Gemeindetag: "Keine Finanzierungslöcher verschieben"

Gemeinden
Pressl: Gemeinden als Zukunftsgestalter statt Mängelverwalter. Stocker: "Keine Finanzierungslöcher verschieben". Städtebund-Albel: "Gebt's uns unser Geld".

Der Österreichische Gemeindetag in Klagenfurt ist am Freitag mit dem Ruf nach Zusammenhalt und der Forderung nach mehr Geld für die Gemeinden zu Ende gegangen. Dabei bekannte sich der Gemeindebund sowohl zu Reformen als auch zu stabilen Finanzen - dafür müsse es aber Änderungen bei der Verteilung geben, so der Grundtenor. Mit dabei waren auch Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) und Bundespräsident Alexander Van der Bellen.

Man bekenne sich zu stabilen Finanzen und mutigen Reformen, sagte Johannes Pressl (ÖVP), der Präsident des österreichischen Gemeindebundes: "Wir verpflichten uns zur Netto-Null-Neuverschuldung ab 2030." Da müsse es aber auch möglich sein, über die Verteilung der Mittel zu diskutieren, wie etwa, dass Anteile von CO2-Steuer oder Digitalsteuer an die Gemeinden fließen. Gemeinden seien ständig mit hohen Kosten konfrontiert, gleichzeitig sei etwa die Grundsteuer seit 40 Jahren nicht mehr erhöht worden. Pressl griff auch die Idee auf, dass die Gemeinden die Finanzierung der Kinderbetreuung übernehmen, aber sich gleichzeitig aus der Gesundheitsfinanzierung zurückziehen: "Wenn wir die Entflechtung ernst nehmen, dann ist das ein ganz klarer Vorschlag."

Man müsse aber auch "bei uns selbst" über Reformen reden, etwa was die Kooperationen zwischen den Gemeinden angeht. Er wolle den Kooperationsgedanken so verstanden haben: "Machen wir Multidienstleistungsverbände, die mehrere Aufgaben bewältigen können. Machen wir Verbände, um Leistungen auch auslagern zu können." Man wolle nämlich nicht eine Gemeindezusammenlegung: "Wir sind die Basisdemokratie. Weil hier entscheiden wir wirklich noch von Angesicht zu Angesicht." Um auch als kleine Gemeinde Leistungen zu erbringen, brauche es aber solche Verbände.

"Zukunftsgestalter statt Mangelverwalter"

Was die Gemeinden auf jeden Fall nutzen müssten, sei die Digitalisierung - hier führte er etwa Selbstbedienungsläden an, die auch am Sonntag in Ortskernen geöffnet haben könnten: "Denn das ist die Zeit, in der Tankstellenshops an den Einfahrtsstraßen boomen." Man müsse sich auch fragen, ob man als Gemeinde die Daten im Griff habe, auf die einmal eine Künstliche Intelligenz zugreifen könnte: "Die Wahrheit ist, die haben wir oft nicht im Griff." Er rief auch dazu auf, Bürgerinnen und Bürger dabei zu unterstützen, das Digitale Amt in Anspruch zu nehmen. Was bei der Bank begonnen hat, das werde auch auf den Gemeindeämtern kommen, verwies er auf die technische Entwicklung.

Seine Rede schloss Pressl mit drei Forderungen: "Ich bitte, dass wir ehrlich miteinander umgehen, wenn es um die Finanzierung geht. Nehmen wir die Reformen ernst - gehen wir in die Tiefe, schneller als geplant. Und tragen wir für unser Land Österreich diese Reformen mit Disziplin mit." Ohne starke Gemeinden werde es in Österreich nicht gehen: "Aber wir müssen aus einem Image als Mangelverwalter in eine Rolle kommen, in der wir Zukunftsgestalter sind."

Kein Verschieben von Finanzlöchern

Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) verwies auf die hohen Anforderungen, die man in der Kommunalpolitik erfüllen müsse. Die Rahmenbedingungen hätten sich nicht verbessert, vor allem die finanzielle Situation der Gemeinden. "Wir sind uns bewusst, dass wir alle im gleichen Boot sitzen - wenn wir ein Finanzierungsloch verschieben, dann verschwindet es nicht." Man sehe die Situation natürlich, er könne das als ehemaliger Finanzreferent in Wiener Neustadt nachvollziehen. Trotz mancher Maßnahmen bleibe die Lage angespannt - "nicht nur in den Gemeinden, auch in den Ländern und auf Bundesebene."

Die Inflationsrate sei viel zu hoch, das Wirtschaftswachstum von plus 0,3 Prozent sei zu niedrig. Man habe hohe Einnahmen, aber auch hohe Ausgaben. "Wir haben in mehrfacher Sicht Handlungsbedarf. Vor allem in der Budgetkonsolidierung. Es wird nicht einfach werden." Das Ziel für das kommende Jahr sei zwei Prozent Inflation, ein Prozent Wirtschaftswachstum, was sich auch auf die Gemeinden niederschlage, so Stocker.

"Wir müssen uns einer Ausgabenkritik unterziehen - ich bitte aber, das nicht 1:1 mit dem Sparen gleichzusetzen." Es bedeute, zu überprüfen, ob man etwas billiger und mit weniger Mitteleinsatz vielleicht sogar besser machen könnte, meinte er weiter: "Wenn wir nur sparen, können wir uns auch zu Tode sparen." Der Wunsch nach Veränderung sei da - auch wenn oft mit dem Wunsch gepaart, dass sich möglichst wenig verändern soll.

