Hoffnung auf kleine Achse Wien–Paris

Kurz und Macron.
Übereinstimmung und Trennendes beim Besuch Kanzler Sebastian Kurz’ bei Emmanuel Macron.

Im Hof des Élysée Palastes ist die Garde républicaine angetreten, auf dem Dach gegenüber sind Scharfschützen postiert, das Auto des Bundeskanzlers wartet vor dem Tor. Dann tritt Staatspräsident Emmanuel Macron vor die Tür. Jeder hier soll Macht und Bedeutung dieses Amtes spüren. Viel ist über die fast monarchische Ausstattung des französischen Staatsoberhauptes geschrieben worden, die Verfassung muss jeden Präsidenten verrückt machen, hat ein Politologe einmal gesagt.

Emmanuel Macron verlässt seinen Palast nur selten, er ist ein Arbeitstier, kontrolliert seine Minister und will mit großer Ungeduld Frankreich und Europa gleich dazu reformieren. Dabei hat er die besten Voraussetzungen. Seine Gegnerin bei der letzten Wahl, Marine Le Pen vom rechtsextremen Front National, ist in der eigenen Partei umstritten, die Konservativen sind zerstritten und die Sozialisten finden keinen Parteichef. Im Parlament hat Macron mit seiner "La République en Marche"-Bewegung eine gemütliche Mehrheit. Die Reformen des Arbeitsmarktes für mehr Flexibilität treibt er voran, die sonst kampfeslustigen Gewerkschaften bringen keine Massen auf die Straße. Mit dem Chef der linken "Force ouvrière", die die Mehrheit im öffentlichen Dienst vertritt, kann Macron inzwischen bestens.

Vertreter ganz Europas

Kürzlich war der französische Staatschef in China, wo er bewusst als Vertreter ganz Europas auftrat. Er wirke, als wollte er sagen "L'Europe, c'est moi", erklärte dazu ein Radiokommentator.

Aber Macron meint es ernst, das hat er bei der großen Rede im September in der Sorbonne-Universität klar gemacht. Er will "ein souveränes, geeintes, demokratisches Europa". Bei den Themen Verteidigung, Sicherheit, Klimawandel und Regulierung der globalen, digitalen Wirtschaft müsse die EU gemeinsam agieren. Und er hat damit auch eine Warnung verbunden: Unser einzigartiges Sozial- und Demokratiemodell werden wir nur gemeinsam erhalten können.

Macron hat sehr detaillierte Vorschläge gemacht, politische, aber auch solche für das viel zitierte "Europa der Bürger": Jeder junge Europäer solle mindestens sechs Monate in einem anderen EU-Land verbringen. Auf der politischen Ebene will er die Sozial - und Steuermodelle angleichen und die Märkte noch stärker integrieren.

Aber auch die Institutionen müssten sich verändern. Macron will nur mehr 15 Kommissare statt 28, und er will, dass bei den kommenden Europawahlen die Hälfte der Abgeordneten im EU-Parlament von länderübergreifenden Listen kommen.

Und der französische Präsident strebt das alles mit einer Ungeduld an, die auch sonst seinem Arbeitsstil entspricht.

Kurz: "Bessere EU"

Bundeskanzler Sebastian Kurz gefällt vieles an der Sorbonne-Rede Macrons. Zum KURIER sagt er: "Wenn wir alle Dinge umsetzen, wo wir einer Meinung sind, bekommen wir eine stärkere und bessere EU." So ist Kurz auch für die gemeinsame Sicherung der Außengrenzen, Österreich dürfe Länder wie Italien und Griechenland nicht alleine lassen, sondern müsse mithelfen, mit Polizeikräften, aber auch militärisch. Im Rahmen der Neutralität werde Österreich auch an einer gemeinsamen Verteidigung teilnehmen. Differenzen gibt es bei der Frage, ob ein EU-Finanzminister in die Budgets der Länder eingreifen darf. Das will Kurz nicht.

Die Finanzierung der EU nach dem Brexit, wenn die zwölf Milliarden der Briten fehlen, wird noch zu heftigen Debatten führen. Kurz meint, auch Macron wolle Reformen, die Geld sparen. Überhaupt würden alle Nettozahler achten, nach dem Brexit nicht mehr zahlen zu müssen. Kurz sprach von einem "Kassasturz" , wo alle Ausgaben hinterfragt werden müssten. Wobei Kürzungen im Agrar-Budget auch österreichische Bauern treffen würden.

