Überraschend herzlich gab sich auch Tschechiens Präsident Miloš Zeman. Der Mann, der vor sechs Jahren Norbert Hofer unterstützt hatte, schwärmte ob der „unermesslichen Ehre“, die ihm zuteil wird, weil er, Zeman, den Großteil seiner Amtszeit mit einem Mann wie Van der Bellen dienen durfte.
So viel zum Blick zurück, zum Wahlsonntag.
Was die Zukunft angeht, musste der Amtsinhaber die nächstliegende Frage mehrmals am Wahlabend beantworten, nämlich: Wie legt er sie an, die kommenden Jahre? Es ist kein Geheimnis, dass Van der Bellen die Thematik tendenziell nervt – vor allem dann, wenn sie mit dem Unterton formuliert wird, ob er die nächsten sechs Jahre etwas „mutiger“ oder „aktiver“ angehen wird.
Dass den früheren Grünen-Chef diese Frage enerviert, hat mehrere Gründe.
Einer davon: Wer von ihm mehr Mut fordert, sagt damit im Umkehrschluss, dass Van der Bellen sechs Jahre lang feig war. Und das will sich der Amtsinhaber angesichts der mannigfaltigen Krisen in Regierung (Ibiza, Kanzler-Abwahl und -wechsel etc.) und Gesellschaft (Covid, Teuerung, Klimawandel) nicht vorhalten lassen.
Hinzu kommt, dass der Bundespräsident bisweilen den Eindruck hat, die Außenwelt würde die Komplexität seiner Aufgabe etwas unterschätzen.
Die Innensicht in der Hofburg ist – vereinfacht gesagt – folgende: Auf Twitter finden sich jeden Tag mehr als ein Dutzend politischer Themen, von denen Kommentatoren und Experten überzeugt sind, dass sich der Bundespräsident dazu äußern muss. Demgegenüber hat die Hofburg das Problem, dass ihr Fehler selten bis gar nie verziehen werden. Soll heißen: Selbst bei nie da gewesenen Ereignissen wie Hausdurchsuchungen im Kanzleramt muss das Staatsoberhaupt so Stellung nehmen, dass die Reden gut altern. Die Aussagen müssen auch 14 Tage oder 14 Wochen später stimmen – insbesondere dann, wenn man moralisch ernst genommen werden will. Bei klar einzuordnenden Ereignissen wie dem Ukraine-Überfall habe man schnell reagiert, sagt ein Berater. Korruptionsvorwürfe gegen Einzelne seien demgegenüber schwieriger – was, wenn sich die Unschuld beweisen lässt?
Welche Akzente Van der Bellen ab Jänner setzt, darüber macht er sich gerade mit seinem Team Gedanken. Was wirtschaftspolitische Fragen angeht, berät ihn unter anderem der frühere Verbund-Chef Wolfgang Anzengruber ehrenamtlich. Weitere politische Berater-Stäbe sind eine Überlegung.
Vor allem aber will Alexander Van der Bellen in den nächsten Monaten sein Herzensthema forcieren: den Klimaschutz. Der habe, so bemängelt das Staatsoberhaupt in kleiner Runde, wegen all der anderen Krisen stark an Aufmerksamkeit eingebüßt. Und das, sagt Van der Bellen, könne so nicht bleiben.
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