Gutachten: Regierungspläne zu Umweltverfahren europarechtswidrig

Köstinger: Der "Systemwechsel" ist gelungen
Betroffene Umweltorganisationen fordern sofortige Rücknahme der umstrittenen Gesetzesnovelle.

Einen "Frontalangriff auf den Umweltschutz" und einen völlig inakzeptablen "Schritt in Richtung Orbanisierung" nannten Umweltorganisationen die von der Bundesregierung vorgesehenen Auflagen für Umweltverfahren Anfang Oktober.

Nun erhalten sie Schützenhilfe von einem renommierten Verfassungsjuristen. Daniel Ennöckl von der Universität Wien erstellte im Auftrag des Umweltdachverbands Ökobüro ein Gutachten und kommt zu dem Schluss, dass die von Türkis-Blau per Abänderungsantrag zum UVP-Gesetz eingebrachten Verschärfungen europarechtswidrig sind.

Die Regierung will künftig nur mehr NGOs mit mehr als hundert Mitgliedern als Parteien in Umweltverfahren zulassen. Diese Zahl müssen sie nachweisen, in dem sie Listen mit Namen und Adressen ihrer Mitglieder an das Umweltministerium von Elisabeth Köstinger (ÖVP) übermitteln.

Genau das verstößt laut Ennöckls Gutachten, das dem KURIER vorliegt, sowohl gegen das heimische Datenschutzgesetz als auch gegen die europäische Datenschutzgrundverordnung. Letztere untersagt etwa explizit die Verarbeitung personenbezogener Daten, aus denen "politische Meinungen" hervorgehen - wozu auch die Mitgliedschaft in einer Umwelt-NGO zählt.

Verstoß gegen UVP-Richtlinie

In einem zweiten, selbst erstellten, Gutachten argumentiert das Ökobüro weiters, dass auch der Ausschluss von NGOs mit weniger als hundert Mitgliedern gegen Europa- und Völkerrecht verstoßen würde. „Der Europäische Gerichtshof hat schon 2009 in einem schwedischen Verfahren eine Mindest-Mitgliederzahl von Umweltschutzorganisationen ausgeschlossen, wenn diese den Zielen der europäischen UVP-Richtlinie zuwiderläuft“ erklärt Ökobüro-Umweltjurist Gregor Schamschula. „Doch genau das würde mit so einer Beschränkung geschehen, denn die Richtlinie sieht für Umweltschutzorganisationen einen weiten Zugang zu den Gerichten vor.“

Dementsprechend fordern die drei großen Umweltorganisationen WWF, Greenpeace und Global 2000 erneut die Rücknahme der kritisierten Regelungen. WWF-Geschäftsführerin Andrea Johanides spricht etwa von einem "Datenschutz-Fiasko der Sonderklasse", ihr Global 2000-Pendant Leonore Gewessler von einem "klaren Einschüchterungsversuch gegen engagierte Bürger". Und Greenpeace-Geschäftsführer Alexander Egit kündigt an, sich gegen eine "solche Bespitzelung unserer Mitglieder" mit allen rechtlichen Mitteln zur Wehr zu setzen. “Solche Praktiken kennen wir aus Ländern wie Ungarn und Russland: Dort werden schwarze Listen mit Namen und Anschrift von engagierten Bürgerinnen und Bürger angelegt und diese damit eingeschüchtert", empört sich Egit.

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