Amtsinhaber verteidigen Tiroler Bezirksstädte
Bei stürmischem Wetter waren am Sonntag 489.721 Tiroler aufgerufen, über die Zusammensetzung der Gemeinderäte in 277 von 279 Ortschaften abzustimmen (Innsbruck und die Kleinstgemeinde Gramais wählten nicht). Ebenso viele Bürgermeister standen zur Direktwahl. SPÖ, FPÖ und Grüne waren angetreten, um an der Dominanz der ÖVP im Land zu rütteln. Die Tiroler Volkspartei rechnete sich vor dem gestrigen Wahlsonntag 234 Ortschefs zu.
"Wir sind eigentlich sehr zufrieden", sagte VP-Landesgeschäftsführer Martin Malaun am Abend. Er ist zuversichtlich, dass nach den Stichwahlen in zwei Wochen die Zahl der Bürgermeister gehalten werden kann. Siege und Niederlagen hielten sich mehr oder wenig die Waage.
Zittern bei SPÖ-Chef
Bangen musste Tirols SPÖ-Chef Ingo Mayr. Drei ÖVP-Listen stellten sich in der 1700-Einwohner-Gemeinde Roppen im Bezirk Imst gegen ihn. Ein Verlust des Bürgermeister-Amts wäre für Mayr, der nicht im Landtag vertreten ist, eine massive Schwächung gewesen.
Er konnte sich in der Direktwahl mit fast 56 Prozent Zustimmung behaupten. "Alle anderen haben sich gegen mich geeint gezeigt. Da kann man sich nie ganz sicher sein", erklärte ein erleichterter Parteichef nach dem Sieg.
Mit viel Rückenwind war die FPÖ in die Wahlen gegangen. Der Nachmittag brachte zunächst aber einen herben Rückschlag. Gerald Hauser, bislang einziger freiheitlicher Bürgermeister in ganz Tirol, muss um seine Wiederwahl in St. Jakob im Osttiroler Defereggental zittern. Der ehemalige Tiroler FPÖ-Chef (37,7 Prozent) muss in zwei Wochen gegen den erst 26-jährigen ÖVP-nahen Kandidaten Ingo Hafele (32 Prozent) in die Stichwahl.
Nicht unbegründet waren die großen Hoffnungen, die Bundes-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache auf Jochberg (Bezirk Kitzbühel) bereits im Vorfeld setzte. Dort wäre ein blauer Bürgermeister möglich, hatte er zuletzt erklärt. Und tatsächlich konnte sich FPÖ-Kandidat Günter Resch klar in der zuvor SPÖ-regierten Gemeinde durchsetzen. In Rattenberg und Hall schaffte es ein FPÖ-Kandidat in die Stichwahl.
Bürgermeister-Bonus
Mit großer Spannung wurde der Ausgang in Imst erwartet, wo nicht weniger als zehn Listen am Start waren – Tirol-Rekord 2016. Der amtierende ÖVP-Bürgermeister, Landtagsabgeordneter Stefan Weirather, wurde klar im Amt bestätigt, verfehlte mit seiner Liste jedoch die Mehrheit im Gemeinderat. In der einst roten Hochburg kam die SPÖ lediglich auf eines von 19 Mandaten.
Enttäuschend verlief für die SPÖ auch die Wahl in einer ehemals ebenfalls roten Bezirkshauptstadt Landeck. ÖVP-Bürgermeister Wolfgang Jörg erzielte einen regelrechten Erdrutschsieg. Er setzte sich klar gegen den SPÖ-Herausforderer durch und eroberte die absolute Mehrheit im Gemeinderat.
Nichts war für die ÖVP hingegen in Kufstein, Tirols zweitgrößter Stadt, zu holen. Der parteifreie Amtsinhaber Martin Krumschnabel erreichte in der Direktwahl fast eine Zweidrittelmehrheit. Und das, obwohl er mit fünf Herausforderern konfrontiert war. Krumschnabels Liste konnte ihre Stimmen praktisch verdoppeln. Die ÖVP mit Spitzenkandidat Hannes Rauch musste eine schwere Schlappe hinnehmen.
In Schwaz blieb Langzeit-Bürgermeister Hans Lintner (ÖVP) im Amt, verlor jedoch die Absolute im Gemeinderat. Klar bestätigt wurde ÖVP-Stadtchef Klaus Winkler in Kitzbühel.Seine Partei musste jedoch Stimmenverluste in Kauf nehmen.
In Lienz wurde Bürgermeisterin Elisabeth Blanik (SPÖ) unerwartet klar wieder zur Bürgermeisterin gewählt. 2010 konnte sie sich erst in der Stichwahl durchsetzen. In Reutte sitzt Alois Oberer weiter fest im Sattel.
Mit 234 amtierenden Bürgermeistern ist die Tiroler ÖVP am Sonntag in die Wahl gegangen. Zumindest behauptet sie das. Denn während SPÖ, Grüne und FPÖ freimütig bekennen, mit welchen Listen und Kandidaten sie in welchen Gemeinden antreten, macht die ÖVP ein großes Geheimnis daraus. Die genannte Zahl der Bürgermeister bezieht sich laut Landesgeschäftsführer Martin Malaun auf jene, "die sich zur ÖVP bekennen".
Ihre Interpretation des Wahlergebnisses werden die Schwarzen am Montag nach dem Landesparteivorstand bekannt geben. Die Wahlbehörde wird kein Gesamtergebnis nach Parteien oder Bürgermeisterkandidaten anbieten. Die klassische Farbenlehre nach Urnengängen und Wählerstromanalysen verhindert das Tiroler Wahlrecht. Antretende Listen haben die Möglichkeit, zu koppeln. Das wird vor allem von der ÖVP praktiziert, die so den Verlust sogenannter Reststimmen minimieren und verschiedene Interessensgruppen ansprechen kann.
Um die Dominanz der ÖVP zu brechen, koppeln teilweise aber auch konkurrierende Parteien in umkämpften Gemeinden. In Lienz machten davon etwa die SPÖ, eine Wirtschaftsliste und die Grünen Gebrauch, um mögliche Restmandate im gemeinsamen Topf zu halten und sie nicht der ÖVP zufallen zu lassen.
Die ist mitunter ihr schärfster Konkurrent, was zu noch mehr Unübersichtlichkeit führt. So hat etwa 2010 der ÖVP-nahe Christian Härting den offiziellen ÖVP-Kandidaten Stephan Opperer besiegt. Gestern versuchte Härting mit seiner Liste sein Amt zu verteidigen (Ergebnis nach Redaktionsschluss). Die offizielle ÖVP-Liste stellte keinen eigenen Kandidaten.
Ohne Parteiname
Wer zu wem gehört, ist auf den Wahlzetteln sehr oft für die Bürger nicht nachvollziehbar. Denn die Parteinamen kommen vielfach in den Listennamen – das gilt vor allem für die ÖVP – nicht vor. Klubobmann Jakob Wolf trat etwa mit seiner "Liste Jakob Wolf" an, um Bürgermeister in Umhausen im Ötztal zu bleiben. Gegenkandidat gab es keinen.
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