Heinisch-Hosek macht Millionen für Problemschulen locker

Integrationsmaßnahmen nicht nur für außerordentliche Schüler bereits ab Herbst
Ab Herbst gibt es 144 Millionen für mehr Sprachlehrer und Sozialarbeiter in Brennpunktschulen.

Die Not ist groß: Tausende Schüler beenden jedes Jahr die Pflichtschule, ohne ausreichend Deutsch zu können. Eine "verlorene Generation", nannte sie die Wiener NMS-Direktorin Andrea Wallach.

Jetzt kündigt Bundesministerin Gabriele Heinisch-Hosek eine massive Kurskorrektur an (siehe Interview unten). Schon ab Herbst soll die Situation an den Brennpunktschulen deutlich entschärft und verbessert werden. Die Ministerin hat beschlossen, das frische zugesagte Geld für Integrationsmaßnahmen – immerhin 63,75 Millionen Euro noch in diesem Jahr und weitere 80 Millionen Euro im kommenden Jahr – für Deutsch- und Integrationskurse vor allem an den Brennpunktschulen einzusetzen.

Sozialindex ab Herbst

Dazu wurde ein eigener Sozialindex erstellt, der diese gezielte Förderung erst möglich macht. Hintergrund der vom Bifie (Bundesinstitut für Bildungsforschung) entwickelten "sozialindexierten Ressourcensteuerung" ist, für jede Schule zu ermitteln, wie groß die Herausforderungen sind.

Vier Parameter werden dafür herangezogen: Anteil der Schüler mit Eltern mit maximal Pflichtschulabschluss, Anteil der Schüler aus Familien der untersten 20 Prozent ("sozioökonomischer Status"), Anteil der Schüler mit Migrationshintergrund und Anteil der Schüler mit ausschließlich anderer Erstsprache als Deutsch. Je unvorteilhafter diese Erhebungen sind, umso mehr Unterstützung gibt’s am Standort. Die Wirkung der Maßnahmen werde laufend überprüft.

Kleingruppen

Bei den Sprachförderkursen soll dafür ab Herbst die Zahl der Planstellen von ursprünglich 442 auf 850 fast verdoppelt werden. Davon profitieren werden aber nicht nur Volksschulen und Neue Mittelschulen, sondern auch die BMHS (Sekundarstufe II).

Über den Sozialindex sollen im Volksschul- und NMS-Bereich zudem 200 Planstellen für "gezielte Integration, Vermittlung der Grundkompetenzen und Kulturtechniken (Rechnen, Lesen, Schreiben, IT)" bereit gestellt werden. Das soll auch im oft geforderten Kleingruppenunterricht für individuelle Fördermaßnahmen ermöglicht werden.

Ebenfalls über den Sozialindex soll den Schulen 250 Planstellen für Schulsozialarbeiter bereit gestellt werden. Diese sollen helfen, die Pädagogen vor Ort zu entlasten. Zudem sollen sie Schülern als auch deren Eltern für Einzelberatung zur Verfügung stehen. Sie stellen, wenn erforderlich, auch die Kontakte zur Kinder- und Jugendhilfe als auch zu Flüchtlingsunterbringung her.

Und auch Flüchtlinge, die in ihrem Land die Schulpflicht schon beendet haben, sollen von "konzentrierten Maßnahmen" in Form außerschulischer Lehrgänge profitieren, sowohl in den BMHS als auch in den AHS. Zudem gibt es für Erwachsene eine Verdoppelung der Plätze in Alphabetisierungskursen von derzeit 1200 auf 2400. Weitere Maßnahmen sind noch in Planung – etwa im Bereich Gleichstellung von Mann und Frau.

KURIER: 144 Millionen Euro mehr für Brennpunktschulen – was ist konkret Ihr Plan?
Gabriele Heinisch-Hosek: Es gibt ja einige Schulen in Österreich, die besondere Unterstützung brauchen. Mit diesem Geld kann es gelingen, die Lehrerinnen und Lehrer wirklich zu entlasten, die Kinder so zu fördern, wie sie es brauchen, und für die nächsten zwei Jahre sicherzustellen, dass Sprach-Startkurse und Sprachförderung ausreichend stattfinden können.

Erstmals wird das Geld mittels Sozialindex verteilt. Was ist damit gemeint?
Ich überlege schon lange, wie man Schulen, die besondere Unterstützung brauchen, punktgenau fördern kann. Wissenschafter des Bifie (Institut für Bildungsforschung) haben nun nach internationalen Standards eine Methode entwickelt, um einen Sozialindex für Schulen zu schaffen. Da wird geschaut, welchen Bildungsabschluss die Eltern haben, wie der Migrationshintergrund ist und das Einkommen. Anhand dessen kann man feststellen, welche Schulen in welchen Gegenden besondere Herausforderungen vorfinden. So können wir ab Herbst punktgenau fördern.

Denken Sie, damit kann der „verlorenen Generation“ nachhaltig geholfen werden kann?
Wir haben jetzt das erste Mal genug Geld im System, genau jenen Kindern, die es brauchen, die notwendige Unterstützung zukommen zu lassen. Wenn ich eine kleine Gruppe aus einer Klasse herauslösen kann, um mit ihnen intensiv Deutsch zu lernen, hat der Rest der Gruppe auch mehr von der Lehrerin, weil diese Unterstützung zielgerichtet ist.

Es gibt aber nicht nur zusätzliche Sprach- und Förderlehrer ...
Ja, nun wird auch viel besser möglich, dass jene Lehrer, die an ihrer Schule schwer belastet sind, auch auf die Hilfe von Schulsozialarbeitern zurückgreifen können. Da geht es um 250 Personen, die wir nur dafür anstellen wollen.

Das Geld wird nicht nur für Flüchtlingskinder aufgewendet?
Nein. Es geht um Geld für Integrationsmaßnahmen für außerordentliche Schüler, die nicht ausreichend Deutsch beherrschen.

Aus Sorge, dass ein Sozialindex nur Wiener Brennpunktschulen begünstigen würde, lehnten die Länder diesen bisher ab. Wohin geht das Geld?
Es gibt in allen neun Bundesländern Schulen, die besondere Unterstützung brauchen. Es geht um einige hundert Schulen. Die Standorte mit einem sehr hohen Sozialindex haben Vorrang.

Welche das sind, werden Sie aber nicht sagen?
Nein, wir werden keine Listen veröffentlichen. Aber urbane Gebiete, soviel zeigt sich bereits jetzt, sind eher dabei als ländliche Regionen.

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