"Durchwinken": Heftiger Streit mit Berlin
Der deutsche Innenminister Thomas de Maiziere (CDU) hat Österreich mit Konsequenzen gedroht, wenn es weiter Flüchtlinge nach Deutschland durchwinkt. "Wenn andere glauben, zusätzlich Lasten auf Deutschland abzuladen, werden wir das auf Dauer nicht hinnehmen", sagte de Maiziere am Sonntag dem ARD-"Bericht aus Berlin".
Österreich hat eine Obergrenze von 80 Asylanträgen pro Tag eingeführt. Gleichzeitig sollen bis zu 3200 Flüchtlinge täglich nach Deutschland durchgeschleust werden können. Dies sei "das falsche Signal", sagte de Maiziere. Die Zahl sei "viel zu hoch". Er fügte hinzu: "Wir akzeptieren das nicht und deswegen ist darüber zu reden." Dies werde am Donnerstag im Rat der EU-Innenminister geschehen.
Mikl-Leitner kritisiert unterschiedliche Signale Berlins
Innenministerin Johanna Mikl-Leitner wies die neuerliche Kritik ihres deutschen Amtskollegen zurück. Gegenüber der APA beklagte sie, Deutschland sende völlig unterschiedliche Signale aus. Konkret betonte die Ministerin, dass Berlin nicht den Griechen eine weitere Politik der offenen Grenzen zusichern, aber gleichzeitig von Österreich verlangen könne, alle die nach Deutschland wollen, zu stoppen. Es müsse klar gesagt werden: "Das Durchwinken beginnt in Griechenland." Sollte Deutschland wünschen, dass Österreich weniger als die derzeit festgelegten 3.200 Flüchtlinge ins Nachbarland durchlässt, dann möge man das sagen, erklärte Mikl-Leitner Montagvormittag am Rande eines Symposiums im Innenministerium. Österreich sei dann "gerne gesprächsbereit".
Grundsätzlich gelte aber, dass Deutschland sich entscheiden müsse. Den Spagat, Griechenland offene Grenzen zuzusichern und selbst weniger Flüchtlinge aufnehmen zu wollen, gebe es einfach nicht. Dass Österreich selbst das Tageslimit von 80 Asyl-Anträgen an der Südgrenze aufstocken könnte, schloss Mikl-Leitner aus: "Das ist nicht denkbar." Vielmehr werde es notwendig werden, weitere Schritte zu setzen und die Grenze noch einmal zu reduzieren, betonte die Innneministerin, angesichts der jährlichen Obergrenze von 37.500 Anträgen.
Was an der EU-Außengrenze verabsäumt werde, könnten die Länder entlang der Balkanroute nicht auf Knopfdruck stoppen. Sie gebe de Maiziere, den sie als "guten und wichtigen Partner" bezeichnete, jedenfalls in der Beziehung recht, dass die Außengrenze geschützt werden müssen: "Da muss endlich mehr passieren."
Druck auch auf andere
De Maiziere erhöht im Flüchtlingsstreit auch den Druck auf die anderen EU-Länder. Für europäische Maßnahmen gegen die Flüchtlingskrise blieben nur 14 Tage Zeit, sagte er in "Bericht aus Berlin". Die nächsten zwei Wochen seien entscheidend.
Alle Länder seien sich einig, der Außengrenzenschutz mit der Türkei habe Priorität. Das bedeute Frontex-Einsatz, NATO-Einsatz und das heiße auch, dass Flüchtlinge in die Türkei zurückgeschickt würden. In den kommenden beiden Wochen müsse sich erweisen, wie wirksam das sei. Dann seien andere Maßnahmen entbehrlich. Andernfalls müsse man über andere "europäische Maßnahmen" nachdenken. "Gegebenenfalls muss dann der Schutz für den Schengenraum an einer anderen Grenze durchgeführt werden", so de Maiziere.
Das könnte bald nötig werden, glaubt man Berichten aus Athen: Die türkische Vertretung bestreite einen Punkt in Vereinbarungen zwischen der EU, der NATO und Ankara, wonach von NATO-Schiffen gerettete Bootsflüchtlinge in die Türkei zurückgebracht werden sollen, berichtete die Zeitung "Ta Nea". Zudem gebe es Probleme mit dem Einsatz der NATO-Schiffe in Regionen der Ägäis, die nach Ansicht der Türkei entmilitarisiert sein müssen.
Die CSU fordert die Festlegung einer Obergrenze für die Flüchtlingsaufnahme auch dann, wenn die von der deutschen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) favorisierten Verhandlungen mit der Türkei Erfolg haben sollten. "Allein diese internationalen Maßnahmen werden voraussichtlich nicht reichen", sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann am Sonntagabend in der ZDF-Sendung "Berlin direkt".
"Deshalb müssen wir in Deutschland jetzt handeln", sagte er. Es sei zwar gut, wenn der Flüchtlingszug über die Türkei und den Balkan reduziert werde. In Nordafrika warteten aber bereits weitere Menschen auf eine Chance, nach Europa zu kommen, erklärte er. "Wir müssen sofort damit rechnen, dass dann andere Wege wieder genutzt werden. Und darum werden wir nicht umhinkommen zu definieren: Wieviele kann Deutschland eigentlich verkraften, pro Jahr aufzunehmen."
Grenze bei 200. 000 Menschen
CSU-Chef Horst Seehofer sieht die Grenze bei 200. 000 Menschen. Sein Generalsekretär Andreas Scheuer bekräftigte in der "Passauer Neuen Presse" (Montag) die Forderung seines Chefs nach einem raschen Treffen der drei Parteivorsitzenden der Koalition.
Zu den von Merkel favorisierten europäischen Maßnahmen - Frontex-und NATO-Einsatz sowie Zurückweisung von Flüchtlingen in die Türkei - sagte Innenminister Thomas de Maiziere (CDU): "In den nächsten zwei Wochen wird sich erweisen, wie wirksam das ist." Wenn nicht, sei über andere Maßnahmen zu befinden, erklärte er in der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin". "Gegebenenfalls muss dann der Schutz für den Schengenraum an einer anderen Grenze durchgeführt werden." Der Schengenraum umfasst jene europäischen Staaten, zwischen denen es im Normalfall keine Grenzkontrollen gibt.
Nach einem zeitweisen Rückgang waren die Flüchtlingszahlen in Griechenland zuletzt wieder stark gestiegen. Mazedonien schließt nach griechischen Angaben immer mal wieder vorübergehend die Grenze. Und Serbien lässt seit Samstagabend keine afghanischen Flüchtlinge mehr aus Mazedonien passieren, wie griechische Medien berichteten. Bis Sonntag sei die Zahl der an der mazedonisch-serbischen Grenze wartenden Afghanen deshalb auf 700 gestiegen. Am Mittwoch wollen die Innen- und Außenminister der Westbalkanstaaten und Österreichs in Wien über die Lage beraten.
Kampagne in Afghanistan
Das deutsche Auswärtige Amt wirbt nach Bild-Informationen seit Sonntag in Afghanistan mit einer neuen Kampagne dafür, nicht nach Deutschland zu kommen. In Fernseh-, Radio- und Internet-Spots berichten bekannte Afghanen darüber, warum sie sich entschieden haben, im Land zu bleiben, berichtet die Zeitung
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