Gemeindebund-Präsident: "Eine Steuer ist keine Abzocke der Menschen"
Der Gemeindebund mit Johannes Pressl als Präsident an der Spitze hat bereits ein Forderungspapier an die kommende Regierung erstellt.
KURIER: Herr Präsident, von der Gemeindeebene aus betrachtet, wie sehen Sie die momentane Regierungsbildung in Wien?
Johannes Pressl: Auf die Zusammensetzung der künftigen Bundesregierung haben wir keinen Einfluss. Wir sehen aber die Herausforderungen, die eine Koalition zu bewältigen hat. Und das sind sehr, sehr große. Es braucht nicht nur einen Kassensturz, sondern eine eingehende Analyse der Situation, in der wir uns jetzt als Gesamtstaat Österreich befinden. Das ist auch für die Entwicklung der Gemeinden wesentlich. Wir haben irrsinnige finanzielle Herausforderungen, die alle ganz wesentlich von der Bundesregierung abhängig sind.
Dass nicht FPÖ-Wahlsieger Herbert Kickl, sondern ÖVP-Kanzler Karl Nehammer den Verhandlungsauftrag des Bundespräsidenten erhalten hat, wie sehen Sie das?
Wenn man hier die Usance, die üblich war, eingehalten hätte, dann wäre das für mich völlig okay gewesen, ich habe es auch nicht verstanden, warum der Herr Bundespräsident im ersten Zug Herbert Kickl keinen Auftrag gegeben hat. Ich kenne aber auch nicht die Hintergründe und Gespräche dazu.
Kurz vor der Nationalratswahl hat der Gemeindebund ein Forderungspapier an eine künftige Regierung verabschiedet. Wichtigster Punkt: Die Mehrbelastung für die Gemeinden durch neue Vorschriften muss finanziell abgegolten werden. Angesichts des Spardrucks, dem die Regierung ausgesetzt ist, ist das eher nur ein Wunsch.
Wenn wir sagen, Mehrbelastungen sollen abgegolten werden, dann meinen wir Leistungen der Daseinsvorsorge. Da geht es um Aufgaben, die uns als Gemeinden übertragen sind und die die Gesellschaft auch will und die wir auch gerne leisten. Ich denke da an die Kinderbetreuung, die Gesundheitsvorsorge oder die Pflege. Wenn allerdings die daran geknüpften Ansprüche – wie Gruppengrößen, Stützkräfte oder Dokumentationsstandards – immer größer werden, dann muss das auch zu 100 Prozent ersetzt werden.
Wurde das nicht alles im jüngsten Finanzausgleich finanziell für die Gemeinden geregelt?
Der Finanzausgleich ist letztes Jahr unter Rahmenbedingungen gemacht worden, die noch anders ausgeschaut haben. Da hat man noch davon ausgehen können, dass es ein entsprechendes Wirtschaftswachstum und eine europäische Dynamik gibt. Dann hat es eine Delle gegeben, und jetzt sehen wir, dass das sogar ein langes Tal ist. Damals war der Finanzausgleich gut verhandelt, in der Zwischenzeit haben sich die Rahmenbedingungen aber dramatisch verändert.
In dem Forderungspapier ist auch eine Reform der Grundsteuer enthalten. An dieser Schraube könnte man drehen, um mehr direktes Steuergeld zu bekommen. Welche Ziele verfolgt der Gemeindebund?
Ich möchte die Grundsteuer vielleicht in ein ganz neues, anderes Licht rücken. Zunächst ist es einmal eine Abgabe, die der Gemeinde zu 100 Prozent zugutekommt. Verwendet wird das Geld, um Infrastruktur zu schaffen oder zu sanieren. Gezahlt wird sie von Liegenschaftsbesitzern, Hausbesitzern im Wohnbau, von der Industrie oder dem Gewerbe. Wenn man etwa ein Gebäude errichtet, zahlt man eine Aufschließungsabgabe. Damit werden eine Straße, die Straßenbeleuchtung oder der Regenwasserkanal einmalig finanziert. Aber wenn das nach 35 Jahren zu sanieren ist, dann gibt es dafür keine Sondereinnahme mehr. Das leisten wir dann mit den Einnahmen aus der Grundsteuer. Und weil das alles teurer wird, erwarten wir, dass auch bei der Grundsteuer eine Valorisierung zustande kommt.
Gemeindebund-Präsident zu Gast in der Sendung "bei Gebhart"
Das ist keine wirklich populäre Maßnahme, wenn mehr gezahlt werden muss.
Eine Steuer, eine Gebühr ist niemals eine populäre Maßnahme. Aber sie ist auch keine Abzocke der Menschen, sondern letztlich ein Beitrag, dass wir unsere gesellschaftlichen Gemeinschaftsleistungen wie leistungsfähige Straßen, energiesparende Beleuchtung oder eine saubere Umgebung erbringen können.
Wenn wir über Grund und Boden reden, dann muss auch der Bodenverbrauch angesprochen werden. Die Grünen wollten da eine zentrale Lösung mit einer genauen Vorgabe, wie viele Hektar pro Tag verbaut werden dürfen. Der Gemeindebund hat aber jetzt seinen eigenen Bodenschutzplan vorgelegt.
