Frans Timmermans will Europas Sozialdemokraten retten

Der 57-jährige Vize-Präsident der EU-Kommission will sozialdemokratischer Spitzenkandidat für die EU-Wahl 2019 werden. Sein Ziel ist, Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zu beerben.
Frans Timmermans, rechte Hand von Jean-Claude Juncker in der EU-Kommission, kandidiert für die EU-Wahl. Ein Kurzporträt.

Der EU-Wahlkampf 2019 wird spannend wie nie zuvor: Dafür sorgt zum einen die  sich zuspitzende  politische Polarisierung zwischen Europa-Befürwortern und Europa-Gegnern in den  Mitgliedsländern, zum anderen die Spitzenkandidaten, die für die großen Parteienfamilien antreten. Mittwochabend hat der niederländische Erste Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, angekündigt, für Europas Sozialdemokraten ins Rennen zu gehen mit dem Ziel, Jean-Claude Juncker zu beerben.

In seinem Lieblingscafé in der Heimatstadt Heerlen hat der 57-Jährige – umgeben von Parteifreunden der niederländischen Arbeiterpartei –  bekannt  gegeben, warum er bei der EU-Wahl im Mai 2016 antreten will: „Ich möchte meinen Kindern sagen können, dass ich mein Bestes für Europa gebe. Wir erzählen immer, wie wichtig Europa ist, aber wo stehen wir, wenn es darauf ankommt?  Wir müssen die Herausforderung annehmen, es  geht um die Zukunft Europas.“

Vielsprachiger Diplomat

Frans Timmermans ist eine schillernde Persönlichkeit, ein politischer Vollprofi, der mit Inhalt, Witz, brillanter Rhetorik und enormen Fremdensprachenkenntnissen die Menschen für sich einnehmen kann. Der Vater von vier Kindern spricht neben seiner Muttersprache Niederländisch, perfekt Deutsch, Französisch, Englisch, Russisch, Italienisch und Spanisch. Er entstammt einer römisch-katholischen Diplomaten-Familie, seine Großväter waren Bergleute, die sich in der Arbeiterpartei und in der Gewerkschaft engagiert hatten. Der Vater war als Diplomat unter anderem in Moskau und Wien eingesetzt. Als Kind verbrachte Frans Timmermans einige Zeit in Österreich. Er sei überrascht, wie sehr sich die Donaumetropole seither verändert hat, erzählt er bei Wien-Besuchen gerne gegenüber Journalisten. Von einer etwas düsteren Stadt habe sich Wien in eine kulturell vielfältige, weltoffene und architektonisch interessante City entwickelt. Er verbrachte mit seinen Eltern auch einige Jahre in Paris, Brüssel und Rom.

Vor seinem Spitzenjob in der  EU-Kommission, war der studierte Karrierediplomat von 2012 bis 2014 Außenminister der Niederlande und davor Europa-Staatssekretär. In der Vergangenheit hat er auch führende niederländische Politiker beraten.

Kämpfer gegen Antisemitismus

In der EU-Kommission ist er für Rechtsstaatlichkeit, Grundrechte, die Beziehungen zwischen den EU-Institutionen und auch für die Entbürokratisierung bzw. Entrümpelung von EU-Richtlinien zuständig. Timmermans gilt als rechte Hand Junckers, derzeit  verhandelt er mit Verve das Rechtsstaatsverfahren mit Polen. Grundrechte, Minderheitenschutz und der Kampf gegen Antisemitismus und Rassismus sind ihm seit jeher ein großes Anliegen.  

Nach der EU-Wahl will Timmermans sein „Vize“ ablegen und Präsident der EU-Kommission werden. Das  kann ihm aber nur gelingen, wenn Europas Sozialdemokraten bei der Wahl sehr gut abschneiden und Timmermans im EU-Parlament auch gewählt wird.

Mit der Spitzenkandidatur Timmermans sind die Chancen der Sozialdemokraten jedenfalls gestiegen, er hat bereits die Unterstützung der SPD und etlicher anderer sozialdemokratischer Parteien. Offiziell soll Timmermans beim SPE-Kongress am 7. und 8. Dezember in Lissabon gekürt werden. Sein politischer Gegenspieler von der Europäischen Volkspartei (EVP) ist der CSU-Politiker Manfred Weber, der aktuell Fraktionschef im EU-Parlament ist. Die EVP wählt ihren Spitzenkandidaten bei ihrem Parteikongress Anfang November in Helsinki.

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