Swoboda über 1989: "Wien war plötzlich eine wachsende Stadt"

Hannes Swoboda.
Wie Wien auf den Zustrom nach dem Fall des Eisernen Vorhangs reagierte und von der Ost-Öffnung profitierte.

KURIER: Herr Swoboda, Sie waren zur Zeit, als der Eiserne Vorhang fiel, Planungsstadtrat in Wien. Wie haben Sie diese Wendezeit erlebt?

Hannes Swoboda: Als ich 1988 Stadtrat wurde, bedeutete Stadtplanung das Verwalten einer schrumpfenden Stadt. Dann gingen die Grenzen auf, und die Menge an Leuten, die plötzlich als Besucher gekommen sind, hat uns aufgeschreckt. Ich habe sofort eine Studie über Bevölkerungsentwicklung in Auftrag gegeben. Da kam ein Szenario heraus, es hieß das São-Paulo-Szenario, wonach jährlich 7000 bis 8000 Leute zuziehen würden. Das haben wir damals als Horrorszenario betrachtet, rückblickend war es nur ein Fünftel dessen, was tatsächlich an Zuzug stattfinden sollte. Dennoch haben wir damals sofort Flächenwidmungen für den Bau von bis zu 10.000 neuen Wohnungen pro Jahr in die Wege geleitet. Stadtplanung bedeutete plötzlich das Gestalten einer wachsenden Stadt.

Wien war in den 1980ern grau und rückständig. Vieles war verboten, es herrschte Hausmeisterzucht. Hat die Ostöffnung zur Modernisierung der Stadt beigetragen?

Insofern ja, als Wien plötzlich im Wettbewerb stand. Wien fürchtete um das Privileg, die einzige Metropole in Mitteleuropa zu sein. Plötzlich gab es Konkurrenz durch Budapest und andere Städte. Aber zur Modernisierung Wiens hat schon auch Helmut Zilk beigetragen. Er war ein Bürgermeister mit sehr vielen neuen Ideen.

Die Wiener haben unsere Nachbarn, die plötzlich reisen und zu uns kommen durften, nicht nur wohlwollend empfangen. Haben Sie das Gefühl, dass 30 Jahre später diese Aversionen gegen die Nachbarn zurückgingen?

Ich habe damals auch darüber eine Studie in Auftrag gegeben. Das Resultat war, dass in der Beliebtheit der Österreicher die Deutschen, Italiener und Ungarn ganz oben waren, die anderen Nachbarn eher in den unteren Rängen zu finden waren. Damals gab’s die berühmten Polenwitze. Ich glaube, dass die Akzeptanz gegenüber allen Nachbarn gestiegen ist, in den unteren Beliebtheitsrängen finden sich heute Zuwanderer aus ferneren Regionen.

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