Generalstabschef: „Assistenzeinsatz in EU wie bei uns“

Generalstabschef Robert Brieger will „Österreichs Erfolgsmodell“ für Außengrenzschutz anbieten und mehr Geld

Seit Ende Juli ist General Robert Brieger Generalstabschef des Österreichischen Bundesheeres. Der KURIER sprach mit ihm über seine Pläne und sicherheitspolitischen Einschätzungen.

Beim kommenden EU-Verteidigungsministertreffen wird es – wie man hört –  auch um die steigende Einflussnahme Saudi-Arabiens und der Türkei auf den Balkan gehen. Wie beurteilen Sie als erfahrener Kommandant im Kosovo und in Bosnien die Lage dort?

Ich bin in erster Linie für die Sicherheit Österreichs zuständig und ich begrüße es, dass Österreich und die Internationale Gemeinschaft am Westbalkan Militärmissionen unterhalten mit der Zielsetzung, in diesen Regionen Europas Frieden und eine prosperierende Entwicklung zu gewährleisten. Es ist richtig, dass in diesen Regionen Einflussnahmen auch abseits Europas stattfinden. Es wird darum gehen, neben der militärischen Sicherheit auch die Voraussetzungen für eine vernünftige, rechtsstaatliche, politische Entwicklung und letztlich auch für eine funktionierende Ökonomie zu gewährleisten. Dann wird es auch die Chance geben, diesen Einflussnahmen entgegenzutreten.

Inwiefern ist die europäische Sicherheit durch diese Einflussnahme gefährdet?

Der Westbalkan ist nach wie vor, wenn auch in wesentlich eingeschränktem Umfang, eine Migrationsroute. Deswegen gibt es ja auch nationale Maßnahmen - unter anderem in Österreich - zum Grenzschutz. Die Lage – militärisch gesehen – ist ruhig, dessen ungeachtet existieren in dieser Region Probleme und Herausforderungen wie hohe Arbeitslosigkeit, Korruption, teilweise an Mangel an Rechtsstaatlichkeit. Es müssen erst Strukturen aufgebaut werden und die wesentlichste Herausforderung – insbesondere in Bosnien – sehe ich in der Überwindung der ethnischen Zerwürfnisse, die kriegsbedingt und geschichtsbedingt entstanden sind und die jetzt - das ist ein Generationenprojekt - langsam abgebaut werden müssen.

Auf die europäische Sicherheitslage eingehend: Wie lange wird es Ihrer Meinung nach dauern, bis eine gemeinsame EU-Armee möglich ist?

Es ist eine politische Entscheidung, eine solche europäische Streitkraft zu formieren. Sie können ermessen, dass das einen langen Zeitraum in Anspruch nehmen wird. Wir haben jetzt als Nukleus einer europäischen Reaktionsfähigkeit die Battlegroup. Eine europäische Armee sehe ich auch vom Status der Union gesehen als sehr langfristiges Projekt ohne unmittelbare Realisierungsmöglichkeiten. Ich sehe Streitkräfte im Wesentlichen als ein militärisches Instrument souveräner Staaten, die Europäische Union ist eben kein souveräner Staat so wie die Vereinigten Staaten von Amerika, sondern eine Union souveräner Mitgliedsstaaten und aus dieser Sichtweise glaube ich, dass es bis zu einer europäischen Armee eines sehr, sehr langen Weges bedarf.

Bleiben wir bei der EU: Verteidigungsminister Kunasek möchte Soldaten zur Unterstützung von Frontex an die EU-Außengrenzen schicken, quasi einen EU-Sicherheitspolizeilichen Assistenzeinsatz. Wie stehen Sie zu diesem Vorschlag?

Es ist naheliegend, dass ein österreichisches Erfolgsmodell auf die Europäische Union transponiert werden kann. Der Bundesminister wird die Gelegenheit wahrnehmen – unter anderem auch beim bevorstehenden informellen Verteidigungsministertreffen – dieses österreichische Modell den anderen Mitgliedsstaaten vorzustellen. Es geht darum, die anderen, noch im Aufbau befindlichen, kräftemäßig noch nicht ausreichenden Strukturen wie etwa Frontex militärisch zu verstärken. Nicht im Wege eines eigenen militärischen Einsatzes, sondern als Assistenz, genauso wie wir das an der Grenze im Inland machen. Das ist aus österreichischer Sicht als Außengrenzschutzmodell denkbar.

Ausgehend davon, dass das jeweilige Land den Antrag stellt – beispielsweise Spanien – dass dann überhaupt österreichische Soldaten in diesen Einsatz dürfen.

Der entsprechende Rechtsrahmen wäre zu schaffen, es geht darum, zunächst ein Konzept vorzustellen, zu diskutieren und dann die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen.

Derzeit finden große Bewegungen aus der Sahelzone statt. Vor allem Frankreich ist damit beschäftigt, in der Sahelzone eine Anti-Terror-Truppe (G5) zu formen. Werden durch solche Einsätze Fluchtursachen bekämpft?

