Gewinner und Verlierer: Der Zwölfstundentag im Faktencheck

Gewinner und Verlierer: Der Zwölfstundentag im Faktencheck
Der KURIER beantwortet die wichtigsten Fragen zum Thema Arbeitszeitflexibilisierung.

Wer verliert?

Arbeitgeber können einen Zwölfstundentag künftig viel leichter als bisher anordnen.
Menschen mit speziellen privaten Interessen (z.B. Familie, Vereinsleben, Sport etc.) oder besonderen Betreuungspflichten (pflegebedürftige Angehörige, Kinder) wollen oder können in der Regel nicht länger arbeiten, auch wenn die Überstunden fair abgegolten werden – in Zeit oder Geld. Wird ihnen die Mehrarbeit aber angeschafft, können sie sich kaum wehren.

Das „Ablehnungsrecht“ hat nichts mit Freiwilligkeit zu tun.
Die Regierung sagt, es bleibe prinzipiell beim Achtstundentag. Es werde ja nur die mögliche Höchstgrenze der täglichen Arbeitszeit von zehn auf zwölf Stunden erhöht. Und wer die 11. und 12. Stunde nicht leisten wolle, könne das ablehnen. Stimmt so nicht, sagen ÖGB und AK. Die verordneten Überstunden könne man nur aus „überwiegenden persönlichen Interessen“ ablehnen. Geschieht das, könne der Chef Arbeitsverweigerung unterstellen und den Mitarbeiter entlassen. Letztlich müsste dann ein Arbeitsgericht klären, ob das private oder betriebliche Interessen gewichtiger war. Der Job ist so oder so weg.

Beschäftigte mit Gleitzeit dürften wirklich Geld verlieren.
Bei Gleitzeit kommt eine spezielle Regelung: Dort beträgt die Obergrenze der Normalarbeitszeit künftig zwölf Stunden täglich (statt bisher zehn). Es können daher – ohne jegliche Überstundenzuschläge – zwölf Stunden täglich gearbeitet werden, die Plusstunden werden im Rahmen des Gleitzeitmodells 1:1 ausgeglichen. Dort wo Freiwilligkeit herrscht, ist das kein wirkliches Problem. In der Praxis ist die Freiwilligkeit aber wieder zu hinterfragen.

Schlechter gestellt dürften auch Beschäftigte mit All-Inclusive-Verträgen werden.
Ähnliches gilt bei All-In-Verträgen, die bereits 25 Prozent aller Beschäftigten haben. Weil ihre allfällige Mehrarbeit ohnehin von vornherein pauschal entlohnt wird, um sich die Einzelabrechnungen zu ersparen, gilt hier: Die Beschäftigten dürften in Zukunft tatsächlich für das selbe Geld mehr arbeiten. Außer es gelingt mit der Geschäftsführung eine Lohnerhöhung oder eine Erhöhung der Überstundenpauschale zu verhandeln.

Europagespräch

Wer profitiert von den türkis-blauen Plänen? 

Wer profitiert? 

Am lautesten jubeln derzeit Vertreter der Tourismusbranche. Was die Betriebe freut, ist jedoch für  die Beschäftigten mitunter eine neue Belastung. 
Derzeit kann in der Gastronomie und Hotellerie (vor allem in Saisonbetrieben) bei Vollzeitbeschäftigten die tägliche Ruhezeit von elf auf acht Stunden verkürzt werden. geregelt wird das im Kollektivvertrag. In Zukunft ist das auch bei „geteilten“ Diensten (=mindestens drei Stunden Mittagsunterbrechung) in jedem Betrieb erlaubt (egal ob Saison- oder Ganzjahresbetrieb). Und auch für Teilzeitbeschäftigte und nur noch per Betriebs- oder Einzelvereinbarung. Die Branche zeigt sich erfreut über die neue Flexibilität. 

Vorteile dürfte die Arbeitszeitflexibilisierung auch für die Arbeitgeber im  Handel bringen.  
Eine wesentliche Neuerung sind die demnächst lockeren Regeln für die Wochenendruhe. Bisher war das recht streng und mit längeren Vorlaufzeiten verbunden, künftig soll jeder Arbeitnehmer an vier Wochenenden pro Jahr arbeiten können. Künftig kann bei Stoßzeiten kurzfristiger reagiert werden, sagt der Handel. Der besondere Arbeitsbedarf muss vom Arbeitgeber auch nicht mehr begründet werden. Es gilt die Betriebs- oder Einzelvereinbarung. Ausgenommen sind zwar Verkaufstätigkeiten, aber der Handel  kann trotzdem von mehr Flexibilität beim Mitarbeitereinsatz im Verwaltungsbereich oder bei Lagertätigkeiten profitieren.

Auch die Industrie begrüßt die Arbeitszeitflexibilisierung. beispielsweise werden neue Schichtmodelle möglich. 
Die Industrie fordert die Flexibilisierung  schon lange.  So soll es wesentlich leichter werden, Auftragsspitzen abdecken zu können und dann die Freizeit zu genießen, wenn im Betrieb ohnehin Flaute herrscht. Dass die Gewerkschaft gerne das völlige Selbstbestimmungsrecht der Beschäftigten über ihren Urlaub verwirklicht gesehen hätte, steht auf einem anderen Blatt.

Pendler und Familien sollen von der 4-Tage-Woche profitieren. 
Länger zusammenhängende Freizeitblöcke sollen eine Viertagewoche ermöglichen, sagt die Regierung. Doch eigentlich ist es heute schon möglich, die 40 Stunden Normalarbeitszeit auf vier Zehn-Stunden-Tage zu verteilen, auch wenn das erst selten gemacht wird.

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