Anschober: 200.000 zusätzliche Pfizer-Dosen für Österreich in zweitem Quartal

INTERVIEW: GESUNDHEITSMINISTER RUDOLF ANSCHOBER (GRÜNE)
Der Gesundheitsminister will außerdem über falsche Mythen rund um die Covid-19-Impfung aufklären. Aufgrund "aggressiver" Anfeindungen habe er selbst Personenschutz.

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) hatte am Dienstagmittag seinen ersten offiziellen Auftritt nach seiner gesundheitsbedingten Pause. Thema des Online-Pressegesprächs war das Aufklären von Corona-Impfmythen. Dabei nahm er auch zu aktuellen Fragen der Impfstoffverteilung Stellung und versuchte, Vorwürfe zu entkräften. Aufhorchen ließ zudem die Anmerkung, dass Anschober seit einigen Wochen Personenschutz habe.

Die aktuellen Neuinfektionszahlen von 2.521 (inklusive Nachnennungen) seien „regional unterschiedlich zu bewerten“, sagte Anschober einleitend. Er sprach von einer Stabilisierung.

Die aktuelle Zahl an 355.000 Testungen sei eine Rekordzahl, die "bis vor kurzem noch unvorstellbar war", sagte der Gesundheitsminister. Davon sind freilich alle Tests, auch Antigen-Schnelltests, umfasst. Der negative Teil der aktuellen Werte seien hingegen steigende Zahlen in der Hospitalisierung und in den Intensivstationen.

Bei den Impfungen sprach Anschober wiederum von einer „Rekordwoche“ von zuletzt 232.000 Impfungen. Dies sei ein Schnitt von 34.000 pro Tag.

200.000 vorgezogene Dosen für "entscheidende Phase"

Zu den von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Dienstagvormittag angekündigten 10 Mio. vorgezogenen Impfdosen von Biontech/Pfizer erklärte er: „Das ist ein großer Vorteil, denn die Phase des ersten Halbjahres ist die entscheidende."

Österreich bekomme aus seinen Verträgen einen vorgezogenen Anteil von zumindest 200.000 zusätzlichen Dosen fürs zweite Quartal (April bis Ende Juni), kündigte der Minister an. 

Warum Kontingent für Johnson & Johnson nicht ausgeschöpft wurde

Was Berichte über eine Bestelllücke beim Impfstoff Johnson & Johnson betrifft (der Standard berichtete von 1,5 Millionen Dosen), holte Anschober etwas weiter aus. 

Bereits zwischen Sommer und Herbst vergangenen Jahres seien insgesamt sechs Impfstoffe, aus einem Budget von 200 Millionen Euro, bestellt worden. Damals sei man in einer Situation gewesen, wo noch keine Zeitpunkte der Genehmigung bekannt waren, keine Lieferzeiten. "Wenn man das Buch von hinten lesen könnte, wäre man schlauer", sagte der Minister.

In diesem "zur Risikominimierung" gemischten Portfolio seien 2,5 Millionen Dosen von Johnson & Johnson enthalten gewesen. Da diese damals mit hoher Wahrscheinlichkeit erst für das zweite Halbjahr und zu einem kleinem Teil fürs zweite Quartal zu erwarten waren, habe man nicht mehr geordert, so der Minister. Obwohl rund 3,9 Millionen verfügbar gewesen wären.

"Dieses zweite Quartal ist aber entscheidend", wiederholte er, "entscheidend dafür, dass wir unser Tempo halten können." Die Lieferungen im Herbst seien nicht so entscheidend, außer, es betreffe Impfstoffe der zweiten Generation, "zum Mutationsschutz". Es gebe aber auch schon solche Verträge mit Herstellern.

"Wichtig ist, dass wir einen Modus der 'pro rata population' erreichen", sagte der Minister. Das bedeute zunächst "gleichberechtigte Tranchen" nach Bevölkerungsschlüssel, und bei den Ländern, die weniger bestellt haben, sollten die Lieferungen dann entsprechend früher auslaufen.

Zu Astra Zeneca: "Baue auf Meinung der Experten auf"

Gefragt wurde Anschober auch zur Situation mit dem Impfstoff von Astra Zeneca. Warum man nicht, wie andere EU-Länder, bis zur Klärung der Datenlage, sicherheitshalber die Verabreichung aussetze.

Anschober: „Ich verstehe mich nicht als Impfwissenschaftler, bin als Politiker dazu da, letztverantwortlich Entscheidungen zu treffen. Diese will ich zu hundert Prozent auf die Meinung von Fachexperten aufbauen. Wir haben ein Impfgremium, dem ich absolut vertrauen kann.“

Das werde er weiterhin einhalten, sagte er. Und: „Ich maße mir nicht an, mehr zu wissen als die Fachexperten und Fachexpertinnen.“

Personenschutz

Zum eigentlichen Thema der Pressekonferenz, den Impf-Mythen, sagte Anschober: "Diese Gesellschaft ist teilweise erschöpft nach einem Jahr, ich merk’s bei mir selber auch." Der Minister lächelte kurz und wollte damit offenbar auf seinen angeschlagenen Gesundheitszustand der vergangenen Tage hinweisen. Ein Kreislaufkollaps hatte ihn außer Gefecht gesetzt.

Viele würden nichts mehr hören wollen von der Entwicklung der Pandemie, fuhr er fort. "Manche werden auch aggressiv", sagte Anschober, "aber das ist eine ganz kleine Minderheit".  Dennoch habe er seit einigen Monaten Personenschutz.

"Nicht auseinander dividieren lassen"

Wichtig sei, "jetzt darüber aufzuklären und zu informieren, wie manche mit alternativen Wahrheiten und Fakenews Leute verführen wollen."

Um die Durchimpfung der Impfwilligen zu gewährleisten, müsse über Impf-Mythen aufgeklärt werden, meinte der Minister. Daher gelte es, "breitere Allianzen zu suchen, sich nicht spalten und auseinander zu dividieren lassen." Jeder sei "Teil der Lösung, Teil einer gemeinsamen Kraftanstrengung".

Der Gesundheitsminister im Kampf gegen Corona-Mythen

Faktencheck und Aufklärung

Fehlerhafte Informationen rund um das Thema Corona würden für Verunsicherung in der Bevölkerung sorgen. Daher bat Anschober André Wolf von Mimikama und Dr. Daniela Ingruber vom Austrian Democracy Lab zu einem Faktencheck.

Wolf erklärte, dass in letzter Zeit insbesondere Mythen über das Impfen kursieren würden. Insbesondere rund um den Impfstoff Astra Zeneca würden zahlreiche Gerüchte und Falschmeldungen lanciert.

Wolf ist Mitglied von Mimikama ist ein „Verein zur Aufklärung über Internetmissbrauch“, der Begriff selbst ist ein Kunstwort, welches aus einer Google-Übersetzerangabe von „gefällt mir“ entstanden ist.

Daniela Ingruber arbeitet im Democracy and Society in Transition Research Lab der Uni Krems, das seit Jänner 2018 besteht. Es widmet sich zwei Forschungsschwerpunkten: Demokratieentwicklung und politische Bildung sowie Gesundheit, Soziales und Gesellschaft.

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