Dritte Entscheidung, wieder kein Favorit

Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer
Norbert Hofer war im ersten Wahlgang und am Stichwahl-Sonntag 22. Mai noch Erster, Alexander Van der Bellen am 23. Mai. Fünf Länder wählten Hofer, alle Landeshauptstädte Van der Bellen.

Keinen klaren Favoriten gibt es für die verschobene Hofburg-Wiederholungswahl am 4. Dezember: Die aufgehobene Stichwahl vom 22. Mai brachte das knappste Ergebnis aller 13 Volkswahlen seit 1951, der Grüne Alexander Van der Bellen lag um nur 30.863 Stimmen vor Norbert Hofer. Der FPÖ-Kandidat holte sich mit der Anfechtung eine zweite Chance. (Grafiken und Kurzporträts finden Sie im unteren Abschnitt, Anm.)

Die Österreicher sind in der Frage, wer das nächste Staatsoberhaupt werden soll, gespalten. Von Anfang an klar war diesmal nur, dass sie anders als bisher weder einen roten noch einen schwarzen Bundespräsidenten wollten. Schon in den Umfragen im Frühjahr lag über Monate Van der Bellen vorne. Den ersten Wahlgang und die Urnenwahl im Stechen gewann Hofer, mit Auszählung der Briefwahl wurde am 23. Mai doch noch Van der Bellen Erster. Er holte sich den Sieg in den großen Städten, allen voran Wien und Graz. In allen neun Landeshauptstädten war der frühere Grünen-Chef Erster, aber in fünf der neun Bundesländer gab es eine Mehrheit pro Hofer.

Dritte Entscheidung, wieder kein Favorit
Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer

So knapp wie nie zuvor

Im ersten Wahlgang vom 24. April - wo auch Irmgard Griss, Rudolf Hundstorfer (SPÖ), Andreas Khol (ÖVP) und Richard Lugner am Stimmzettel standen - lag Hofer noch weit vor Van der Bellen: 1,499.971 Stimmen brachte der FPÖ-Kandidat ins Ziel, das waren um 586.753 bzw. 13,71 Prozentpunkte mehr als Van der Bellens 913.218.

Auch im Stechen hielt sich Hofer (mit 144.006 Stimmen Vorsprung) zunächst noch vorne - im vorläufigen Endergebnis, das am Abend des 22. Mai verkündet wurde. Aber nach Auszählung der Briefwahl war Hofer am Abend des 23. Mai mit 2,220.654 Stimmen nur mehr Zweiter und Van der Bellen mit 2,251.517 Stimmen und 50,35 Prozent gewählter Bundespräsident - bis zur Aufhebung der Wahl durch den VfGH am 1. Juli.

So knapp war nie zuvor eine Hofburg-Wahl ausgegangen - nur fast so knapp: Franz Jonas zog 1965 mit 50,69 Prozent zum ersten Mal in die Hofburg ein, allerdings schon im ersten Wahlgang, weil nur Alfons Gorbach (ÖVP) gegen ihn antrat. Das bisher knappste Ergebnis der vier Bundespräsidenten-Stichwahlen gab es gleich bei der ersten Volkswahl im Jahr 1951: Theodor Körner (SPÖ) gewann mit 52,06 Prozent gegen Heinrich Gleißner (ÖVP).

Land für Hofer, Stadt für Van der Bellen

Geteilt zeigte sich Österreich auch bei der regionalen Verteilung der Stimmen: Die großen Städte wählten Van der Bellen, die ländlichen Regionen Hofer. Der Ex-Grünen-Chef holte sich alle neun Landeshauptstädte. Vor allem Wien und Graz - mit fast zwei Drittel der Stimmen - sicherten ihm den Sieg. So reichte dem Ex-Grüne-Chef auch die Mehrheit in vier Ländern, nämlich Wien, Vorarlberg, Tirol und Oberösterreich, um bundesweit Erster zu werden. Die weitaus höchste Zustimmung hatte er mit 63,32 Prozent in der Bundeshauptstadt, wo auch der Amtssitz - die Hofburg - liegt. Die Vorarlberger wählten ihn zu 58,59 Prozent.

Hofer schaffte ebenfalls ein Landesergebnis über 60 Prozent, und zwar in seiner Heimat, dem Burgenland. Dort sind allerdings die wenigsten Wahlberechtigten zu Hause - während Wien die zweithöchste Zahl aufweist. Im wählerstärksten Land, Niederösterreich, lag Hofer zwar recht deutlich (52,65 Prozent) vorne, aber Van der Bellen holte sich das drittstärkste, Oberösterreich. Fast 60 Prozent - genau 58,10 - erzielte Hofer in Kärnten, das lange in blau/oranger Hand war. Wie groß das Stadt-Land-Gefälle war, sieht man an der Steiermark: Dort kam Hofer landesweit auf 56,22 Prozent - aber in der Landeshauptstadt Graz wählten 64,44 Prozent Van der Bellen. Mehrheitlich für den FPÖ-Kandidaten entschied sich auch das Land Salzburg, in der Stadt kam hingegen Van der Bellen auf fast 60 Prozent.

