Mitterlehner sieht "kulturelle Statik" des Landes in Gefahr

ÖVP-Chef Vizekanzler Mitterlehner
Vizekanzler geht auf noch klarere Distanz zur SPÖ und spottet über das rote "Ringelspiel".

Er bewegt sich auf dünnem Eis, Reinhold Mitterlehner weiß das, er sagt es sogar laut. Aber vor seinen Parlamentsabgeordneten will sich der Vizekanzler jetzt nicht zurückhalten: "Wenn die Union nicht anfängt, endlich Grenzen zu setzen, dann wird sie bald selbst an ihre Grenzen kommen."

Hat der Chef der deklarierten EU-Partei gerade laut über das schrittweise Ende der Union nachgedacht? Wohl nicht über das Ende. Aber sicher über Zustände, die dem irgendwie nahe kommen.

Seit Donnerstag tagen in Bad Leonfelden die Abgeordneten des ÖVP-Klubs. Es ist Mitterlehners enge Heimat, hier lebt er, hier tarockiert er wochenends im Gasthaus des Schwagers. Und ausgerechnet hier, wo bis vor eineinhalb Jahrzehnten noch der Eiserne Vorhang Länder und Menschen trennte, spricht die Volkspartei über neue Grenzen. Darf man das?

Wir wollen nicht, aber wir müssen – so sieht Reinhold Mitterlehner die Sache.

Während der Wind vor dem Fenster Schneeflocken übers Land treibt, spricht der ÖVP-Chef – wieder – über das Thema, das den Wahlkampf um die Hofburg dominieren soll: die Flüchtlingskrise.

Natürlich erwähnt der Wirtschaftsminister in seiner knapp 40-minütigen Rede die jüngsten Errungenschaften: Er erinnert an die Steuerreform und an die Konjunktur, die 2016 mit doppelter Kraft anspringen soll.

Wirklich hängen bleiben an diesem Vormittag aber andere Botschaften. Sätze wie: "Ein Staat, der seine Rechte nicht durchsetzen kann, zerfällt." Oder "Wir haben große Mühe zu integrieren, die kulturelle Statik des Landes ist in Gefahr."

Verschärfung

"Wir schaffen das nicht mehr", ist die zwischen den Zeilen stets mitschwingende Kunde, die aus Bad Leonfelden hinausgehen soll.

Ein Richtungswechsel? Ja, das ist er wohl. "Mein erster Ansatz war auch: Wir müssen helfen", sagt Mitterlehner. Aber das sieht er heute anders, ganz anders.

Angesichts der "dramatischen" Zuspitzung der Lage und dem Nicht-Handeln Europas sei man gezwungen, die "Normative Kraft des Faktischen" anzuerkennen und zu sagen: Viel mehr Flüchtlinge vertragen wir einfach nicht mehr.

Mitterlehners Rede ist über weite Strecken ernst und so gesehen schwer – zumal auch bei seinen Forderungen, das Pensionssystem und die Mindestsicherung zu reformieren, immer durchscheint, dass letztlich die Flüchtlingskrise die "Systeme" an den Rand des Zusammenbruchs treibt.

Aber am Ende will es sich der Vizekanzler nicht nehmen lassen, leichter, schnippischer zu werden – zumal auf Kosten der SPÖ. Und so kommentiert er den durch die Hundstorfer-Kandidatur nötig gewordenen Umbau im roten Team so: "Schön ist so ein Ringelspiel, das dreht sich schnell und kost’ nicht viel." Wobei man sich angesichts der dritten Ressort-Übernahme eines Alois Stöger schon fragen müsse, welches Ressort der Rote nach dem Sozialen übernimmt. Mitterlehners Antwort: "Ich glaub’ Bundeskanzler."

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