"Habe das Angebot gehört"

Das Angebot, dass sich die Gemeinden aus der Gesundheitsfinanzierung zurückziehen, habe er gehört, sagte Stocker, dazu brauche es aber auch die Länder: "Darüber können wir reden. Aber ich denke, dass wir auch hier effizienter werden können." Gesundheitsbehandlungen im Bereich der Spitzenmedizin wolle man weiter zur Verfügung stellen, die Wartezeiten seien das Zweite, was die Patientinnen und Patienten unmittelbar betrifft. "Dazu wird es auch Änderungen in der Struktur brauchen, die dürfen aber niemals Selbstzweck sein."

Notwendig sei nun eine gemeinsame Anstrengung, "kein Hin- und Herschieben von Verantwortung und Finanzierungslücken. Ohne ideologische Brillen". Und: "Natürlich ist auch ein neuer Finanzausgleich nötig, den wir mitdenken müssen. Denn alles, was neu gestaltet wird, muss auch neu finanziert werden." Der Bundeskanzler bat auch um Realismus beim Zeitrahmen: "Letztlich geht es darum, im Ergebnis eine Win-win-Situation zu erreichen." Bürger und gesamtstaatliche Verwaltung müssten gewinnen.

Viele Gratwanderungen

"Wer entscheidet, gestaltet, und wer gestaltet, trägt Verantwortung", sagte Bundespräsident Alexander Van der Bellen in seinen Grußworten. Das treffe auf Bund, Länder und auch Gemeinden zu - vor allem in einer schwierigen Situation wie der derzeitigen. Sparen sei ebenso angesagt wie Reformen: "Es ist eine Gratwanderung zwischen dem, was die Bürgerinnen und Bürger brauchen und dem, was sich die Gemeinden leisten können." Hier forderte er Zusammenhalt ein.

Die nächste Gratwanderung sei es, Wünsche zu erfüllen, aber auch den aktuellen Anforderungen gerecht zu werden. Was auch gut gelinge, wenn er die Vertrauenswerte in Institutionen mit Bürgermeistern auf Spitzenplatzierungen betrachte. "Ich bin mir sicher, wir können die vielen Kompetenzen so ordnen, dass wir effizienter werden. Die Reformen werden gelingen, wenn wir das Große und Ganze im Blick haben", schloss der Präsident, der in seiner Rede immer wieder Sätze im Kaunertaler Dialekt einbaute.

"Gebts uns unser Geld"

Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) verwies auf ein Gefühl, das viele Menschen beschleiche: "Dass wir eine neue Weltordnung haben, die lange tradierte Werte über Bord wirft, die sich nach Finanzkapital orientiert und die die gerade von uns in Europa erkämpfte liberale Demokratie manchmal zur Seite zu stellen droht." Gerade deshalb sei das Motto des Gemeindetages "Nachhaltig gemeinsam Zukunft schaffen" so wichtig: "Wir haben noch nie so sehr eine Einheit von Gemeinden, Städten, Ländern, Österreich und Europa gebraucht wie jetzt."

Die Diskussion zwischen den einzelnen Ebenen war am Freitag vom Villacher Bürgermeister Günther Albel (SPÖ) als Vertreter des Städtebundes eröffnet worden. Er wundere sich, wenn es vom Bund heiße, man sehe nun, dass die Gemeinden nicht so gut abschneiden, sagte er in seiner Rede: "Hätte man uns früher gefragt, dann hätten wir das früher sagen können. Wenn wir nicht bekommen, was uns zusteht, wie einen Anteil an der CO2-Steuer und wenn man Abgaben über Jahrzehnte nicht erhöht, wie die Grundsteuer, dann braucht man sich nicht wundern, dass wir nicht so viel beisteuern." Gemeinden und Städte würden "für die Daseinsvorsorge" einstehen - und auch für das friedliche Zusammenleben, "das ist nichts Selbstverständliches". Albel: "Gebt's uns unser Geld, was uns zusteht, vielleicht ein bisserl mehr, weil dann brauchen wir keine Anschubfinanzierungen. Dann machen wir das, was wir können: Den Bürgern die besten Leistungen zur Verfügung zu stellen."

Frauen als Role Models

Zuvor hatte Doris Schmidauer, Schirmherrin der Österreichischen Bürgermeisterinnen und Ehefrau des Bundespräsidenten, einen flammenden Appell an die Frauen in der Politik gerichtet. Gerade in Bürgermeisterämtern seien Frauen, die 11,5 Prozent der Gemeindechefinnen stellen, stark unterrepräsentiert, obwohl sie mit 50,7 Prozent die Mehrheit der Bevölkerung ausmachen: "Aber wir können auf das Potenzial der Frauen nicht verzichten. Ohne Frauen werden die aktuellen Herausforderungen nicht zu bewältigen sein." Frauen in der Politik sollten sichtbar sein: "Das überzeugt andere Frauen, es braucht starke Role Models. Und man sieht ja, wie gerne sie an Gestaltungsprozessen teilnehmen."

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