Zweifellos ist Zentralafrika eine Region aus der ein hoher Anteil von Migration nach Europa fließt und ich darf darauf hinweisen, dass wir mit unserem Kontingent in Mali einen entsprechenden Beitrag zur Gewährleistung der Sicherheit leisten. Es ist aus meiner Sicht legitim und vernünftig, wenn die Europäische Union einen Fokus auf den afrikanischen Raum legt. Da gibt es mehrere Komponenten, das ist die Schaffung sicherer Lebensgrundlagen vor Ort, um die Migration erst gar nicht entstehen zu lassen. Davon sind wir derzeit weit entfernt, wie wir wissen. Dazu bedarf es auch anderer Maßnahmen. Insgesamt ist es absolut vernünftig und auch aus militärischer Sicht wichtig, diesem Raum großes Augenmerk zu widmen. Was österreichische Einsätze betrifft darf ich darauf hinweisen, dass wir mit an die Tausend Soldatinnen und Soldaten im Ausland – so wie es auch der Herr Bundespräsident treffend formuliert hat – unsere Leistungsgrenze erreicht haben. Das heißt, dass wir unsere derzeitigen Einsätze nähren und beurteilen, wo die Schwergewichte zu setzen sind.

Aber grundsätzlich würden Sie einer Aufstockung in Mali zustimmen?

Wir haben eine geringfügige Aufstockung in Mali in Planung, es wird auch die Gelegenheit geben, dort hochwertige Führungspositionen durch österreichische Offiziere zu besetzen, so wie zunächst den Stabschef. Wir reagieren auf die Situation im Rahmen unsere Ressourcen und Möglichkeiten.

Vergangenen Mittwoch hat der Ministerrat ein „Katastrophenschutzpaket“ für das Bundesheer beschlossen – neben neuen Hubschraubern sollen auch neue Fahrzeuge angeschafft werden. Für einige Berufssoldaten ist das aber ein Tropfen auf dem heißen Stein. Wie wäre es zu bewerkstelligen, die Beweglichkeit der Truppe in ausreichendem Maße wiederherzustellen?

Zunächst freue ich mich, dass der Herr Bundesminister diese Investition sicherstellen konnte, weil diese für das Bundesheer absolut wichtig und notwendig ist. Dass hier weitere Herausforderungen bestehen bleiben und eine erhebliche Anzahl von Fahrzeugen und Ausrüstungsgegenständen erneuert werden muss, ist mir bewusst. Ich werde weiter darauf hinweisen, dass es neben diesen genannten Investitionen viele andere Notwendigkeiten gibt. Aufgrund des Umstandes, dass wir in den letzten Jahren sehr sparsam mit Budgets auszuhalten hatten und es nun gilt, einen Turnaround herbeizuführen.

Es wird ja auch ein Nachfolger für den Steyr-Puch-Pinzgauer gesucht – welches Fahrzeug wäre Ihre bevorzugte Variante?

Es geht darum, dieses Fahrzeug durch ein qualifiziertes Nachfolgemodell zu ersetzten. Ich vermeide es, typenmäßige Präferenzen zu äußern. Es ist eine Angelegenheit der Experten, auf den entsprechenden Ausschreibungsunterlagen fußend, und des militärischen Bedarfs, das richtige Modell auszusuchen. Ich verlasse mich hier – ebenso wie bei der Luftraumüberwachung auf die Empfehlung der Experten.

Kürzlich gab es wieder eine Debatte zur Verlängerung des Grundwehrdienstes. Nun wird es bei den sechs Monaten bleiben. Welche Maßnahmen wären notwendig, um trotzdem genügend Grundwehrdiener für die Miliz oder für den Soldatenberuf zu motivieren?

Ich würde zunächst nicht apodiktisch sagen, dass es bei den sechs Monaten bleibt. Wir haben ja die politische Diskussion erst eröffnet. Der Herr Bundesminister hat sich erst im Sommer dazu geäußert, dass es eine Notwendigkeit wäre, über eine Verlängerung nachzudenken. Ich sehe diese Notwendigkeit auch, weil es in sechs Monaten nicht möglich ist, hochqualifizierte Funktionen wirklich solide auszubilden, weil vor allem für die Miliz im Anschluss zum Grundwehrdienst im Anschluss keine Möglichkeit mehr besteht, durch Übungen dieses Wissen wiederaufzufrischen. Natürlich ist es unser Bemühen, auch im Rahmen der sechs Monate auch einen attraktiven Grundwehrdienst zu gestalten. Aber die Forderung, über eine adäquate Länge des Grundwehrdienstes nachzudenken, ist aus meiner Sicht aufrecht.

Ihr Ziel wird klarerweise sein, für ein Heeresbudget zu kämpfen, das ein Prozent des BIP ausmacht – wie sieht Ihr Kampfplan aus?

Es ist unsere Aufgabe als Militärs, der Gesellschaft und den Entscheidungsträgern plausibel zu machen, dass Sicherheit Geld kostet. Wir werden also darauf bedacht sein, die richtigen Argumente vorzubringen und auch die Begründungen so plausibel zu gestalten, dass sie nachvollziehbar sind. Es ist klar, dass es in einem Bundeshaushalt viele Herausforderungen gibt: Wir haben für die Gesundheit zu sorgen, für die innere Sicherheit, für den sozialen Frieden, darüber hinaus gibt es aber auch eine Zielsetzung, die durchaus übergreifend gesehen werden kann für die Sicherheit. Äußere Sicherheit hat heute viele Faktoren und geht von hybriden Bedrohungen über Cyber bis hin zu Auseinandersetzungen konventioneller Natur, die auch nicht ausgeschlossen werden können. Diese Notwendigkeiten im Auge zu behalten und mit einer schrittweisen Anpassung darauf zu reagieren, das ist meine Botschaft, die ich als Generalstabschef immer wieder bei den entsprechenden Gremien artikulieren werde. Ich glaube, es gibt in Österreich die Notwendigkeit eines qualifizierten, sicherheitspolitischen Diskurses. Das ist in den letzten Jahren nicht in der Qualität und dem Tiefgang erfolgt, wie ich es gerne hätte.

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