1.200 Covid-Patienten im Spital: Statt Maßnahmen will Rauch mehr Forschung
"Ich kann die Sehnsucht von allen verstehen, die die Nase voll haben von Covid", betont der grüne Gesundheitsminister Johannes Rauch im Jahresabschluss-Interview mit der APA. "Ich habe immer gesagt, die Pandemie wird verschwinden oder sich verändern oder weniger werden - aber das Virus wird bleiben. Also es wird einfach jede Saison da sein, so wie die Grippe auch." Und es mache natürlich in gewissen Situationen Sinn, etwa eine Maske zu tragen.
Einschränkungen von Freiheitsrechten wie in der Vergangenheit seien jedoch nur gerechtfertigt, wenn eine Überlastung des Gesundheitssystems droht. Man habe gute Instrumente - etwa das Abwasser-Monitoring und das SARI-Dashboard: "Wir wissen, was sich in den Spitälern abspielt." Österreich sei weit von einer Überlastung des Gesundheitssystems entfernt - mit laut Rauch aktuell rund 1.200 COVID-19-Patientinnen und -Patienten in den Spitälern, auch jetzt in der bisher mit Abstand größten Welle an Ansteckungen.
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"Man kann nicht sagen, es existiert kein Long Covid"
Bezüglich der möglichen Langzeitfolgen einer Covid-Infektion verwies der Minister auf die gesetzten Maßnahmen und erwartet weitere Forschungsergebnisse. Rauch spricht etwa vom geplante Referenzzentrum für postvirale Erkrankungen (wie etwa Long/Post Covid oder ME/CFS): "Was die Langzeitwirkung angeht, da ist die Forschung einfach offen."
"Faktum ist, das sei schon auch gesagt: Man kann einfach nicht sagen, es existiert kein Long Covid oder ME/CFS ist eine Erkrankung, die quasi nur eine psychosomatische ist", sprach der Minister auch die in Teilen der Wissenschaft noch schwelende Diskussion um eine somatische Ursache der Erkrankung an.
Befürchtungen, dass der niedergelassene Bereich mit der Behandlung von Long Covid- bzw. Post Covid- oder ME/CFS-Patienten überfordert sein könnte, wies Rauch zurück. Er betont, die Information der Ärztinnen und Ärzte finde "sehr niederschwellig statt". Und es gebe auch "Fort- und Weiterbildung" auf Kongressen - Vorwürfe, dass nichts passiere, seien daher unzutreffend.
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"Bewusstseinsbildung" statt Impf-Kampagne
Um der geringen Impffreudigkeit der Österreicher - vor allem bei Covid, aber etwa auch Influenza - entgegenzuwirken, will Rauch vor allem auf "Bewusstseinsbildung" setzen. Eine Notwendigkeit für eine größere Impfkampagne wie sie es in der Anfangsphase der Corona-Pandemie gegeben hatte, sieht Rauch nicht. Auch sieht er einen hohen Informationsstand der Bevölkerung - fast drei Jahre nach den ersten Corona-Impfungen. Man habe vielmehr auf Länderebene "sehr gezielt" Alten- und Pflegeheime aufgefordert, dafür zu sorgen, dass die Bewohner aufgefrischt werden. Rauch setzt dabei auch stark auf die Hausärzte.
Dass die Überführung des Impfprogramms - auch bei Influenza - in den niedergelassenen Bereich nicht ganz so wie erhofft funktioniert hat, räumt Rauch aber ein. Daher habe er mit den Gesundheitslandesräten in der jüngsten Sitzung der Bundeszielsteuerungskommission vereinbart, im Jänner die Lehren zu ziehen und für die kommende Impfsaison besser vorbereitet zu sein. Beim Influenza-Impfstoff waren ja beispielsweise die Kontingente für die Gratis-Impfungen teils rasch vergriffen.
Gleichzeitig rief der Minister neuerlich dazu auf, die Impfangebote wahrzunehmen: "Impfen schützt und die Impfung wirkt" - sei es die Corona-, Influenza oder HPV-impfung, "die wir jetzt gratis gemacht haben bis 21 Jahre". Dies müsse anderslautenden Verschwörungstheorien entgegengehalten werden.
Zufrieden ist Rauch auch mit der im Dezember im Nationalrat beschlossenen Gesundheitsreform. Volle Wirkung entfalten werde die Reform in ein bis drei Jahren, "wenn tatsächlich im niedergelassenen Bereich der Ausbau stattgefunden und dann die Entlastung der Spitäler stattgefunden hat". Die "gute Nachricht" laute: "Wir haben jetzt schon deutlich über 50 Primärversorgungseinrichtungen eröffnet, fünf davon sind Kinder-PVEs. 30 haben wir in der Pipeline."
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Rauch warnt vor Rechtsruck
Einmal mehr bezeichnete Rauch die im Juni stattfindenden EU-Wahlen als "die wichtigsten Wahlen meines politischen Lebens". Rechte Parteien wie die FPÖ würden "eine komplette Illusion" erzählen, nämlich, dass man "nur eine Festung bauen" müsse, und die Probleme seien gelöst. "Das Gegenteil ist der Fall." In der Konkurrenz zu den großen Blöcken China, den USA, den BRICS-Staaten werde man es in Europa nur schaffen, "wenn wir als Union, als Europäische Union wirkmächtig sind und in der Lage sind, gemeinschaftlich zu agieren".
Ähnlich sieht der Minister die Situation mit Blick auf die Nationalratswahl im Herbst, für die die FPÖ laut derzeitigen Umfragen mit einem klaren Wahlsieg rechnen kann. Es werde gelingen müssen, "die demokratischen Kräfte in Österreich zu konzentrieren und zu bündeln", meinte Rauch. ÖVP und SPÖ werden "koalitionsfähig" sein müssen - "es sei dann, man nimmt tatsächlich einen Bundeskanzler (Herbert, Anm.) Kickl in Kauf - und in Kauf, auch umzusetzen, was der angekündigt hat." Es werde aller Voraussicht nach "wohl eine Dreierkonstellation" sein müssen, "die in der Lage ist, diesem destruktiven Zugang der FPÖ etwas Konstruktives entgegenzusetzen", setzt Rauch auf eine Beteiligung seiner Partei, der Grünen.
Seine eigene Rolle dabei "wird keine ausschlaggebende sein, weil ich nicht mehr kandidieren werde", betonte Rauch neuerlich.
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