Gerade am künftigen Streit um die Finanzierung zeigt sich übrigens, dass Österreich und die osteuropäischen Visegrád Staaten völlig unterschiedliche Interessen haben. Diese Länder profitieren massiv von EU-Zahlungen und werden sich auf deutliche Reduktionen einstellen müssen, wenn Österreich und andere Nettozahler nicht mehr beitragen wollen.

"Nicht zu Visegrád"

Im Interview mit Le Figaro erklärte Kurz, Österreich gehöre nicht zu Visegrád, könne aber Brückenbauer in Europa sein. Kurz betont auch hier, dass er ein Europa der Subsidiarität anstrebe. Das will auch Macron. Aber die Differenz liegt darin, dass Macron mehr gemeinsame EU-Kompetenzen will, auch einen europäischen Finanzminister, der über ein gemeinsames Budget für Investitionen sorgen kann. Das will Kurz nicht.

Die Differenz kam auch bei der Pressekonferenz zu Tage, wo Macron zu mehr Europa im Sozialbereich und beim EU-Budget neigt. Da bremst Kurz. Einig waren sich die beiden in der Frage einer subsidiären Union, wo die Staaten wieder Funktionen übernehmen sollen, die auf unterer Ebene besser lösbar sind.

Das sollten die Bürger auch bald in ganz Europa bei öffentlichen Veranstaltungen diskutieren. Die EU solle dabei Fragen formulieren.

Kurz sprach von der Hoffnung, dass es in der EU neben der großen deutsch-französischen Achse auch eine kleine österreichisch-französische Achse geben sollte. Beide zeigten sich erleichtert, dass es in Berlin doch bald eine Regierung geben werde.

Nicht einmischen

Zur Regierungsbeteiligung der FPÖ sagte Macron, er habe die Rechtsextremen bekämpft, werde sich aber bei den Nachbarn nicht einmischen. Die beste Antwort auf die Rechtsextremen ist ein Europa, das seine Bürger schützt.

Kurz sagte zu den französischen Journalisten, sie sollten seine Regierung nach ihren Taten messen. "Vielleicht geben Sie uns eine Chance", betonte Kurz.

Schon in der Früh hatte Kurz in der Botschaft den französischen Oberrabbiner Haïm Korsia getroffen, ein bewusstes Zeichen. Der Oberrabbiner zeigte sich gut über Österreich informiert und sprach auch die FPÖ Regierungsbeteiligung an. Der Bundeskanzler wird noch im Frühjahr nach Israel reisen, wo FPÖ-Minister nicht offiziell empfangen werden. Vorerst jedenfalls. Das wird dann ein Thema beim Kanzler-Besuch in Israel werden.

Kurz will EU mit Macron „stark“ verändern

Im Pariser Élysée Palast hatte im Jahr 2000 der konservative Präsident Jacques Chirac die europäische Anlehnung der schwarz blauen Regierung Schüssel organisiert. Jetzt empfängt der liberale Präsident Emmanuel Macron lächelnd Sebastian Kurz. Und beide sprechen sie davon, wie sie gemeinsam Europa verbessern können. Da gibt es grosse Unterschiede, Macron will einen EU Finanzminister mit einem Budget für Investitionen und eine Art Sozialunion. Kurz will das nicht, spricht von einer EU der Subsidiarität. Die will auch Macron, aber da gibt es wohl Unterschiede in der Auffassung, was das genau ist. Aber immerhin: Die beiden sind sich einig, dass es genügend Punkte gibt, wie sie gemeinsam die EU weiter bringen könnten.

Natürlich wurden Kurz und Macron auf die FPÖ angesprochen. Für Macron ist diese rechtsextrem. Kein Wunder, seine Gegnerin Marine Le Pen will die EU zerstören. Und genau mit dieser Le Pen sitzen die Freiheitlichen vertraut im Europaparlament. Kurz ist stolz darauf, eine EU freundliche Regierung anzuführen. Das wird solange auf Skepsis stoßen, solange die FPÖ mit dem Front National in einer Gruppe im EU Parlament agiert. Die EU und die Wiener Regierung, die im Sommer die Ratspräsidentschaft übernimmt, haben genügend Aufgaben vor sich. Sie hätten es leichter, wenn die FPÖ sich endlich von den europäischen Rechtsextremen distanzieren würden.

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