Das Ganze war eine sehr unsaubere Diskussion. Zuerst war nicht klar, ob wir über Versiegelung oder verbrauchte Fläche reden. Dann haben wir festgestellt, dass manche schon mit einem Rechenschieber durchrechnen, wie viel Quadratmeter zweieinhalb Hektar pro Tag pro Gemeinde sein werden. Und dann haben wird gesagt: Das ist ja fern der Realität, fern des Faktischen. Und weil wir wirklich Boden sparen wollen, haben wir einen kommunalen Bodenschutzplan aufgelegt. Hier listen wir alle Möglichkeiten auf, wie wir das Problem in den Griff bekommen können.
Es ist ein Plan, der sehr ins Detail geht. Bis hin zu dem Vorschlag, dass die nächsten Generationen Wohnfläche an das Haus ihrer Eltern anbauen, statt ein eigenes Einfamilienhaus zu errichten.
Das ist ein schönes Beispiel, weil es zeigt, wie wir aus einem Problem in der Praxis eine gesellschaftliche Chance machen können. Es gibt politische Strömungen, die haben seit Jahr und Tag das Einfamilienhaus verteufelt. Der Österreicher liebt aber das Einfamilienhaus. Deshalb sagen wir im Bodenschutzplan: Entwickeln wir dieses Einfamilienhaus zu einem Mehrgenerationenhaus. Das hat nicht nur bezogen auf den Bodenverbrauch einen Spareffekt, das ist auch ein sozial wertvoller Wohnraum, wenn Junge und Ältere unter einem Dach leben. Man kann das Architektonische ja so lösen, dass für beide Generationen die nötige Privatsphäre gesichert ist.
Wenn es um Flächenwidmungen geht, gibt es auch die Vorschläge, die Bürgermeister ganz aus dem Rennen zu nehmen und nur höhere Ebenen entscheiden zu lassen.
Wir sind die gewählten Vertreter der Menschen vor Ort. Wir haben interessanterweise die höchsten Vertrauenswerte unter allen politischen Ebenen, weil wir spüren, was die Menschen brauchen. Dazu zählt auch, dass man einen Wohnraum im Grünen haben will. Eigentum gestehe ich jedem zu. Da muss ich halt – natürlich unter strengen Auflagen – Möglichkeiten finden, wie man das schafft. Aber das muss man ausdiskutieren und dafür Eigentümer motivieren, das wird zentral von Wien aus nicht funktionieren. Dafür wird man uns, wenn man’s ernst meint, dringend brauchen.
2025 tritt das Informationsfreiheitsgesetz in Kraft. Damit ist das berühmte „Amtsgeheimnis“ abgeschafft. Wie welchen gemischten Gefühlen werden die Gemeinden an dieses Thema herangehen?
Ich habe überhaupt keine gemischten Gefühle.
Es besteht doch die Befürchtung, dass etwaige Querulanten mit unzähligen Anfragen Gemeindeämter lahmlegen könnten.
Mir geht es darum, dass wir eine praktische Lösung zur Umsetzung des Gesetzes zustande bringen. Deswegen haben wir mit dem Bundeskanzleramt ein Projekt auf den Weg gebracht, das einerseits eine intensive Informationsschiene für die Gemeinden beinhaltet und andererseits noch klärt, wie das Gesetz in allen Details auszulegen ist. Drittens – und das ist mir am allerwichtigsten – muss die Informationsweitergabe automatisiert erfolgen. Wir haben nichts davon, wenn wir Verwaltungen von einigen wenigen lahmlegen lassen, das würde die Dienstleistungsqualität für die Bürger in anderen Bereichen massiv einschränken.
Der Datenschutz könnte noch zu einem heiklen Thema werden.
Darauf haben wir immer hingewiesen. Es soll genau gesagt werden, was freizugeben ist und was nicht, damit nicht ständig eine Anlassprüfung gemacht werden muss. Grundsätzlich bin ich aber im Hinblick auf das Informationsfreiheitsgesetz sehr positiv eingestellt. Das soll schließlich auch zu aktiver Beteiligung führen.
In Niederösterreich stehen wieder Gemeinderatswahlen an. Wie attraktiv ist das Bürgermeisteramt überhaupt noch? In manchen Bundesländern war es schon schwierig, Menschen zu finden, die sich engagieren.
Ich persönlich empfinde das Bürgermeisteramt als sehr attraktiv. Die meisten, die dieses Amt machen, begeistert, etwas zu schaffen, eine Vision für eine Gemeinde umzusetzen, das Lebensumfeld der Menschen zu gestalten. Wir müssen das Bild des Bürgermeisters auch als Politiker viel breiter sehen. Die Menschen auf dem Lebensweg zu begleiten, ist oft auch Teil des Jobs und eine sehr schöne Aufgabe. Und Gemeindepolitik ist überwiegend Konsenspolitik. Nicht so, wie wir das auf Bundesebene oft wahrnehmen.
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