Ganztagsschulen, bitte warten?

Hilfe bei Hausübungen nachmittags in der Schule: Das sollte es ab 2018 für jedes dritte Kind geben – die Gemeinden bezweifeln das
Weniger Geld für Betreuungsplätze, Gemeinden warnen: "Ausbauziele nicht erreichbar".

Wohlwollen für den neuen Sparvorschlag der Bildungsministerin – das kommt von den Ländervertretern. Kein Wunder: Damit werden sie von der Last befreit, 30 Millionen Euro beizusteuern. Gabriele Heinisch-Hosek hat angeregt, von den 160 Millionen Euro, die für den Ausbau von Ganztagsbetreuungsplätzen an Schulen vorgesehen waren, 50 Millionen abzuzwacken – um die Sparvorgaben des Finanzministers zu erfüllen.

Von den Hauptbetroffenen, den Kommunen, wird Heinisch-Hosek dafür nicht applaudiert. „Einsparungen auf dem Rücken Dritter, ohne mit diesen zu reden, das ist grotesk“, sagt Gemeindebund-Präsident Helmut Mödlhammer zum KURIER. „Damit wird das Ausbauziel sicher nicht erreicht werden.“ SPÖ und ÖVP haben vor der Wahl versprochen, dass bis 2018 insgesamt 200.000 Plätze geschaffen werden. Damit wäre etwa jedes dritte Pflichtschulkind versorgt (siehe Grafik).

Traumtänzer

Ganztagsschulen, bitte warten?
Die Ministerin beteuert, daran werde sich trotz der 50 Millionen weniger nichts ändern: „Der Ausbau kann wie geplant stattfinden.“ Wie soll das gehen? Heinisch verspricht, die 50 Millionen 2018 bereitzustellen. Mödlhammer nimmt ihr das nicht ab: „Wer glaubt, dass sich die finanzielle Lage in den kommenden Jahren so verbessert, dass das große Füllhorn ausgeschüttet werden kann, ist ein Traumtänzer.“ Abgesehen davon habe die Regierung nicht einmal das eingehalten, was sie im Vorjahr versprochen habe: Dass heuer 160 Millionen Euro in Ganztagsplätze fließen. „Wir verlassen uns sicher nicht darauf, dass es die 50 Millionen 2018 gibt.“

Heinisch entgegnet: Länder und Gemeinden hätten die Mittel schon bisher nicht gänzlich beansprucht. Rund 50 Millionen Euro seien seit 2011 nicht abgeholt worden. Nicht aus Jux und Tollerei sei das nicht passiert, kontert Mödlhammer: „Der Bund hat zu hohe Hürden aufgestellt.“ Bisher gab es Geld nur dann, wenn in einer Pflichtschule zumindest 15 Kinder vier mal pro Woche bis 16 Uhr betreut werden. Die Gemeinden haben für die Infrastruktur (Umbauten, Küche, Möbel etc) einmalig 50.000 Euro bekommen, für Personal 8000 Euro pro Jahr und Gruppe. Nun gilt: mindestens zwölf Schüler, 55.000 Euro für Infrastruktur, 9000 Euro für Personal. Das ist den Gemeinden viel zu kompliziert, decke auch die Kosten vielerorts nicht, sagt Mödlhammer. Er möchte „eine einfache Regelung: Pro Kind und Tag oder Stunde eine bestimmte Summe“.

Rückschritt

Nicht nur die Gemeinden begehren gegen Heinischs neuen Plan auf, sondern auch Arbeiterkammer und Wirtschaftsvertreter. „Der Rotstift wird ausgerechnet beim zukunftsträchtigsten Bildungsvorhaben angesetzt“, moniert AK-Präsident Rudolf Kaske. Besser wäre, „Zwergschulen“ zu schließen. Adelheid Moretti, Frauenchefin in der Wirtschaftskammer, sieht „einen Rückschritt bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie“. Besser wäre, in der Verwaltung zu sparen.

Nicht so scharf kritisieren Eltern- und Lehrervertreter die Ministerin. Für Christian Morawek, den obersten Elternsprecher an Pflichtschulen, ist „generell schlecht, dass die Regierung bei der Bildung spart“. Wenn schon gekürzt werden müsse, sei der jetzige Plan besser als der ursprüngliche (weniger Klassenteilungen, weniger Zweitlehrer in Neuen Mittelschulen). Paul Kimberger, Frontmann der Lehrergewerkschaft, sieht das genauso: „Es ist das geringere Übel – weil nicht in den Klassenzimmern gespart wird.“

Am Abend konferierten Kimberger und die Landesschulratspräsidenten mit Heinisch in Sachen Budget; danach gaben sich die Länder erleichtert, es herrsche nun wieder „Planungssicherheit“. Am Freitag trifft Heinisch Schüler und Eltern.

Die Ressortchefin muss heuer insgesamt 87 Millionen einsparen. 21 Millionen will sie in der Schulverwaltung holen, für Schulausbauten gibt es sieben Millionen weniger. Wo sie die übrigen neun Millionen lukriert, ist offen. Ebenso, wie sie die Sparvorgabe für 2015 – 60 Millionen – erreichen will.

Es war ein aufgelegter Elfmeter für die Grünen. Am Mittwochabend hatte Gabriele Heinisch-Hosek bekannt gegeben, dass sie beim Ausbau der Ganztagsschulen sparen werde. Tags darauf war Bildungs-Sondersitzung des Nationalrats. "Wie soll man so die Vereinbarkeit von Beruf und Familie verbessern, wenn beim Ausbau der Ganztagsschule gespart wird?", fragte Grünen-Chefin Eva Glawischnig die rote Unterrichtsministerin, die zudem auch für Frauenanliegen zuständig ist.

Kanzler Werner Faymann drehte den Spieß um und kritisierte die Opposition. Er hätte sich erwartet, dass die Opposition der Regierung gegen die Länder hilft. Faymann: "Dass die Opposition die Regierung nicht gegen die Länder unterstützt, zeigt, dass ihr Polemik wichtiger ist als Sachpolitik. Wir wollten eine konstruktive Debatte über Doppelgleisigkeiten mit den Ländern, aber Sie haben uns dafür kritisiert", warf Faymann den Oppositions-Abgeordneten vor.

Hintergrund: Heinisch-Hosek wollte ursprünglich mehr Geld von den Ländern für überzählige Landeslehrer, musste diese Verordnung aber nach Drohung der Landeshauptleute mit einer Verfassungsklage zurückziehen.

Die ÖVP hielt sich am Donnerstag im Nationalrat auffallend zurück – sowohl mit Kritik an Heinisch-Hosek, aber auch mit deren Verteidigung.

Der grüne Bildungssprecher Harald Walser hielt der SPÖ vor: "Sie von der Sozialdemokratie haben einmal fortschrittliche Bildungspolitik gemacht. Diese Zeiten sind vorbei."

Neos-Klubchef Matthias Strolz begann seine Rede mit einem Gruß an die Fernsehzuseher ("Liebe Hypo-Zahler!") und fuhr etwas esoterisch fort: " Ich möchte, dass in Österreich die Talente üppig blühen wie die Kirschbäume im Frühling." Neos wird den 1. Mai zum "Tag der Bildung" ausrufen, denn das sei die beste Versicherung gegen Arbeitslosigkeit.

Ein Misstrauensantrag der FPÖ gegen Heinisch-Hosek blieb in der Minderheit.

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