Grüne sehen sich als Opfer von Leihstimmen für Häupl
Das Rennen um Platz eins sei längst gelaufen. Michael Häupl werde auch nach der Wahl Bürgermeister bleiben. Wer aber weiterhin Rot-Grün wolle, müsse den Grünen die Stimme geben.
Mit dieser Botschaft hatte die Grüne Spitzenkandidatin Maria Vassilakou im Endspurt noch versucht, Stimmen zu lukrieren – mit wenig Erfolg. Am Sonntag resümierte die Frontfrau nüchtern, viele Grünwähler seien leider "dem Schein-Duell auf den Leim gegangen". Auch Bundesparteichefin Eva Glawischnig meint, dass viele Grüne ihre Stimme diesmal Häupl "geliehen" hätten, um Strache zu verhindern. Daher hält sie das Ergebnis für "sehr respektabel".
Diffizile Ausgangslage
Die Öko-Partei hatte es wegen des im Fokus stehenden Wettstreits zwischen SPÖ und FPÖ wie auch die übrigen Klein-Parteien tatsächlich schwer, durchzukommen. Häupl hatte mit seinem "Es-geht-um-jede-Stimme"-Slogan und seiner humanen Flüchtlingspolitik auch grün-affine Bürger angesprochen, die auf keinen Fall eine blauregierte Stadt wollten.
Im Unterschied zu ÖVP und Neos mussten sich die Grünen auch mit Kritik an der SPÖ zurückhalten – Vassilakou & Co. hatten ja verkündet, mit Häupl weiterregieren zu wollen. An große Zugewinne war daher nicht zu denken, auch wenn im Spätsommer noch 14 bis 15 Prozent als Wahlziel genannt worden waren. Am Ende ging es nur darum, das Ergebnis aus 2010 (12,6 Prozent) zu halten bzw. nicht zu viel zu verlieren.
Sonntagabend hieß es, im grünen Klub im Rathaus, man müsse noch das Endergebnis abwarten, das wegen der Briefwahlstimmen erst Montagabend vorliegen wird. Laut vorläufigem Endergebnis haben die Grünen 11,6 Prozent erreicht (minus einen Prozentpunkt). Vassilakou hoffte, die elf Mandate mit den Briefwahlstimmen doch noch halten zu können.
Die gebürtige Athenerin, die zum dritten Mal als Frontfrau für ihre Partei in Wien angetreten ist, hatte im Wahlkampf angekündigt, ihren Sessel räumen zu wollen, falls sie verliert. Allgemeiner Tenor in der Partei war aber schon am Sonntag: "Vassilakou wird bleiben, selbst wenn am Ende ein kleines Minus herauskommt". Sie will ja Rot-Grün fortsetzen. Das gab auch Glawischnig als "erklärtes Ziel" aus.
Ex-Parteichef Alexander Van der Bellen (Bild) stellte zwar ernüchtert fest, dass fast ein Drittel der Wiener "lieber hinter einem Stacheldrahtzaun, als in einer weltoffenen Stadt lebt". Zufrieden registrierte aber auch er, dass sich Rot-Grün weiterhin ausgeht.
Diese Koalition hält auch der Politologe Peter Filzmaier für "mit Abstand am Wahrscheinlichsten".
Schmerzhaft ist das Ergebnis für die Grünen dennoch – angesichts der aus ihrer Perspektive beachtlichen Erfolge in den vergangenen Jahren: Das 365-Euro-Jahresticket war ein Prestige-Projekt, die Ausweitung des Parkpickerls und die verkehrsberuhigte Mariahilfer Straße tragen ebenfalls einen grünen Stempel.
Und in den Wahlkampf waren Vassilakou & ihre Mitstreiter mit der Forderung nach einer Kindergartenplatz-Garantie ab dem zweiten Lebensjahr und der Ausweitung der Öffis gezogen. Auch "Miethaien" wollten sie den Kampf ansagen. All das finden Anhänger der Ökos wohl positiv, hat aber im vom Flüchtlingsthema dominierten Wahlkampf keine Rolle gespielt.
Größeres Potenzial
Das Potenzial der Partei ist in der Bundeshauptstadt groß: Bei der Wien-Wahl 2005 hatten die Grünen 14,6 Prozent erreicht. 16,4 Prozent waren es bei der Nationalratswahl 2013 und 20,9 Prozent bei der EU-Wahl 2014. Doch ein solches Ergebnis war am Sonntag völlig außer Reichweite.
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