Nebenschauplatz inwiefern?
Ich kam zu einer Frau mit einer Gipshand – zunächst nichts Ungewöhnliches. Im Laufe der Betreuung stellte sich heraus, dass der verstorbene Mann seiner Frau die Hand gebrochen hat, dass ihr Gewalt angetan wurde und das nicht das erste Mal. Bei einem anderen Einsatz ging es ebenfalls um physische Gewalt, die mit psychischer Gewalt und verbalen Beschimpfungen begann. Nach diesen beiden Einsätzen war mir klar: Wir müssen lauter werden!
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Was konkret kann die Politik, können Sie tun abseits der Beratungsstellen, die es schon gibt?
Zu mehr Zivilcourage ermutigen: Hin- statt wegschauen. Wer wegschaut, der lässt zu, dass Gewalt gegen Frauen weiter ein dunkler Fleck in unserer Gesellschaft bleibt. Ich habe mich mit Maria Rösslhumer von den Autonomen Frauenhäusern getroffen. Wir sind uns einig, dass jede größere Stadt Projekte braucht, wie "StoP - Stadtteile ohne Partnergewalt“.
Wie funktioniert StoP?
Es geht um die Sensibilisierung von Nachbarn. Zum Beispiel - wenn man hört, dass es in der Wohnung nebenan immer wieder lauter wird – anzuläuten und paradox zu intervenieren – etwa um einen Liter Milch fragen , um die akute Handlung zu beenden. Wichtig ist dann aber, dranzubleiben. Wenn man der Frau wieder im Gang oder anderswo begegnet, sich nach dem Befinden zu erkundigen, Hilfsangebote zu vermitteln.
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Gibt es denn nicht genug Beratungsstellen im Vergleich zu früheren Jahren?
Es scheitert oft nur daran, dass Frauen in Notsituationen einfach nicht wissen, an wen sie sich wenden können. Je kleiner strukturiert, je ländlicher, desto schwieriger ist es für die Frauen. Wir dürfen bei all dem aber die Männer nicht außer Acht lassen.
Frauen stärken heißt auch an Männer zu appellieren, dass sie sich ihren Schwächen stellen und Beratung in Anspruch nehmen. Etwa Krisenhotlines, die präventive Unterstützung, Deeskalationsprogramme und Aggressionsbewältigungsstrategien anbieten.
Das setzt bei den Betroffenen einen hohen Grad an Selbstreflexion voraus…
… ja, aber es gibt immer mehr Männer, die sich diesem Problem stellen und die Angebote von den Hotlines über die Vermittlung von Psychotherapie bis hin zum Anti-Gewalt-Training annehmen. Es gibt viele Angebote für Männer und Frauen, für alte und junge Menschen. Ein Vorzeigeprojekt ist auch "Wrestling goes school – Ringen statt Raufen“, bei dem schon Kindern beigebracht wird, dass man sich sportlich abreagieren kann, statt die Hand zu erheben.
Was tun gegen physische Gewalt, gegen Beleidigungen auch auf Social Media?
Da kann ich Ihnen ein Beispiel erzählen, bei dem es mich selbst eiskalt erwischt hat. Ich hätte mir in meinen kühnsten Alpträumen nicht vorstellen können, welcher verbaler sexualisierter Gewalt ich als Gesundheitssprecherin während der Pandemie ausgesetzt sein würde. Ob auf Facebook oder per Mail: Die Trolle haben sich bei mir ein Stelldichein gegeben. Erst habe ich mir nichts dabei gedacht, bis ich durch Zufall mit einem Experten vom Innenministerium zusammengetroffen bin.
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Der Ihnen gesagt hat, dass diese Beleidigungen eine Grenze überschreiten?
Schlimmer noch – und das hat mich stutzig gemacht – er hat mich gefragt, wie lange ich vom Auto zur Haustüre brauche und wie häufig ich diese Nachrichten bekomme. Dann habe ich begonnen, Schreiber anzuzeigen. Im November 2022 ist tatsächlich einer zu zwei Jahren bedingt verurteilt worden . Ich kann nur sagen: Wehrt Euch! Es gibt Möglichkeiten. Auch Gewalt im Netz darf man nicht durchgehen lassen. Je mehr dieses Verhalten geahndet und geächtet wird, desto besser ist es.
Gibt es nach Ihrem Dafürhalten Unterschiede, was die Sensibilisierung der einzelnen Generationen betrifft?
Ich habe mich schon während meiner jahrzehntelangen Tätigkeit im ORF dafür eingesetzt, z.B. als Mentorin für junge Kolleginnen. Die Aufgabe, Frauen und ihr Selbstbewusstsein zu stärken, ist eine permanente und unabhängig vom Alter. Was ich oder wir der nächsten Generation weitergeben können: "Seid laut, verschafft Euch Gehör!“
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