"Nutznießer der Politik Ungarns"
Das Ziel steht fest: Der Flüchtlingsgipfel von Wien am kommenden Samstag wird politisch das Ende der Willkommenskultur besiegeln.
Das Diktum der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel "Wir schaffen das" wird durch den Satz "Wir schaffen es nicht mehr" aufgehoben werden.
Die Initiative zu diesem Treffen geht von Bundeskanzler Christian Kern aus. Er hat zehn Regierungschefs dazu eingeladen (Deutschland, Griechenland, Slowenien, Kroatien, Serbien, Albanien, Ungarn, Bulgarien, Rumänien, Mazedonien) sowie Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Wegen der politischen Brisanz will auch Ratspräsident Donald Tusk unbedingt teilnehmen. "Das Interesse an dem Gipfel ist sehr groß", betont Kern.
Im Februar gab es bereits ein Zusammenkunft der Balkan-Staaten (ohne Griechenland) in Wien. Damals verkündete Außenminister Sebastian Kurz das Ende der Balkanroute. Trotzdem strömen immer noch Tausende Flüchtlinge aus Griechenland nach Mitteleuropa.
Nahmen bis Ende August 2015 rund 650.000 Flüchtlinge diesen Weg in die EU, waren es im gleichen Zeitraum dieses Jahres immer noch 120.000 Personen. Und diese Zahl ist nach wie vor viel zu hoch für Kern. Er will, dass das Wiener Treffen dazu beiträgt, den Balkan mit einer koordinierten Strategie für illegale Einwanderer dichtzumachen. "Es gibt zu viele Einzelmaßnahmen und zu wenige Gemeinsames", bemerkt der Kanzler.
Obergrenze erklären
Seine zweite Absicht ist, die teilnehmenden Regierungschefs der Nachbarländer plus die EU-Spitzen im Detail über die österreichischen Maßnahmen in der Asylpolitik zu informieren. Er will ihnen die Obergrenze für Asylwerber, 37.500 in diesem Jahr, erklären sowie die dazu gehörende Notverordnung, die mit der ÖVP vereinbart ist, näherbringen. "Ich will um Verständnis dafür werben, weil wir für die Umsetzung auch die Nachbarn brauchen", skizziert Kern gegenüber dem KURIER.
Die engere Kooperation mit den Balkanländern soll als eine Art Schutzschild dienen, denn keiner weiß, ob der Flüchtlingsdeal mit der Türkei hält. "Wir dürfen uns nicht erpressbar machen, daher müssen wir für alle Eventualitäten gewappnet sein."
Kurzum: Die Zusammenarbeit in Ost- und Südosteuropa muss beim EU-Außengrenzschutz noch enger werden. Beispiele gibt es ja schon: Kern nennt die Verstärkung der Kontrollen an der serbisch-ungarischen Grenze durch österreichische Sicherheitskräfte. 20 Polizisten sind bereits im Einsatz, ab Oktober könnten bis zu 125 Soldaten dazukommen. Diesen Beitrag zu einem gemeinsamen Grenzmanagement kündigte Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil an.
So sehr der meterhohe ungarische Grenzzaun und das Vorgehen der Regierung Orbán von Menschenrechtsorganisationen kritisiert werden, eines steht für Bundeskanzler Kern fest: "Man muss schon sehen, dass wir Nutznießer der ungarischen Politik sind." Es kommen weniger Flüchtlinge nach Österreich, und die Streifen der Ungarn an der burgenländischen Grenze werden auch verstärkt.
Einsätze am Balkan
Für den Kanzler ist vorstellbar, dass heimische Polizei- und Bundesheer-Angehörige – ähnlich dem Modell Ungarn – auch in anderen Balkanländern eingesetzt werden.
Raschere Abschiebungen von illegalen Flüchtlingen in Drittstaaten oder in ihre Herkunftsländer sollen in Wien ebenso angepackt werden, wie konkrete Hilfen für Griechenland. Dabei wird sich Ministerpräsident Alexis Tsipras auch einige kritische Fragen von seinen Amtskollegen gefallen lassen müssen: Warum schickt Griechenland nicht rascher syrische Flüchtlinge in die Türkei zurück, wie es das EU-Abkommen vorsieht? Und warum dauern Asylverfahren so lange in Griechenland?
Im außenpolitische Engagement Kerns, die Balkan-Konferenz gleich nach Bratislava und der UN-Generalversammlung zu organisieren, sieht ein Diplomat das Bestreben, ein internationales Netzwerk aufzubauen. Für politische Beobachter ist es ein Wettbewerb mit Kurz. Und bei den Wählern will Kern mit einer strengen Flüchtlings- und Asylpolitik punkten. "Ich will nicht ewig über Lösungen reden, sondern Ergebnisse sehen", sagt Kern.
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