Holocaust-Gedenken: „Das jüdische Leben in Europa ist gefährdet“

Politikwissenschafter Bassam Tibi bei der Gedenkveranstaltung in Wien
Politikwissenschafter Bassam Tibi warnt vor islamischem Antisemitismus. Dieser sei in islamischen Ländern Teil der Kultur.

Bei der traditionelle Holocaust-Gedenkveranstaltung des Parlaments am Freitag in Wien hat der deutsch-syrische Politikwissenschafter Bassam Tibi vor einem Erstarken des islamischen Antisemitismus gewarnt.

NS Gedenkfeier mit Bassam Tibi

„Das jüdische Leben in Europa ist gefährdet“, sagte Tibi und verwies auf die Situation in Frankreich: Aus Angst vor Übergriffen würden viele Juden das Land verlassen. Die Täter seien aber nicht mehr Neonazis und Rechtsextreme, sondern immer öfter Muslime. Bei derartigen Übergriffen handle es sich nicht um Einzelfälle: „Das ist Teil der Kultur“ in islamischen Ländern, so Tibi.

"Militanter Antisemit"

Er selbst sei in Damaskus in dieser Kultur aufgewachsen: „Ich kam als militanter Antisemit nach Europa.“ Erst hier sei er aufgeklärt worden. Das Studium bei den Holocaust-Überlebenden Theodor Adorno und Max Horkheimer in Frankfurt sowie bei Bernard Lewis in den USA habe sein Leben verändert. Heute gilt Tibi als prominenter Kritiker des islamischen Antisemitismus.

Dieser verberge sich oft hinter Israel-Kritik, ziele aber auf die Vernichtung der Juden ab. „Wenn es einen neuen Holocaust gibt, dann im Nahen Osten“, sagt Tibi und verweist auf den Iran, der „Atomwaffen gegen Israel richtet“. Den Vorwurf, islamfeindlich zu sein, will sich der Politikwissenschafter nicht gefallen lassen: „Der Islam fließt in meinem Blut. Ich bin nicht islamophob, nur weil ich den islamischen Antisemitismus kritisiere.“

Das Gedenken weitergeben

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka warnte in seiner Rede vor dem „Gift des Antisemitismus. Der Gedenktag müsse genutzt werden, darüber nachzudenken, „wie wir das Gedenken an die nächsten Generationen weitergeben können“. Angesichts einer aktuellen Studie, die dem Wissen der Österreicher um den Holocaust ein denkbar schlechtes Zeugnis ausstellt, stellte Staatssekretärin Karoline Edstadler fest: „Unsere Arbeit ist noch lange nicht getan.“ Gerade Gedenkstätten wie Mauthausen, dessen Befreiung am 5. Mai 1945 das Parlament seit 1998 gedenkt, seien für die Bewusstseinsbildung wichtig.

Bundesratspräsident Ingo Appé mahnte einen Sorgsamen Umgang mit der Sprache ein: „Der Holocaust hat nicht mit körperlicher Gewalt begonnen. Am Anfang stand das Wort.“ Heute würden sich „Fake News und Hatespeech“ digital in der ganzen Welt verbreiten.

Kommentare