Hohe Kreditzinsen: Wie stark belasten sie die Bevölkerung wirklich?

SPÖ und FPÖ fordern scharfe Maßnahmen gegen Österreichs Banken – die derzeit hohe Zinsgewinne machen. Am Mittwoch haben Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) und Willibald Cernko, Chef der Erste Group und Bankensprecher in der Wirtschaftskammer, mehrere Maßnahmen vorgestellt. Was das Ergebnis des Bankengipfels gebracht hat und warum die Opposition höchst unzufrieden reagiert.
Worum geht es in der Debatte?
Während die Zinsen auf Kredite und Kontoüberziehungen zuletzt kräftig gestiegen sind, blieben sie auf Guthaben gleichbleibend niedrig. Davon profitieren die Banken – im Gegensatz zu vielen Häuslbauern. Wer sich beispielsweise ein Haus oder eine Eigentumswohnung gekauft und dafür einen Kredit mit variablem Zinssatz aufgenommen hat, den trifft es besonders hart. Die monatliche Zinsbelastung hat sich innerhalb eines Jahres etwa verdoppelt. SPÖ, FPÖ und Grüne orten ungerechtfertigte Zinsgewinne seitens der Banken – auf Kosten der Kreditnehmer.
Warum sind Kredite mit variablen Zinssätzen so beliebt?
Während die Österreicher als konservative Sparer gelten und nur selten Aktien erwerben, sind sie bei Krediten umso risikofreudiger. Rund die Hälfte der zuletzt vergebenen Immobilienkredite sind variabel, statt fix verzinst. Zur Erklärung: Variable Kredite orientieren sich am Leitzins der Europäischen Zentralbank (EZB). Kreditnehmer profitierten somit jahrelang von der Nullzinspolitik der EZB, während fix verzinste Kredite deutlich höher waren. Aufgrund der Teuerung hat die EZB den Leitzins nun sukzessive erhöht, auf nunmehr 4,25 Prozent. Daran orientieren sich Banken wiederum bei der Kreditvergabe, zum Beispiel für private Baukredite. Deshalb schnellen auch die variablen Zinsen nach oben. Die Banken müssen Kunden übrigens im Vorfeld über das Risiko variabler Kredite aufklären.
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Welche Gegenmaßnahmen setzt das Finanzministerium (BMF)?
Er habe mit Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) und den Banken viele Gespräche geführt, sagt Brunner: „Wir sind uns einig, dass wir reagieren müssen.“ Der Finanzminister will dabei vor allem auf mehr Transparenz bei den Sparzinsen setzen und damit den Wettbewerb zwischen den Banken anheizen. Wie? Eine Plattform bei der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) soll die Konditionen der Geldhäuser sammeln und verständlich aufbereiten. „Damit können sich die Sparerinnen und Sparer jederzeit und einfach einen Überblick über die Angebote der unterschiedlichen Banken machen“, sagt Brunner. Zudem will er die Bundesschätze wieder ausgraben. Worum geht es dabei? Private können fest verzinste Staatsanleihen der Republik Österreich erwerben. Österreich hatte das Online-Sparprodukt 2019 aufgrund der Niedrigzinsen eingestellt.
Wie wollen die Banken jetzt gegensteuern?
500.000 österreichische Haushalte haben einen Kredit laufen, der variabel verzinst ist. Cernko sieht aber kein großes Problem, derzeit könnten knapp unter zwei Prozent der Kredite nicht bedient werden: „Wir sehen heute nicht, dass eine Vielzahl an österreichischen Haushalten droht, an der Zinslast zusammenzubrechen.“ Dennoch wollen die Banken Kreditnehmern, die bei der Rückzahlung ihrer Raten in Verzug geraten, entgegenkommen. Und zwar, in dem sie vorerst für ein Jahr die Mahnspesen und Verzugszinsen aussetzen. „Wir werden diese Situation nicht nutzen, um zusätzliches Geld zu verdienen“, sagt Cernko. Zudem würden die Banken an einem bis zu 100 Millionen Euro schweren Topf für Kreditnehmer arbeiten.
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Betrifft das Problem wirklich nur wenige Personen?
