Gleichbehandlung in Österreich: #MeToo und seine Folgen
Alle zwei Jahre muss der Bund den Gleichbehandlungsbericht zum Stand der Gleichberechtigung der Geschlechter in Österreich vorlegen. Der Bericht für die Jahre 2016 und 2017 wurde am heutigen Dienstag, also etwa ein Jahr nach dem Start der #MeToo-Kampagne im Oktober 2017, im Gleichbehandlungsausschuss des Parlaments vorgestellt.
Das Papier liegt auch dem KURIER vor - und weist einige interessante Ergebnisse auf.
So berichtet die Gleichbehandlungsanwaltschaft - die unabhängige zentrale Anlaufstelle für Informationen und Beschwerden zum Thema Diskriminierung - von einem spürbaren Anstieg der Anfragen, speziell der Anfragen zu sexueller Belästigung, ab Oktober 2017.
"Betroffene von sexueller Belästigung berichteten, dass sie sich durch die Kampagne bestärkt darin fühlten, Belästigungen zu melden", heißt es in dem Bericht. Auch Jahre zurückliegende Vorfälle wurden gemeldet, "da erst jetzt die Möglichkeit der Aufarbeitung gesehen wurde".
Wunsch nach mehr Information
Doch nicht nur die Zahl der Beschwerden stieg durch #MeToo an, auch die Kontaktaufnahmen von Arbeitgebern wie Arbeitnehmern, um sich über mögliche präventive Maßnahmen gegen Belästigung und Diskriminierung zu informieren, nahmen zu.
Die Geschlechteraufteilung überrascht dabei nicht: 96,4 Prozent derjenigen, die wegen erfahrener sexueller Belästigung die Gleichbehandlungsanwaltschaft kontaktierten, waren Frauen - und 94,4 Prozent der (mutmaßlichen) Belästiger Männer.
Und auch, wenn die Kontaktaufnahmen zu Information und Prävention miteinberechnet werden, waren es noch immer zu drei Viertel Frauen, die sich an die Anwaltschaft wandten.
Männerdomänen als besonderes Problem
Besonders problematisch sind dabei laut Bericht männlich dominierte Branchen. In diesen gebe es "kein oder kaum Bewusstsein über Diskriminierungen", was es Frauen zusätzlich erschwere, in diesen Branchen Fuß zu fassen und damit die "geschlechtsspezifische Segregation des Arbeitsmarktes" fortschreibe.
Mit anderen Worten: Solange Diskriminierung in klassisch männlichen Berufen nicht zum Thema gemacht wird, werden sämtliche Initiativen, mehr Frauen in technische Berufe zu bringen, scheitern.
Die #MeToo-Debatte schlug sich jedoch nicht nur in Beschwerden und Beratungen, sondern auch in einem starken Anstieg der Medienanfragen nieder. Obwohl die Kampagne erst im letzten Quartal das Jahres 2017 gestartet war, führte sie zu einer Verdopplung der Medienanfragen im Vergleich zum Jahr 2016 (von 58 auf 117).
Ressourcenmangel
Für die Gleichbehandlungsanwaltschaft durchaus ein Problem: Aufgrund "nicht vorhandener personeller Ressourcen" sei Medienarbeit derzeit nur reaktiv möglich - und selbst das belaste die eigentliche Tätigkeit der Mitarbeiter, nämlich die Beratung und Unterstützung in Diskriminierungsfällen.
Verstärkte Ressourcen für die Öffentlichkeitsarbeit sind aber nicht das einzige auf dem Wunschzettel der Anwaltschaft. Weil seit Juli 2017 nicht mehr nur in der Zentrale, sondern auch in allen Regionalbüros Beratung und Unterstützung angeboten werden - was grundsätzlich begrüßt wird - wäre auch in der Koordination mehr Personal nötig.
Ein weiterer Wunsch: Die Möglichkeit, Betroffene auch vor Gericht begleiten zu dürfen. Eine Möglichkeit, die wie die ausreichende personelle Ausstattung auch von der Europäischen Kommission empfohlen wird.
Und zu guter Letzt wünscht sich die Anti-Diskriminierungsstelle, wie übrigens schon seit Jahren, das sogenannte "levelling up" - also den Schutz vor Diskriminierung auch außerhalb des Arbeitsplatzes.
Momentan darf zum Beispiel einem homosexuellen Paar, aber auch einem älteren Mann oder einer Drittstaatsangehörigen die Vermietung einer Wohnung versagt worden, nur weil sie ein homosexuelles Paar, ein älterer Mann oder eine Drittstaatangehörige sind. Versuche, diesen Schutz vor Diskriminierung auch beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen festzuschreiben, sind bisher noch jedes Mal gescheitert.
Kontakt zur Gleichbehandlungsanwaltschaft
Wer sich informieren oder beschweren möchte, erreicht die Gleichbehandlungsanwaltschaft:
- online unter gleichbehandlungsanwaltschaft.gv.at
- telefonisch unter der kostenlosen Hotline 0800 206 119 (Mo-Do 9-15 Uhr, Fr 9-12 Uhr)
- oder per Gleichbehandlungs-App für Android und iPhone
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