Rote Linie der SPD im Asylstreit: "Keine geschlossenen Lager"

Rote Linie der SPD im Asylstreit: "Keine geschlossenen Lager"
Nahles wendet sich gegen "nationale Alleingänge". CDU/CSU wollen Flüchtlinge bis zu 48 Stunden in Zentren festhalten können.

Die SPD hat eine klare rote Linie für die Verhandlungen mit CDU und CSU über die Ausgestaltung eines schärferen Asylrechts in Deutschland gezogen. "Es wird mit uns keine geschlossenen Lager geben", sagte die Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles am Mittwoch nach einer Sondersitzung der SPD-Bundestagsabgeordneten in Berlin. "Auf dieser Basis werden wir am Donnerstagabend weiter verhandeln."

"Es darf keine nationalen Alleingänge geben, es muss rechtsstaatliche Verfahren zu jedem Zeitpunkt geben", betonte Nahles weiter. Der Fünf-Punkte-Plan der Partei zur Migrationspolitik und der Koalitionsvertrag seien die Basis. Eine Einigung bei dem Koalitionstreffen am Donnerstag sei unklar.

Union und SPD hatten bereits am Dienstagabend über die geplanten Transitzentren beraten, auf die sich CDU und CSU nach dem erbitterten Machtkampf zwischen Innenminister Horst Seehofer (CSU) und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) geeinigt hatten.

Die SPD hatte sich in der Vergangenheit generell gegen Transitzonen für Flüchtlinge gewandt. In der Partei wird jetzt aber darauf verwiesen, dass es bei dem neuen Unionsvorschlag um eine begrenzte Zahl von Flüchtlingen geht. Deshalb wird eine Einigung für möglich gehalten. Ob diese schon bei den Beratungen der Koalition am Donnerstagabend zustande kommen wird, ist aber noch offen.

Nach Angaben des Innenministeriums wurden an den deutschen Grenzen zwischen Jänner und Mitte Juni diesen Jahres rund 18.000 bereits registrierte Flüchtlinge festgestellt.

Schulz spricht von "Peanuts"

Der frühere SPD-Chef Martin Schulz hält unterdessen die von der Union angestrebte Schaffung von Transitzentren für Flüchtlinge für übertrieben. Es gehe um "Peanuts-Zahlen von Flüchtlingen in einer Peanuts-Frage, die meiner Meinung nach relativ schnell zu klären ist", sagte er am Mittwoch in Berlin. Schulz sprach von einer "aufgeblasenen Debatte" der Union. "Ich glaube nicht, dass es Transitzentren geben wird", sagte er. "Peanuts" (Erdnüsse) gilt als geflügeltes Wort für kleine Mengen oder Beträge.

Am Donnerstag wird erneut ein Koalitionsausschuss mit den Spitzen von Union und SPD über die Details reden. CSU-Chef und Innenminister Seehofer hatte zunächst mit Rücktritt gedroht, wenn es nicht härtere Regeln an ausgewählten Grenzübergängen in Bayern gibt, schließlich willigte Kanzlerin Merkel in die auch rechtlich umstrittene Transitzentren-Lösung ein.

 

Rote Linie der SPD im Asylstreit: "Keine geschlossenen Lager"

Merkel beschrieb Pläne für Transitzentren

Bundeskanzlerin Merkel hat am Mittwoch erstmals die Pläne der Union für die umstrittenen Transitzentren nahe der Grenze zu Österreich beschrieben. In diesen Zentren sollen Flüchtlinge bis zu 48 Stunden unter polizeilicher Aufsicht festgehalten werden können, sagte Merkel in der ARD-Sendung "Farbe bekennen", die am Mittwochabend ausgestrahlt werden soll.

Zudem soll es eigene Bereiche für Frauen und Kinder geben. Der Aufenthalt in den geplanten Transitzentren sei "sehr beschränkt", sagte Merkel. Denn nach dem Grundgesetz dürfe die Freiheit eines Menschen "nur maximal 48 Stunden" eingeschränkt werden. Innerhalb dieser Zeit "muss dann die Überstellung in das andere Land erfolgt sein", erläuterte die Kanzlerin. "Ansonsten ist diese Prozedur, dieses Verfahren über das Transitzentrum, nicht möglich."

Grundgesetz muss eingehalten werden

"Man muss mit 48 Stunden hinkommen. Das sagt das Grundgesetz", betonte Merkel. "Danach müssten solche Personen, wenn das jetzt nicht gelänge, in eine normale Aufnahmeeinrichtung." Rechtlich sei ein solches Verfahren gedeckt, sagte die Kanzlerin unter Verweis auf das Flughafenverfahren. Die CDU-Chefin erläuterte zudem, dass es "für Frauen und Kinder separate Bereiche" geben solle.

Nach heftigem Streit über Zurückweisungen an der Grenze haben sich die Unionsparteien darauf verständigt, Transitzentren nahe der Grenze zu Österreich einzurichten. In den von Menschenrechtsorganisationen heftig kritisierten Einrichtungen sollen jene Flüchtlinge festgehalten werden, die nach Deutschland wollen, aber bereits in einem anderen Land registriert wurden. Von dort soll dann die Rücküberstellung erfolgen. Hierzu bedarf es aber zunächst auch einer neuen Übereinkunft mit Österreich. Völlig unklar ist, wie ohne Bewachung verhindert werden soll, dass die betreffenden Personen nicht weiterziehen. In der SPD hieß es, die Union argumentiere, die Lager seien ja zumindest nach Österreich hin offen, dorthin könne die Person immer zurückkehren. Die österreichische Bundesregierung steht den deutschen Plänen skeptisch gegenüber.

CSU droht Italien: Abkommen oder Rückweisungen

Für den Fall, dass Italien eine Rücknahme von Flüchtlingen nicht zusagen und förmlich vereinbaren will, hat CSU-Generalsekretär Markus Blume der Regierung in Rom gedroht. "Italien muss wissen: Wenn es kein Abkommen gibt über die Rücknahme von Asylbewerbern, für die Italien zuständig ist, werden wir an der deutsch-österreichischen Grenze zurückweisen", sagte Blume der Süddeutschen Zeitung.

Es sei zwar immer besser, kooperativ als konfrontativ zu arbeiten. "Aber Deutschland darf nicht der Dumme sein, wenn sich die anderen der Kooperation verweigern." An diesem Donnerstag will der CSU-Chef und Innenminister Horst Seehofer zunächst mit Österreichs Regierung über das Thema sprechen.

Die Härte der CSU im Streit mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) über Zurückweisungen von Asylbewerbern begründete Blume mit den Worten: "Es ging um die Frage: Nimmt Deutschland den gleichen Weg, den andere Länder in Europa schon gegangen sind? Fällt das Land in die Hände von Populisten?" Der CSU sei es nicht um den Landtagswahlkampf Mitte Oktober gegangen, sondern "um etwas viel Größeres".

Der CSU-Generalsekretär zeigte sich zuversichtlich, die Stimmung zugunsten der in Umfragen stagnierenden Christsozialen noch zu drehen. Die AfD "wird erfahren, wie schnell ein auf Protest basierender Zuspruch versiegt, wenn ein Problem beseitigt ist". Die CSU könne jetzt sagen: "Wir haben die Asylwende geschafft." Das sei ein Verdienst Seehofers. "Dass er am Ende die Sache in seinem Sinn entscheiden konnte, wird ihm einen Eintrag in den Geschichtsbüchern bringen."
 

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