Die Ombudsstelle für Zahlungsprobleme erkennt einen Trend, dass immer mehr Kreditnehmer stärker unter Druck geraten. Die Zahl der Anfragen und Beschwerden sei von durchschnittlich einer pro Tag im Frühjahr dieses Jahres auf drei bis vier Anfragen und Beschwerden im August gestiegen, heißt es aus dem Sozialministerium zur APA.
Was bringt das Aussetzen der Mahnspesen und Verzugszinsen einem Kreditnehmer in etwa?
Diese Frage könne man nur individuell beantworten, meint Cernko, der keine konkreten Zahlen vorlegen will. Die Banken seien jedenfalls an Lösungen interessiert: „Wir werden uns hier wirklich kundenorientiert verhalten.“ In Einzelfällen seien auch Stundungen oder eine Laufzeitenverlängerung möglich, sagt Cernko. Die versteckte Botschaft: Wer in Nöten ist, sollte jetzt zum Bankberater gehen.

Warum ist Brunner gegen eine Sondersteuer für Banken?
SPÖ und FPÖ zeigen sich über das Ergebnis des Bankengipfels höchst unzufrieden. Das Problem – die zu hohen Zinsen – werde nicht gelöst. Beide Parteien haben im Vorfeld teils rigide Markteingriffe gefordert: Etwa einen Deckel auf Kreditzinsen oder eine Sondersteuer, wenn Banken hohe Zinsgewinne machen – womit auch die Grünen liebäugeln. Diesen Ideen erteilt Brunner zum wiederholten Mal eine Absage. Erstens sei die Umsetzung aus kartellrechtlichen Gründen nicht möglich, meint Brunner – ohne ins Detail zu gehen. Zweitens warnt er vor „massiven Verwerfungen“ auf den Finanzmärkten. Hintergrund: Italiens rechtsgerichtete Regierung hat zuletzt eine Sondersteuer umgesetzt. Allerdings in stark abgeschwächter Form, denn die Börsenkurse der italienischen Banken waren infolge der Ankündigung nach unten gerasselt. Und die Maßnahme wird wohl weiter nachjustiert: Geht es nach Vizepremier Antonio Tajani, sollen nun lokal verankerte Sparkassen von der Sondersteuer ausgenommen werden. WIFO-Chef Gabriel Felbermayr warnte in den vergangenen Tagen jedenfalls mehrmals vor Markteingriffen in Österreichs Bankensektor. Dieser sei bereits stark reguliert, so Felbermayr: „Wenn nach tagespolitischen Launen für ungeliebte Branchen jederzeit die Gewinnsteuer ansteigen kann, zerstört das jede Berechenbarkeit und ruiniert das Investitionsklima.“
Ist das Finanzwissen der Österreicher mangelhaft?
Das meint zumindest Andreas Treichl, Ex-Chef der Erste Bank, im Ö1-Morgenjournal – und fordert, massiv an der Finanzbildung zu arbeiten.
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„Seit ich den Zinspreisdeckel von drei Prozent gefordert habe, werden die unanständig hohen Gewinne der Banken und die unfinanzierbaren Kreditzinsen endlich ein Thema. Es ist völlig klar, freiwillig passiert gar nichts, die Banken reagieren auf unseren Druck.“
Sven Hergovich, Vorsitzender SPÖ Niederösterreich
„Das Bankenpaket ist eine Verhöhnung der Kunden! Unleistbare Kreditzinsen bleiben unberührt, es gibt keinen Zinsdeckel, keine Übergewinnsteuer, keine Erhöhung der Bankenabgabe und kein Ende der ,Scheingewinn’-Steuer auf Sparzinsen.“
Herbert Kickl, FPÖ-Bundesparteivorsitzender
„‚Es ist nicht die Aufgabe der Politik, jeden Lebensbereich zu Tode zu regulieren, genauso wenig wie die Mieterinnen und Mieter durch ihr Steuergeld das Risiko von Wohnungseigentümern mit variablem Kredit übernehmen können.“
Gerald Loacker, Neos-Wirtschaftssprecher
„‚Die aktuell vorgeschlagenen kurzfristigen und teils populistischen Eingriffe in den Bankensektor sind nicht zielführend und schaden dem Investitionsklima.“
Christoph Neumayer, IV-Generalsekretär
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