Hugo Portisch: Geist, Witz und unstillbares Fernweh

Spielt auch in seiner Autobiografie seine bewährten journalistischen Stärken aus: Hugo Portisch bei der Präsentation
Österreichs Journalistenlegende präsentierte seine Lebenserinnerungen: "Aufregend war es immer".

Der wahrscheinlich persönlichste Gedanke in diesem sehr persönlichen Buch steht fast am Anfang. "Ich wollte nicht Journalist werden, ich wollte einen Beruf ausüben, der es mir erlaubt, in die Welt hinauszugehen, fremde Länder zu sehen, andere Kulturen zu erleben." Es ist das Leitmotiv, das den großen österreichischen Journalisten, Medienmacher und langjährigen KURIER-Chefredakteur durch sein bisheriges Leben begleitet hat und das den Leser auch durch dieses Buch begleitet – und zwar quer über den Globus und durch ein halbes Jahrhundert Weltgeschichte.

Hugo Portischs eigentlich längst überfällige Lebenserinnerungen "Aufregend war es immer" zeichnet genau das aus, was seine Arbeit immer ausgezeichnet und oft einzigartig gemacht hat: Die für den Leser in jeder Beobachtung unmittelbar erlebbare Welt da draußen, die klare und kompakte Analyse auch der schwierigsten Zusammenhänge und natürlich der Witz, der da in den überraschendsten Momenten zwischen den Zeilen aufblitzt. Selbst am Freitag bei der Präsentation des Buches ließ der 88-Jährige es sich nicht nehmen, das aktuelle Weltgeschehen zu kommentieren. Europa, so Portisch, müsse in Syrien "militärisch drohen und diplomatisch vorgehen: Wenn du den Frieden willst, dann bereite den Krieg vor."

Von Kuba nach Vietnam

Hugo Portisch: Geist, Witz und unstillbares Fernweh
Ecowin, Portisch, Aufregend war es immer
Wer sich mit Portisch etwa im Zug an die russische Grenze zu China begibt und einen Tee in den vom Kohlerauch der Samoware vernebelten Abteile nimmt, erinnert sich an die Leidenschaft, mit der man einst seine Bücher wie "So sah ich Sibirien" verschlang. Und weil Portisch in diesem neuen Buch anders als damals im Eiltempo Jahrzehnte an journalistischen Reiseerlebnissen durchstreift, gelangt man mit ihm mühelos von Havanna und der soeben siegreichen Revolution bis in den Dschungel von Vietnam, wo ihm die kommunistischen Kämpfer vor allem einmal in Form von Kugelsalven auf das Flugzeug, in dem er sitzt, begegnen. Doch obwohl Portisch quasi als Ausrede für die so lange überfällige Biografie anführt, dass er nicht gerne über sich selbst schreibe, tut er es diesmal – und er tut auch das kompakt, prägnant und so lebendig, dass man das akute Fernweh des jungen Reporters ebenso gut miterleben kann wie das Gewirr aus Leidenschaft, Hektik und gewitzter Improvisation, das seine journalistische Arbeit in jedem Medium begleitet hat.

Und dazu bekommt man in einigen zündenden Anekdoten einen Einblick in die Welt der Medien und ihrer Macher. Etwa den damaligen ORF-Chefredakteur Franz Kreuzer, wenn er das einzig verfügbare Kamerateam vom Abfilmen von Zwetschkenknödeln am Küniglberg zum Abfilmen des nordvietnamesischen Außenministers in Hanoi umdirigiert. Wenn man ein paar Seiten später erfahren darf, wie tief sich Portischs Team in russische Archive hineinwühlen musste, um das Material für die längst legendäre TV-Doku-Serie "Österreich II" zu finden, erlebt man mit, wie viel Schwerarbeit, wie viele Einfälle und natürlich wie viele detektivische Intuition großes Fernsehen braucht.

Respekt vor Kreisky

Hugo Portisch: Geist, Witz und unstillbares Fernweh
Auch Portischs Blick auf Persönlichkeiten überrascht. So macht er deutlich, wie begeistert sein einstiger Chef und journalistischer Partner, Krone-Gründer Hans Dichand, einst von der Idee eines gemeinsamen Europa war. Der große Reporter führt uns noch einmal – so wie nur er das kann – das politische Genie Bruno Kreiskys in Nahaufnahmen seiner Innen- und Außenpolitik vor Augen. Doch während ihm der Respekt vor dem Sozialdemokraten trotz aller Kritik in jeder Zeile anzumerken ist, geht er mit anderen politischen Persönlichkeiten ohne die vielleicht zu erwartende Hochachtung, dafür aber mit liebevollem Witz um. Wenn sich Bundeskanzler Julius Raab mit wenig Englisch, noch weniger weltpolitischer Perspektive, dafür aber mit viel Bauernschläue durch seinen ersten politischen Besuch in den USA durchschlägt, kann man vorbehaltlos darüber lachen, wie klein in diesem Moment später als groß und historisch gehandelte Zeitgeschichte ist. Der ÖVP-Politiker drückt sich auf seiner ersten offiziellen USA-Reise vor dem Besuch eines US-Kriegsschiffes und lässt sich stattdessen lieber in einem "Beisl" in Florida ein Schnitzel aus Schildkrötenfleisch panieren. Raabs ebenso schlichte wie schlaue Erklärung für den Bruch aller diplomatischen Protokolle erklärt mehr als viele Abhandlungen über die damals laufenden Verhandlungen zum Staatsvertrag: "Ich auf einem US-Kriegsschiff… da hätt uns der Molotow (sowjetischer Außenminister, Anm.) die Bündnisfreiheit grad g’laubt."

Es war wie ein Treffen von Schülern mit ihrem ehemaligen Klassenvorstand. Hugo Portisch präsentierte seine Memoiren "Aufregend war es immer", und Journalisten, die auch nicht mehr ganz jung sind, wie Hans Rauscher, Hans Werner Scheidl, Georg Markus oder Raimund Löw lauschten. Paul Lendvai sagte einen sehr wichtigen Satz: "Wir müssen dir ewig dankbar sein, dass du in unserem Land Standards gesetzt hast, für uns Journalisten, aber auch für die Politik. Leider sind keine Politiker anwesend."

Hugo Portisch: Geist, Witz und unstillbares Fernweh
ABD0048_20151016 - WIEN - ÖSTERREICH: Hugo Portisch anl. der Buchpräsentation "Aufregend war es immer" am Freitag, 16. Oktober 2015, in Wien. - FOTO: APA/HERBERT NEUBAUER
Politik und Journalismus sind aufeinander angewiesen. Und eine demokratische Gesellschaft lebt davon, dass sich die handelnden Personen auf Augenhöhe bewegen, einander respektieren. Davon sind wir inzwischen weit entfernt. Verachtung da, Erpressung dort, Anbiederung überall, wo Politiker noch immer Jobs vergeben. Hugo Portisch hat als KURIER-Chefredakteur die Unabhängigkeit desORFerkämpft, das war vor 50 Jahren.

Portisch erzählt in dem Buch seine Geschichte und die der Zweiten Republik. Und er nimmt zur aktuellen Lage Stellung: Europa muss in Syrien auch militärisch aktiv werden, Russland muss eingebunden sein. Es wird aufregend bleiben, also: Portisch lesen.

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