Heer an Grenze, Flüchtlingsstrom reißt nicht ab

Flüchtlinge überqueren bei Heiligenkreuz die Grenze zu Österreich.
Kanzler Faymann gab Druck aus ÖVP nach: Das Heer wird die Polizei bei verschärften Kontrollen unterstützen. Die Aktion soll primär der Abschreckung dienen. Der Heeresminister zweifelt aber daran.

Jetzt also doch: Österreich folgt dem Beispiel Deutschlands – und intensiviert seine Grenzkontrollen aufgrund des enormen Andrangs von Flüchtlingen. Das verkündeten Kanzler Werner Faymann und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner Montagvormittag im Kanzleramt.

Der Bundeskanzler hat also dem Drängen aus der ÖVP, allen voran von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner nachgegeben. Denn Sonntagabend hatte der SPÖ-Regierungschef noch erklärt, es werde in Österreich weiterhin nur stichprobenartig kontrolliert – obwohl Mikl-Leitner bei einer Krisensitzung der Regierung für eine schärfere Grenzüberwachung und einen Heeres-Einsatz plädiert hatte.

Druck erhöht

Montagfrüh erhöhte die Innenressortchefin den Druck auf die SPÖ. Laut KURIER-Informationen rief sie Kanzleramtsminister Josef Ostermayer (SPÖ) an und teilte diesem mit, dass die Grenzkontrollen verstärkt werden müssten. Mit dieser Forderung werde sie an die Öffentlichkeit gehen. Kurz danach richtete Mikl-Leitner Faymann dann via Medien aus, es müsse was getan werden. Man könne nicht bis zum Kanzler-Besuch in Berlin zuwarten (siehe Seite 6). Danach stieg sie in den Flieger nach Brüssel, wo die EU-Innenminister tagten. Als die ÖVP-Ministerin dort ankam, erfuhr sie, dass der Kanzler in der Zwischenzeit eingelenkt – und einen Assistenzeinsatz des Heeres angekündigt hat.

Bis zu 2200 Soldaten werden in die Bewältigung des Flüchtlingsstroms eingebunden. Binnen 72 Stunden stünden die Leute zur Verfügung, 500 seien rasch einsatzbereit, erklärte Verteidigungsminister Gerald Klug.

Der Kanzler antwortete auf die Frage, warum diese Entscheidung nicht schon am Sonntag gefallen ist, dass die Innenministerin erst Montagfrüh den für einen Assistenzeinsatz nötigen Antrag gestellt habe. Er tat so, als habe es keinerlei Differenzen mit der ÖVP gegeben.

Der Kanzler betonte sogar, er und Mitterlehner hätten die Vorgangsweise gemeinsam beschlossen. Österreich werde sich "weiterhin menschlich zeigen". Und: "Das Asylrecht muss gewährleistet bleiben." Das Heer werde die Polizei "bei der humanitären Hilfe im Inland" unterstützen, aber auch an der Grenze – "wo es erforderlich ist".

Faymann, der am Wochenende die Flüchtlingspolitik des ungarischen Premiers scharf kritisiert hatte, war also bemüht, weiter den Gegenspieler zu mimen.

In der ÖVP vertritt man eher die Position der bayerischen CSU. Es herrscht die Meinung vor, man müsse die Botschaft aussenden, dass nicht alle Flüchtlinge zu uns kommen können.

Parteichef Mitterlehner betonte, dass die Kontrollen im Rahmen von Schengen (siehe unten) möglich seien. Faymann sagte, auch die Dublin-Regelung sei nicht außer Kraft gesetzt.

Was bedeutet all das? Was wird sich konkret ändern?

Wenige Änderungen

Regierungsinsider sagen, die Ankündigung der verschärften Kontrollen sei in erster Linie "eine PR-Aktion, die der Abschreckung dienen soll". Freilich werden nun mehr Soldaten eingesetzt – und die Polizei wird auch mehr Kontrollen durchführen. "Wir werden aber niemanden einsperren", hört man in Polizeikreisen. Flüchtlinge, die um Asyl ansuchen wollen, werden das natürlich weiterhin tun können, ihr Verfahren wird in Österreich abgewickelt werden. Jene, die etwa nach Deutschland weiterreisen wollen, werde man nicht zwingen bzw. nicht zwingen können, hierzubleiben.

Polizei und Heer werden die Flüchtlinge auch nicht an der Einreise aus Ungarn hindern bzw. sie auch nicht dorthin zurückbringen können. Schon seit einigen Tagen gibt es laut Innenministerium "keine Rückführungen" nach Ungarn mehr. Und ein Höchstgerichtsurteil wird wohl dazu führen, dass sich daran nicht so rasch etwas ändern wird (siehe Seite 3).

Zweitrangig ist derzeit aus Sicht der Regierung, wie hoch die zusätzlichen Kosten für Polizei und Heer sind. Klug sagte: "Mit den Kosten sollen wir uns nicht jetzt auseinandersetzen." Der SPÖ-Ressortchef stellt aber öffentlich die Sinnhaftigkeit des Assistenzeinsatzes infrage: "Ich glaube nicht, dass das einen Flüchtling abhält, nach Österreich zu kommen."

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