Das Ergebnis der aufgehobenen Bundespräsidenten-Stichwahl vom 22. Mai nach Bundesländern:

Dritte Entscheidung, wieder kein Favorit
BP-Wahl - Wahlsieger mit knappster Mehrheit seit 1951 - Balkengrafik GRAFIK 0595-16, 88 x 55 mm
Dritte Entscheidung, wieder kein Favorit
Korrektur: Angaben mit zwei Kommastellen Wahlen 1951, 1986, 1992 und 2016- Ergebnisse erster Wahlgang und Stichwahl ­ Balkengrafik GRAFIK 0491-16, 88 x 96 mm
Dritte Entscheidung, wieder kein Favorit
Stimmenanteile im ersten Wahlgang und bei der Stichwahl - Balkengrafik; Wahlsieger in der Übersicht - Landkarte GRAFIK 0586­16, 88 x 202 mm
Dritte Entscheidung, wieder kein Favorit
Landkarte, eingefärbt nach Mehrheiten, Endergebnis mit Briefwahl GRAFIK 0587­16, 180 x 95 mm

NORBERT HOFER - geboren am 2. März 1971 in Vorau, aufgewachsen in Pinkafeld, Flugzeugtechniker, FPÖ-Politiker im Burgenland, dann im Bund, Dritter Nationalratspräsident

Dritte Entscheidung, wieder kein Favorit
ABD0037_20160903 - ZELTWEG - ÖSTERREICH: Die Präsidentschaftskandidaten Norbert Hofer (links) und Alexander Van der Bellen anl. der Flugshow ?Airpower 16" am Samstag, 03. September 2016, in Zeltweg. - FOTO: APA/ERWIN SCHERIAU

Auf das nette Gesicht und besonnene Lächeln Norbert Hofers setzte die FPÖ in ihrem Kampf um die Hofburg - und dies, verbunden mit im Wahlkampf von ihm knallhart vertretenen FPÖ-Positionen (etwa zur Flüchtlingsfrage), kam bei den Wählern gut an. Aus der ersten Runde ging Hofer entgegen den Prognosen der Meinungsforscher mit 35,05 Prozent klar als Erster und somit Favorit für die Stichwahl hervor. Präsident ist Hofer schon jetzt - und zwar seit 2013 Dritter Nationalratspräsident. Dorthin gebracht hat es der 45-jährige gelernte Flugzeugtechniker aus dem Burgenland mit 21 Jahren beharrlichem Aufstieg in der FPÖ - von Eisenstadt über das Burgenland bis in den Nationalrat und, nach der Spaltung der Partei 2005, an die Seite Heinz-Christian Straches als Parteichef-Stellvertreter. Hofer fiel zwar selten durch markig-laute "blaue" Sprüche auf, aber er ist einer der Chefideologen der FPÖ: Er war sowohl beim Parteiprogramm 2011 als auch beim 2013 erschienen "Handbuch freiheitlicher Politik" federführend. Sein besonderes Engagement galt überdies versehrten Menschen - der FPÖ-Behindertensprecher hat nach einem schweren Unfall beim Paragleiten im Jahr 2003 heute noch Schwierigkeiten beim Gehen, gelegentlich tritt er mit Stock auf. Bis heute hat Hofer seinen Hauptwohnsitz im Südburgenland, er ist verheiratet und hat vier Kinder.

ALEXANDER VAN DER BELLEN - geboren am 18. Jänner 1944 in Wien, aufgewachsen im Tiroler Kaunertal, Volkswirt, Universitätsprofessor, Grünen-Chef von 1997-2008, bis 2015 im Wiener Gemeinderat

Dritte Entscheidung, wieder kein Favorit
(FILES) This file photo taken on May 22, 2016 shows presidential candidates Alexander Van der Bellen (L) of Austrian Greens and Norbert Hofer (R) of Austrian Freedom party (FPOe) during a television discussion after the second round of the Austrian President elections at the Hofburg palace in Vienna. Austria's highest court on July 1 annulled May's presidential election result following a legal challenge from the far-right Freedom Party (FPOe), whose candidate lost by a narrow margin, citing irregularities / AFP PHOTO / JOE KLAMAR

Der 72-jährige frühere Grünen-Chef hat - wie es so seine Art ist - erst nach langer Überlegung dem Wunsch seiner Partei nachgegeben und sich aufs politische Parkett zurückbegeben, als unabhängiger Kandidat mit intensiv grüner Unterstützung. Dort erlebte er ein Wechselbad: Er war Favorit für den ersten Wahlgang, wurde (mit 21,34 Prozent) aber nur Zweiter. In der Stichwahl war er am Sonntag noch Zweiter, erst nach Auszählung der Briefwahl am Montag mit 50,35 Prozent gewählter Präsident - aber nur, bis zur Anfechtung und Aufhebung der Wahl. Somit musste sein Team zum dritten Mal Spenden sammeln, um den Wahlkampf zu finanzieren - und mit der Verschiebung des Termins von Oktober auf Dezember sogar noch ein viertes Mal. Van der Bellen ist allerdings beharrlich - das zeigte der passionierte Raucher schon bei den Grünen. Dort hielt er sich lange wie zuvor kein anderer an der Spitze, von 1997 bis 2008. Dabei war der Wirtschaftsprofessor erst mit fast 50 von der SPÖ zu den Grünen um-und in die Politik eingestiegen: 1994 als Nationalrats-Abgeordneter, drei Jahre später Bundessprecher, 1999 Klubobmann. Er schlug drei erfolgreiche Nationalratswahlen, die Grünen wuchsen von fünf auf über zehn Prozent. Nach der Wahlschlappe 2008 übergab er die Geschäfte an Eva Glawischnig. Bei der Wien-Wahl 2010 holte er ein Vorzugsstimmenmandat, wechselte aber erst 2012 vom National- in den Gemeinderat. 2015 trat er nicht mehr an, sondern überlegte, ob er Hofburg-Kandidat werden soll. Privat sorgte er vor: Im Herbst ließ er sich von seiner ersten Frau (mit der er zwei Söhne hat) scheiden und heiratete im Dezember seine langjährige Freundin, die Geschäftsführerin im Grünen Klub.

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