FPÖ-Historiker: "Aus Geschichte lernen zu wollen, ist Fantasie"
Wird das eine Farce – oder der ehrliche Versuch, Licht in die dunklen Flecken der FPÖ und ihre Geschichte zu bringen?
Die blaue Historikerkommission hat ihre Arbeit jedenfalls bereits begonnen, sagt FPÖ-Mann Andreas Mölzer. Doch schon der Start des Projekts scheint fragwürdig: Bisher ist nur bekannt, dass Wilhelm Brauneder, der 75-jährige, ehemalige Dritte Nationalratspräsident, Chef dieser Historikerkommission sein soll: Es gibt aber weder einen konkreten Zeitplan, noch wird bekanntgegeben, welche Experten fernab der Freiheitlichen dabei sein sollen. Das Projekt soll zudem nicht transparent sein oder gar öffentlich geführt werden. Gearbeitet werde „diskret“ – hinter verschlossenen Türen, hatte Mölzer erklärt.
Das verschreckt Experten jetzt schon: „Die derzeitige Vorgehensweise der FPÖ entspricht sicherlich nicht dem wissenschaftlichen code of conduct (Verhaltenskodex, Anm.) “, findet Oliver Rathkolb, Historiker der Uni Wien. Er wundert sich auch, warum bisher kein Experte eingeladen wurde.
Definition gesucht
Sein Kollege Gerhard Baumgartner, wissenschaftlicher Leiter des Dokumentationsarchivs, gibt zu bedenken, dass die FPÖ ohnehin umfassend beforscht wurde: „Was die FPÖ eigentlich braucht, ist eine klare Definition einer roten Linie innerhalb der Partei, wo für jedes Parteimitglied ersichtlich ist: Bis hierher und nicht weiter kann man sich positionieren, insbesondere bei der Kooperation mit Rechtsextremen oder in Sachen Wiederbetätigung.“
Die Freiheitlichen stehen seit Regierungseintritt ohnehin unter scharfer Beobachtung – auch vom Koalitionspartner ÖVP. „Die Schmerzgrenze ist an manchen Stellen überschritten worden“, warnte der Vorarlberger ÖVP-Landeschef Markus Wallner nach den letzten antisemitischen Vorfällen. Auch Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer betont: „Der FPÖ-Teil der Koalition steht unter strengster Beobachtung.“
"Jeder soll seine Schlüsse ziehen können"
In der FPÖ sehen die für die Historikerkommission Verantwortlichen die Sache deutlich entspannter. Im Gespräch mit dem KURIER erklärt Kommissionschef Brauneder, wie er vorgehen will: Zuerst sollen einige Sachkapitel definiert werden, die er beforschen lassen will: „Etwa Demokratie, Parlamentarismus, Österreich-Bewusstsein, Rechtsstaat, Nationalismus, Zivilgesellschaft, Verbände – da würden auch die Burschenschaften reinfallen.“ Ganz genau wolle er das noch nicht definieren, die Diskussion sei am Laufen.
Grundsätzlich gehe es dann um die Position, die Freiheitliche und das Dritte Lager zu diesen Themen im Laufe der Geschichte hatten, und wie die Partei heute dazu stehe. Und dann? „Rauskommen sollen Darstellungen, aus denen jeder seine Schlüsse ziehen kann,“ sagt Brauneder.
"Gewisse Einsicht" durch Geschichte
Damit die heutige FPÖ daraus etwas lernen und sich danach richten kann? Brauneder: „Wir dürfen nicht naiv sein. Aus der Geschichte lernen zu wollen, ist ja eine Fantasie. Es kann schon eine gewisse Einsicht geben, wie wir uns positioniert haben und wie wir das heute sehen.“
Soll am Ende eine rote Linie klar ersichtlich werden, an der sich FPÖ-Funktionäre orientieren können? „Ja, das hoffe ich“, sagt Brauneder, „auch wenn die Linie nicht unbedingt eine Gerade sein wird. Eher eine Zick-Zack-Linie.“
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