Freizeit- und Arbeitsforscher Peter Zellmann im Interview

Freizeit- und Arbeitsforscher Peter Zellmann im Interview
„Vor allem hochqualifizierte Jobs sind betroffen“: Peter Zellmann sieht die Zukunft in personenbezogenen Dienstleistungen.

KURIER: Herr Professor, Handy und Computer sind nicht mehr wegzudenken. Wie sehr beeinflusst die Digitalisierung unseren Arbeitsalltag?
Peter Zellmann: Die Arbeitswelt hat sich grundlegend verändert. Die Entwicklung ist allerdings schleichend. Die großen Schritte sieht man im Rückblick von zehn, 15 Jahren, wenn man sich zum Beispiel vergegenwärtigt, wie abhängig man mittlerweile von Smartphone ist. Das Hauptproblem dabei ist, dass wir in die Zeiteinheit beruflich wie privat immer mehr hineinstopfen. Weil wir ja scheinbar alles leichter haben, muten wir uns immer mehr zu. Und dadurch kommen die Menschen in einen Zeitnotstand wie nie zuvor.

Wieso? Die Lebenszeit insgesamt steigt, da müsste sich vieles immer leichter ausgehen...
Ja, wir haben sehr viel an Lebenszeit gewonnen, aber subjektiv mehr und mehr den Eindruck, keine Zeit mehr zu haben. Das gilt privat, aber vor allem beruflich. Stress ist gleich Zeitknappheit und der Verlust an Lebensqualität ist der Verlust an Zeitsouveränität. Sie nimmt ab, obwohl die elektronischen Helferleins immer mehr werden.

Crowd-Working, Click-Working, künstliche Intelligenz – wie sehr werden diese neuen Entwicklungen später zu Massenphänomenen werden?
Das traut sich kaum einer sagen, aber mit diesen Anglizismen fangen mehr als 90 Prozent der Menschen  nichts an. Das sind vielfach Kunstbegriffe. Aber: Damit längerfristig alle mitkommen, wird es vollkommen neue Schulsysteme und Lehrpläne brauchen. Das wird der eigentliche Paradigmenwechsel. Nur Allgemeinbildung ist viel zu wenig, um mit diesen neuen Möglichkeiten, mit den Begriffen und mit all dem umzugehen, um das für mich Wichtige vom scheinbar Dringenden trennen zu können.

Sie plädieren auch für ein Grundeinkommen. Ist das die Lösung für eine Zukunft, in der die Roboter die Arbeit erledigen?
Man muss zuerst den Begriff definieren und zwar: Die ersten 1000 Euro, egal wie verdient, ob als Notstandshilfe, Einkommen oder Pension heißen in Zukunft bedingungsloses Grundeinkommen, weil es ja wirklich alle bekommen sollen. Nur so kann es funktionieren. Sonst schürt man nur die Neidgesellschaft. Es wird von allen finanziert und alle bekommen es, auch der Millionär. Es wäre die Beteiligung der Gesamtbevölkerung an der ungeheuren Produktivitätssteigerung in Zeiten von Digitalisierung  und Roboterisierung. Das sollte einmal ernsthaft durchgedacht werden. Das Modell kostet für Österreich vier Prozent vom BIP und ist damit in einer theoretisch machbaren Größenordnung.
Wieviele Arbeitsplätze werden verloren gehen? Studien sprechen von bis zu 50 Prozent.
Das weiß niemand. Fix ist, es gehen ganz sicher Arbeitsplätze verloren, weil das ist ja der Sinn der Automatisierung. Die neuen Jobs, die das halbwegs ausgleichen, können nur in der personenbezogenen Dienstleistung entstehen.

Müssen wir also alle zu Computer-Experten werden?
Nein, wir sind die Anwender  und müssen den Umgang mit den digitalen Möglichkeiten lernen wie früher Geschichte und Geografie. Und wir brauchen Vermittler zwischen den gigantischen  technischen Möglichkeiten und der tatsächlichen Nutzung im Alltag. Dort entstehen viele Berufe, die die Probleme anderer Menschen lösen. Dieses Feld reicht vom Kindergarten bis zur Pflege im hohen Alter. Es gibt umgekehrt keine Branche, keinen Beruf, der von der Automatisierung nicht betroffen ist – auch Lehrer, Ärzte, Anwälte, Journalisten. Vor allem die hochqualifizierten Jobs sind das. Der Tellerwäscher wurde ja bereits durch den Geschirrspüler ersetzt.

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