Köhlmeier: Wer glaubt, FPÖ beschütze Juden, "ist Idiot oder Zyniker"

GEDENKVERANSTELTUNG GEGEN GEWALT UND RASSISMUS: TODT/KÖHLMEIER
Standing Ovations für die Rede des Autors, der der FPÖ antisemitische Vorkommnisse vorhielt und auch Kanzler Kurz ermahnte.

Für stürmischen Applaus und Standing Ovations hat die Rede des Schriftstellers Michael Köhlmeier beim Gedenkakt des Parlaments gegen Gewalt und Rassismus am Freitag gesorgt. Köhlmeier warf der FPÖ dabei Heuchelei im Umgang mit den Juden vor. Er fühle sich von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP), der in seiner Rede gemeint hatte, dass man Dinge beim Namen nennen müsse, ermutigt und werde genau das tun, eröffnete Köhlmeier seine in der ORF TVThek nachsehbare Rede. "Erwarten Sie nicht von mir, dass ich mich dumm stelle."

Er höre die NS-Opfer, deren Geschichte heute von Jugendlichen erzählt wurden, fragen: "Was wirst du jenen sagen, die einer Partei angehören, deren Mitglieder den Nationalsozialismus verharmlosen oder antisemitische Meldungen abgeben. (...) Wirst du so tun, als wüsstest du nicht, was gemeint ist, wenn sie ihre Codes aussprechen und von gewissen Kreise an der Ostküste sprechen" und Verschwörungstheorien verbreiten.

Gedenkakt im Parlament

"Der Begriff des 'stichhaltigen Gerüchts' wird ins Wörterbuch der Niedertracht und Verleumdung kommen", so in Anspielung auf die Aussagen des FPÖ-Klubobmanns Johann Gudenus, wonach es "stichhaltige Gerüchte" gibt, dass der ungarischstämmige US-Milliardär George Soros daran beteiligt sei, "Migrantenströme nach Europa zu unterstützen". Gudenus selbst nahm ebenfalls an der Veranstaltung teil.

"FPÖ unglaubwürdig"

"Gehörst du zu jenen, die abgestumpft sind", höre er die Toten fragen. "Zum großen Bösen kamen die Menschen nie in einem Schritt, sondern in vielen kleinen. Zuerst wird gesagt, dann wird getan. (...) Wirst du es dir gefallen lassen, wenn ein Innenminister davon spricht, dass Menschen konzentriert gehalten werden sollen."

Es sei unglaubwürdig von der FPÖ, wenn sie sich als Beschützerin und Verteidigerin der Juden aufspielt und gleichzeitig die rechts-extreme Aula unterstützt, in der befreite Häftlinge des Konzentrationslagers als "Landplage" bezeichnet wurden. "Wer das glaubt, ist ein Idiot oder er tut so als ob, dann ist er ein Zyniker", so Köhlmeier.

Köhlmeier hatte bei der NS-Gedenkveranstaltung indirekt auch Bundeskanzler Sebastian Kurz ( ÖVP) etwas zu sagen. "Es hat auch damals schon Menschen gegeben, die sich damit brüsteten, Fluchtrouten geschlossen zu haben", so Köhlmeier. Kurz betont immer wieder gerne seine Version der vergangenen Jahre, wonach er die Balkan-Route geschlossen habe.

"Mehr habe ich nicht zu sagen", schloss Köhlmeier und erntete stürmischen Applaus von den Festgästen.

Aufregung bei FPÖ 

Die FPÖ hat auf die Abrechnung erbost reagiert. Klubobmann Walter Rosenkranz und der Abgeordnete David Lasar bezeichneten Köhlmeier als selbstgerecht und warfen ihm vor, die Gedenkveranstaltung desavouiert zu haben. Er habe seine Bühne "hochmutig missbraucht". "Vielen Ehrengästen war die Empörung sichtlich anzusehen und sie applaudierten demonstrativ nicht", so die FPÖ-Politiker in einer Aussendung.

Das österreichische Parlament hat am Freitag zu seiner traditionellen Gedenkveranstaltung gegen Gewalt und Rassismus im Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus geladen. Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) warnte in seiner Ansprache vor dem Aufkeimen eines neuen Antisemitismus in Europa und der Welt. Das dürfe man "nicht achselzuckend zur Kenntnis nehmen, sondern man muss diesen Bodensatz bekämpfen".

Sobotka erinnerte daran, "dass es die Entmenschlichung war, die am Beginn der NS-Herrschaft gestanden ist" und diese Entmenschlichung vom "Anschein der Rechtsstaatlichkeit begleitet wurde". Aus diesem Grund "dürfen wir nicht zulassen, dass das Vertrauen in den Rechtsstaat" unterminiert werde.

Bundesratspräsident Reinhard Todt (SPÖ) mahnte, dass "wir die Verantwortung tragen, dass Abgrenzung und Ausgrenzung nicht wieder die Oberhand gewinnen", sondern der "soziale Zusammenhalt gewahrt wird und wir alle würdevoll zusammenleben". "Wir tragen die Verantwortung dafür, wozu wir fähig waren und wozu wir heute noch immer fähig sind."

Ausgetragen wurde die Veranstaltung im Zeremoniensaal der Hofburg. Im Zentrum stand, musikalisch begleitet, das Projekt "Dialog des Erinnerns - Geschichten brauchen Stimmen." Dabei erzählten Jugendliche die Geschichten von NS-Opfern, die im KZ Mauthausen ermordet wurden.

Gedenk-Auftakt

Der heutige Gedenkakt ist der Auftakt von einem Reigen an Gedenkveranstaltungen. Sonntagfrüh findet eine Kranzniederlegung vor dem Hrdlicka-Mahnmal gegen Krieg und Faschismus am Helmut-Zilk-Platz mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen, Kanzler Sebastian Kurz ( ÖVP) und Vizekanzler Strache statt. Wenige Stunden später findet in der KZ-Gedenkstätte Mauthausen eine Gedenkzeremonie sowie eine Befreiungsfeier statt.

Nächste Woche lädt dann das Bundeskanzleramt Dienstagvormittag zu einem Festakt zum Gedenken an die Befreiung vom Nationalsozialismus und an die Beendigung des Zweiten Weltkrieges. Am Abend findet am Heldenplatz das "Fest der Freude" mit einem Konzert der Wiener Symphoniker statt.
 

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