Heftige Debatte im Nationalrat zur EU-Flüchtlingspolitik

Heftige Debatte im Nationalrat zur EU-Flüchtlingspolitik
Bei der von der Liste Pilz eingebrachten Dringlichen Anfrage zur Flüchtlingspolitik gab es Kritik an "Achse der Mutwilligen".

Ziemlich polemisch ist die Debatte der "Dringlichen Anfrage" der Liste Pilz MIttwochnachmittag im Nationalrat abgelaufen. Ausdrücke wie "Grapscherkönig" und "B'soffener" flogen durch den Plenarsaal. Inhaltlich arbeitete sich die Opposition an Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ab.

Angesichts der jüngsten asylpolitischen Aufwallungen in Europa hatte die Liste Pilz im Nationalrat eine Dringliche Anfrage an Kurz gerichtet. Er sollte sich zum Thema Rückweisungen von Flüchtlingen aus Deutschland, dem Schutz der Südgrenze Österreichs, den Ergebnissen des EU-Gipfels und nicht zuletzt zu einem Verhältnis zur CSU äußern.

Eingeleitet wurde die Anfrage mit dem Vorwurf, die türkis-blaue Bundesregierung habe Österreich zu einem Teil einer "Achse der Mutwilligen" zwischen München, Wien und Budapest gemacht. Diese nehme die Beschädigung der EU in Kauf und setze auf nationale Einzelgänge. Im Zentrum stehe die Renationalisierung der Flüchtlingspolitik.
 

Schieder: "Sie machen Europa kaputt"

Der geschäftsführende SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder meinte direkt an den ÖVP-Chef gewandt: "Sie nennen sich Brückenbauer, aber in Wahrheit machen sie Österreich und ganz Europa kaputt." Statt konstruktiver Politik setze Kurz auf Profilierungssucht und Nationalismus. Die Folge sei Unsicherheit und Chaos in Österreich und eine Zerstörung des europäischen Konsens.

Schieder unterstellte dem Kanzler, in der Flüchtlingsfrage gar kein Interesse an einer tragfähigen Lösung zu haben. Denn ohne die Zündelei der Regierung bliebe nur unsoziale Politik über, attestierte der SP-Klubchef nebenbei angesichts beispielsweise des 12-Stunden-Tags Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ), ein "Arbeiterverräter" zu sein.

Strolz: "Das kann nicht der Ernst dieses jungen Menschen sein"

NEOS-Klubobmann Matthias Strolz outete sich als Ex-Fan von Kurz. Warum er es nicht mehr ist, erklärte er mit der europäischen Haltung des Kanzlers: "Das kann nicht der Ernst dieses jungen Menschen sein", meinte er zum Zugang Kurz'. Daher werde er auch nicht aufhören ihn zu rütteln. Denn mit seinem Können könnte der Kanzler anderes tun als Zündeln und Nationalismus zu befeuern.

 

Heftige Debatte im Nationalrat zur EU-Flüchtlingspolitik

Neos-Klubchef Strolz (re.) und SP-Klubchef Schieder

Strolz fordert Kurz auf, positiv voranzugehen und die Schicksalsgemeinschaft Europa als Chancengemeinschaft zu begreifen. So könnte Europa etwa tausend Partnerstädte in Afrika suchen und Österreich dabei vorangehen.

Seitens der Liste Pilz befand die Abgeordnete Alma Zadic, dass Kurz eine "Achse der Mutwilligen" bilde. Es werde gespalten, was eigentlich zusammengewachsen sei. Sie fühle sich angesichts der Regierungspolitik wie in George Orwells "1984", wo das sogenannte Wahrheitsministerium gezielt Fehlinformationen verbreite.

Türkis-Blau gegen Pilz

Die Koalitionsredner nahmen sich vor allem Erstredner Peter Pilz zur Brust und das durchaus deftig. So erklärte der freiheitliche Abgeordnete Hans Jörg Jenewein, Pilz werde bald 65, ein schwieriges Alter für einen Mann, umso mehr wenn dieser sich als "Grapscherkönig und Mandatskäufer einen besonderen Namen gemacht hat." Verteidigt wurde von Jenewein der Zug zur Außengrenzsicherung unter anderem mit dem Verweis darauf, dass schon 2004 der deutsche SPD-Innenminister Otto Schily Auffanglager in Afrika gefordert habe.

Als Verteidiger der österreichischen Europapolitik zitierte der VP-Mandatar Werner Amon lange EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, wobei aus dem Auditorium offenbar der Ruf "Der B'soffene" zu vernehmen war. Der vorsitzführende Präsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) wollte daraufhin erbost einen Ordnungsruf erteilen, konnte aber nicht eruieren, wer den Kommissionspräsidenten beflegeln wollte. Amon focht dies nicht an und dankte der Regierung noch, dass sie keine Zweifel daran lasse, keine Situation mehr wie bei der Flüchtlingskrise vor drei Jahren entstehen zu lassen.

Kurz sieht Trendwende

Bundeskanzler Kurz hat sich gegen die Kritik der Liste Pilz in Sachen Flüchtlingspolitik zur Wehr gesetzt. Dass es heute wieder Grenzkontrollen in Europa bzw. den Wunsch nach diesen gebe, liege in der Verantwortung jener, die 2015/16 eine falsche Flüchtlingspolitik betrieben hätten. Der jüngste EU-Gipfel habe eine Trendwende gebracht, betonte er erneut.

Es gebe jetzt eine Regierung in Österreich, "die versucht, die Dinge wieder in Ordnung zu bringen", sagte Kurz. Sein Versprechen: "Wir werden es zustande bringen, dass ein Europa ohne Grenzen wieder selbstverständlich ist." Dafür gebe es einen Plan, nämlich Hilfe vor Ort (die Österreich vor auch als EU-Nettozahler mittrage) und einen funktionierenden Außengrenzschutz der EU.

 

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SPÖ-Abgeordneter Peter Wittmann

Der Kanzler bekräftigte auch seine Ablehnung der Möglichkeit zum Stellen von Asylanträgen in den vereinbarten Ausschiffungsplattformen. Die Diskussion dazu sei noch im Gange. "Wir setzen auf den Zugang zu Resettlementprogrammen direkt aus Kriegsgebieten", sagte er, denn damit entstünden keine Pullfaktoren.

Nicht mittragen wolle er Maßnahmen Deutschlands, die zulasten Österreichs gingen, wiederholte er sich. Sekundärmigration zu verhindern, sei allerdings im Interesse beider Länder. Man sei jedenfalls im ständigen Austausch mit Deutschland und warte die dortigen Entscheidungen ab; dann werde man adäquat reagieren.

Auf den Pilz'schen Vorwurf, dass er beim "Putsch" gegen die deutsche Kanzlerin Angela Merkel mit der CSU im Bunde gewesen sei, ging Kurz nicht weiter ein, sondern verwies nur darauf, dass die gemeinsame Ministerratssitzung mit dem Münchener Kabinett bereits im Februar vereinbart worden sei.

Pilz spricht von "antieuropäischem Ratsvorsitz"

Zuvor hatte Listengründer Pilz in der Anfragebegründung den Kanzler vehement kritisiert. Im EU-Parlament sei Kurz selbst von seinen eigenen Fraktionskollegen boykottiert worden. Er betreibe einen "antieuropäischen Ratsvorsitz" und setzte mit seinen Freunden in München und seinen Vorbildern in Polen und Ungarn ausschließlich auf Flüchtlingsabwehr. "Das ist das dümmste, was der jetzigen EU passieren kann", so Pilz.

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