Teil ausweichend darauf geantwortet. Aber ohne Zweifel: Ein energisches, wohlüberlegtes gemeinsames Vorgehen Frankreichs und Deutschlands kann die EU aus der Krise holen. Das müsste allen in Berlin und Paris klar sein, aber auf beiden Seiten versucht man, auf die heimatliche politische Lage Rücksicht zu nehmen. So aber wird es nicht gehen. Hier sind kurzer Rat und schnelle Tat gefragt.

Was ist das gravierendste Problem in der langen Kette von Krisen: Brexit, Handelskonflikte mit den USA, Nationalismus, Rechtspopulismus, Missachtung des Rechtsstaates? Jedes dieser Probleme muss natürlich gelöst werden, keines der Probleme für sich gefährdet die EU, der Brexit ist schon fast ausgehandelt, der Zollkonflikt mit den USA ist notfalls wegzustecken, Mexiko und Kanada tun das schon mit Gelassenheit. Mir gefiele es, wenn die EU den Mut hätte, den USA mit ganz harten Gegenmaßnahmen zu antworten. Europa muss sich als gleichwertiger Partner und notfalls Gegner emanzipieren, sonst wird sich Trump alle paar Wochen neue Hirngespinste einfallen lassen. Echt beunruhigend ist die Zunahme des Nationalismus in fast allen Ländern.

Wie erklären Sie sich den stärker werdenden Nationalismus?

Nichts ist mit Nationalismus zu erreichen außer zunehmende Konflikte. Aber eingesetzt wird er nur, weil sich die Rechtsnationalen damit Wählerstimmen zu sichern glauben. Ein schändlicher Kurs! Auf demselben Mist wachsen die rechtspopulistischen Missbräuche in Ungarn und Polen. Auch in diesen beiden Fällen wäre ich für eine harte Vorgangsweise der EU – von der Einschränkung der Hilfszahlungen bis zur Drohung des Ausschlusses aus der EU. Diese Entwicklungen müssen gestoppt werden, sonst werden sie das Fundament der EU aushöhlen.

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