FPÖ-Mandatarin Kolm über Hayeks "Anmaßung von Wissen", Bitcoins und Prognosen
Vor 50 Jahren gewinnt der Österreicher August Friedrich von Hayek den Wirtschaftsnobelpreis. FPÖ-Mandatarin Kolm über das gleichnamige Institut und Hayeks Theorie im Praxistest.
Am 11.Dezember 1974 erhalten Friedrich Augustvon Hayek(geboren1889 in Wien/gestorben 1992 in Freiburg im Breisgau) und Gunnar Mydral (geboren 1898 in Gustafs/gestorben 1987 Stockholm) den Wirtschaftsnobelpreis für ihre Arbeit im Bereich der Geld- und Konjunkturtheorie, ihre Analyse der wechselseitigen Abhängigkeit von wirtschaftlichen, sozialen und institutionellen Phänomenen. Hayek hält seine heute noch bekannte Rede über "die Anmaßung von Wissen".
Anlässlich des 50. Jahrestages der Rede erklärt Barbara Kolm, die dem Hayek-Institut in Wien vorsteht, in einem schriftlichen Interview mit dem KURIER, warum der Staat aktuell Schulden machen muss und was unter der Prämisse des freien Marktes während der Pandemie womöglich besser funktioniert hätte. Zudem legt die FPÖ-Mandatarin und ehemalige Vizepräsidentin des Generalrats der Oesterreichischen Nationalbank dar, was Kryptowährungen mit Hayeks-Theorie zu tun haben.
KURIER: Hat das offizielle Österreich je auf seinen einzigen Wirtschaftsnobelpreisträger Hayek gehört? Wenn ja, wann?
Barbara Kolm: In seiner Nobelpreisrede nahm Hayek auf "die Anmaßung von Wissen“ Bezug. Damit erklärt er, dass ökonomische Planung durch politische oder staatliche Akteure nie zu den wohlstandsstiftenden Ergebnissen führen kann, wie es Individuen können. Als Verfechter der Marktwirtschaft äußerte er sich skeptisch gegenüber staatlichen Eingriffen. Er betonte die Effizienz des freien Marktes und die Gefahren zentraler Planung. Seine Ideen fanden in der österreichischen Politik nur sporadisch und indirekt Anwendung, vor allem in Zeiten von Liberalisierungen und in Zeiten stärkerer Betonung von fiskalischer Disziplin und Budgetkonsolidierung.
Österreich ist stark von der Sozialpartnerschaft geprägt. Dies birgt die Gefahr, sich ausschließlich auf einen übergroßen Wohlfahrtsstaat und ein Kollektiv zu verlassen. So kann der Weg zur Knechtschaft beginnen, vor dem Hayek warnte. Er steht im Gegensatz dazu für Eigenverantwortung und methodologischem Individualismus. Ein aktuelles Beispiel dafür ist die sogenannte Klimaschutzpolitik, welche die EU mit dem European Green Deal zum Schaden des europäischen Arbeits- und Wirtschaftsstandortes verfolgt. Diese sieht massive Eingriffe in die unternehmerische Freiheit, in die Preisgestaltung, wie sich angesichts der hohen Energiekosten zeigt, vor und führt dazu, dass unsere Wettbewerbsfähigkeit gegenüber anderen Staaten oder Kontinenten ausgehöhlt wird.
Die Zeit der Pandemie war gekennzeichnet von Markteingriffen. Wären wir retrospektiv besser durch die Krise gekommen, hätten womöglich ein geringeres Defizit, hätten die Gesetzmäßigkeiten des freien Marktes geherrscht?
Ein Vergleich mit dem Vorgehen anderer Staaten, die auf weniger Direktiven, mehr individuelle Freiheit und Eigenverantwortung setzten, um die natürlichen Mechanismen des Marktes wirken zu lassen, ist notwendig – etwa in der Schweiz und in Schweden ist kein massiver Anstieg der Inflation und der Staatsschuldenzu bemerken, in beiden Ländern gab es auch nicht so viele und so lange Lockdowns wie in Österreich. Ein Vergleich der Ausgaben für das Gesundheitswesen in Prozent des BIP zeigt, dass Schweden im selben Zeitraum zwischen 1,7 % und 2,2 % weniger ausgegeben hat als Österreich. Es ist zu beobachten, dass überbordende staatliche Eingriffe notwendige Anpassungen verhindern. Dadurch sinkt die Produktivität und die Inflation steigt an.
Welche Maßnahme der türkis-grünen Regierung war Ihres Erachtens die wirtschaftlich schädlichste, welche die beste?
Die schädlichste Maßnahme ist die übermäßige Verschuldung durch Milliardenausgaben, die weder im Interesse der österreichischen Bevölkerung noch unserer Wirtschaft sind. Beispielsweise die Zahlungen an die Ukraine, die auch unserer Neutralität widersprechen, Sanktionen gegen Russland, Entwicklungshilfe und die Gesamtkosten in Milliardenhöhe durch die illegale Masseneinwanderung unter dem Deckmantel "Asyl“. Dazu kommen noch haushaltsbelastende - auch umweltpolitische - Staatseingriffe, die falsche Anreize gesetzt haben. Eine längst überfällige Maßnahme, für die einzig die FPÖ schon seit Jahrzehnten eingetreten ist, war die Bereitschaft, das Thema der kalten Progression tatsächlich anzugehen, wobei schade ist, dass man nicht konsequent war und sowohl das Jahressechstel als auch ein Drittel weiter unter Verteilungsvorbehalt gestellt hat.
