Hengstschläger: "Gesundes Wirtschaften muss möglich sein“

Markus Hengstschläger
Der Genetiker über den Balanceakt der Maßnahmenlockerung und warum die Menschheit jetzt keine „blauäugigen Optimisten“ braucht.

KURIER: Schleichend, aber doch bricht der Wettkampf Gesundheit gegen Wirtschaft aus. Ist es eine ethische Unmöglichkeit, Wirtschaftswachstum gegen körperliche Unversehrtheit aufzurechnen?

Markus Hengstschläger: Zuerst ist es mir ein Anliegen zu sagen, dass ich den von der Regierung verfolgten und von der österreichischen Bevölkerung so beeindruckend umgesetzten beziehungsweise mitgetragenen „Flatten the Curve“-Ansatz für den richtigen halte. Auch aus ethischer Sicht ist es geboten, die Kurve an Infektionen so niedrig zu halten, dass man hoffentlich nicht in die Situation eines überlasteten Gesundheitssystems durch zu viele gleichzeitig schwer Betroffene kommt. Die Leistungen, die so viele Menschen in Österreich gerade vollbringen, sind einfach enorm. Man kann nur voller Hochachtung und Dankbarkeit den Hut ziehen. Zu Ihrer Frage ist zu sagen, dass aus ethischer Sicht selbstverständlich und eindeutig Gesundheit, Unversehrtheit und das Leben von Menschen als das höchste Gut einzustufen sind. Eine ethische Diskussion sollte man zum Beispiel dann führen, wenn man in einem Land die Gefahr sähe, dass die Konsequenzen der aktuellen Maßnahmen zwar auf der einen Seite die Infektionskurve positiv beeinflussen, auf der anderen Seite aber für die Gesundheit von Menschen auch negative Folgen haben könnten.

Welche Aspekte sind das?

Das könnte zum Beispiel eintreten, wenn Operationen verschoben werden müssen oder chronisch kranke Menschen Arzttermine nicht wahrnehmen wollen oder können. Es muss sogar angedacht werden, dass diese besonderen psychosozialen Bedingungen Menschen auch krank machen könnten. Ich hoffe sehr, dass man diese Aspekte dann permanent im Auge behalten würde.

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