Gibt es den freien Markt überhaupt?
Freie Märkte entstehen als spontane Ordnung überall dort, wo sie nicht mittels politischer Gewalt verhindert oder eingeschränkt werden. Sie bilden sich und funktionieren selbst dann, wenn sie verboten werden, wie Schwarzmärkte im Realsozialismus gezeigt haben. Für Hayek ist der freie Markt der Idealtypus und ein unerreichbares Ideal, aber gleichzeitig ein unverzichtbares Leitbild für die Gestaltung von Wirtschaft und Gesellschaft. Der Markt findet durch die dezentrale Entscheidungsfindung der Individuen effizientere Lösungen als durch zentralisierte Planung. Hayek sah es als gesellschaftliche Notwendigkeit an, jenen, die sich nicht selbst helfen können, zu helfen. Aufgabe der Politik ist es, Rahmenbedingungen zu schaffen, die Unternehmen möglichst große Freiheit bei ihren Entscheidungen lassen und soziale Sicherheit gewährleisten. Hayek strich besonders die Rolle eines funktionierenden Rechtsstaates hervor, der schlank und effizient dem Bürger dient.
Ihr FPÖ-Kollege im Nationalrat, Arnold Schiefer, spricht sich in einem aktuellen Trend-Interview für ein wenig Austro-Keynesianismus aus. Wie passen Keynes‘ Markteingriffe mit Hayeks freiem Markt-Gedanken im FPÖ-Wirtschaftsprogramm zusammen?
Aktuell muss der Staat aufgrund undifferenzierter verfehlter Schuldenpolitik weitere Schulden aufnehmen, um ein Budget zu erstellen. Keynes und Hayek sind aus wissenschaftlicher Sicht eher Antipoden. Um die Brücke zu schlagen, gilt es, sich auf den entscheidenden Aspekt des Keynesianismus zu besinnen, der weniger gerne zitiert wird als das Defizit-spending: Nämlich hat Keynes als klarer Denker unmissverständlich darauf hingewiesen, dass Staatschulden auch zurückgezahlt werden müssen. Das wiederum setzt eine strenge Ausgabendisziplin und eine rationale und pragmatische angebotsorientierte Wirtschaftspolitik gemäß FPÖ-Wahlprogramm voraus. Dieses geht vom Prinzip individueller Freiheit aus, und das erfordert größtmögliches Heraushalten der Staatsgewalt aus Privatleben und Marktwirtschaft.
Die Wirtschaftsforschungsinstitute stehen ob Ihrer stets revidierten Prognosen in der Kritik. Muss der Staat aus Ihrer Sicht mittel- wie langfristig andere Instrumentarien zur Budgeterstellung heranziehen?
Prognosen basieren auf jenen Daten und Annahmen, zu denen die Institute Zugang haben. Und genau hier sind wir wieder bei Hayeks Nobelpreis-Rede und der von ihm kritisierten Anmaßung von Wissen: Wir verfügen nicht über vollständige Information. Unsere Wirtschaft ist ein hochkomplexes System, beeinflusst durch politische Entscheidungen, Stimmungen, technologische Entwicklungen und irrationalem Verhalten von Akteuren. Globale Ereignisse und Entwicklungen spielen dabei eine Rolle – es liegt aber an den politischen Verantwortungsträgern, deren negativen Einfluss für das eigene Land möglichst gering zu halten.
Eine kritische Auseinandersetzung mit der österreichischen Schule über die Möglichkeiten und Grenzen von Prognosen wäre hilfreich. Politische Entscheidungsträger haben auch die Freiheit einen vorhandenen Budget-Spielraum nicht voll auszureizen. Sie können regelmäßig Budgetüberschüsse einplanen, um bei sich verschlechternden Prognosen noch einen Handlungsspielraum zu bewahren, wie es beispielsweise unter freiheitlicher Regierungsbeteiligung gemacht wurde.
Hayek argumentierte in seinem Werk "Denationalisation of Money“ für die Abschaffung des staatlichen Geldmonopols und die Einführung eines Wettbewerbs zwischen verschiedenen Währungen. Bitcoin und andere Kryptowährungen stellen private Alternativen zum staatlich kontrollierten Fiat-Geld dar. Ihr Erfolg zeigt, dass viele Menschen nach Alternativen suchen. Sie sind bereit, ein hohes Risiko und Volatilitäten in Kauf zu nehmen. Für viele liegt der Charme von Bitcoin, trotz aller Schwächen, in einer dezentralen und scheinbar inflationsresistenten Alternative, die derzeit unabhängig von staatlicher Kontrolle funktioniert. Unser staatliches Geldsystem basiert auf Vertrauen, das es zu erhalten gilt, das aber in den letzten Jahren durch falsche politische Entscheidungen bei vielen Menschen gelitten hat.
Wer forscht derzeit am Friedrich August von Hayek Institut zu welchen Themenfeldern?
Unser Team setzt Schwerpunkte bei marktbasiertem Umweltschutz, Fiskal- und Geldpolitik sowie zielgerichteter Standortpolitik. Dazu gehören systemische Ansätze der Steuerpolitik, Entbürokratisierung- und Deregulierung sowie effizienzgetriebene Wertschöpfung. Darüber hinaus forschen wir im Bereich neuer Technologien (Kryptoökonomie, Künstliche Intelligenz), methodologischen Herausforderungen und menschlicher Intelligenz als Garant für Freiheit in einem von künstlicher Intelligenz determiniertem Umfeld.
Kommentare