Flüchtlingsumverteilung: Juncker erteilt Kern Absage
[Update: 17:02 - Reaktion von Außenminister Sebastian Kurz]
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker erteilt Österreichs Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) in Sachen EU-Flüchtlingsumverteilung ein Absage. Kern hatte die EU-Kommission vor einer Woche in einem Schreiben an Juncker um die Ausnahme Österreichs vom Relocation-Programm ersucht. Juncker stellte nun in einem Brief an Kern klar, dass Österreich seinen Verpflichtungen nachkommen müsse. Das Bundeskanzleramt sieht in einer ersten Reaktion noch "Spielraum" bei Zahl und Zeitraum der Verpflichtungen. Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) will das "Relocation"-Programm in Österreich nun starten.
"Gesetzlich verpflichtet"
"Österreich ist gesetzlich zur Umverteilung verpflichtet, und ich erwarte persönlich von Österreich dass es dieser Verpflichtung nachkommt", schrieb Juncker in dem Brief an den Bundeskanzler. Im Rahmen des Programms hatte sich Österreich 2015 verpflichtet rund 1.900 Flüchtlinge aus Italien und Griechenland zu übernehmen. Wegen des hohen Flüchtlingszustroms in Österreich selbst hatte man aber eine Ausnahme bis März 2017 erwirkt.
Es sei ihm bewusst, dass Österreich in den letzten beiden Jahren "einer der wichtigsten Vertreter und Unterstützer für eine umfassende europäische Migrationspolitik war", die Situation zu den Jahren 2015 und 2016 habe sich aber erheblich verändert, erklärt Juncker in seinem Antwortschreiben an den Bundeskanzler. Eine europäische Grenz- und Küstenwache wurde aufgebaut, die Hotspots in Italien und Griechenland seien voll funktionsfähig, die Anzahl der Asylanträge in Österreich sei zurückgegangen.
Italien und Griechenland stünden aber nach wie vor unter Druck und bräuchten die zugesagte Entlastung. "Umverteilung ist ein Ausdruck von Solidarität und gerechter Aufteilung der Verantwortung. Dafür ist das aktive Mitwirken aller Mitgliedstaaten erforderlich. Uns steht nur noch wenig Zeit zur Verfügung. Es wäre kein gutes Zeichen, wenn es uns gemeinsam nicht gelänge, alle derzeit in Italien und Griechenland in Betracht kommenden Personen bis September 2017 zu verteilen."
Die aktuelle Lage in Österreich kann laut Juncker nicht als "plötzlicher Zustrom" von Drittstaatsangehörigen charakterisiert werden, der eine weitere Aussetzung aus den Ratsbeschlüssen rechtfertigen würde. "Ich vertraue daher darauf, dass Österreich seinen rechtlichen Verpflichtungen nachkommen wird und mit der Umverteilung sowohl aus Italien als auch aus Griechenland beginnt", schreibt der Kommissionspräsident an den Bundeskanzler.
1.900 Flüchtlinge bis September
Österreich muss damit im Rahmen des Relocation-Programms bis September rund 1.900 Flüchtlinge aus Italien und Griechenland übernehmen. Die EU-Kommission steht laut Juncker dabei für Gespräche bereit, "um zu erörtern, wie wir die österreichischen Behörden dabei unterstützen können, ihren rechtlichen Verpflichtungen schrittweise nachzukommen".
Sobotka will Relocation-Programm starten
Innenminister Sobotka will das Programm nun starten. Es bestehe eine europarechtliche Vereinbarung dazu, erklärte Sobotkas Sprecher am Mittwoch zu Junckers Antwortbrief. Das Innenministerium teilt die Ansicht der EU-Kommission.
"Wir sind rechtlich verpflichtet, das umzusetzen und werden den Prozess jetzt starten", sagt der Sprecher. Wann genau das Programm nun gestartet wird und mit wie vielen Personen, ist noch offen.
Kanzleramt sieht noch "Spielraum" bei Flüchtlingszahl
Kern selbst sieht den Brief von Juncker als gute Basis für weitere Gespräche beim EU-Flüchtlingsumverteilungsprogramm. Dass Österreich seinen Verpflichtungen grundsätzlich nachkommen müsse, sei aus rechtlicher Sicht nachvollziehbar, zugleich signalisiere Juncker in seinem Brief aber auch Entgegenkommen, hieß es aus dem Bundeskanzleramt.
So sieht das Bundeskanzleramt etwa noch "Spielraum" bei Zahl und Zeitraum der Relocation-Verpflichtungen. Dass Juncker in seinem Brief an Kern erklärt, dass die EU-Kommission Österreichs Behörden dabei unterstützen werde, seinen rechtlichen Verpflichtungen "schrittweise" nachzukommen, und man dabei natürlich auch die Solidarität berücksichtigen werde, die Österreich in der Vergangenheit bewiesen hat, wird in Kerns Umfeld jedenfalls als Signal in diese Richtung gedeutet.
Absage war für Kurz "vorhersehbar"
Nicht überrascht hat sich Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) über die Absage gezeigt. Es sei "vorhersehbar" gewesen, dass die Kommission auf die Einhaltung der Verpflichtungen seitens Österreichs dränge, sagte Kurz am Mittwoch vor Journalisten in Innsbruck.
In dieser Frage habe es einen "Dissens" in der Bundesregierung gegeben, erinnerte der Außenminister. Er sei "nicht involviert" gewesen, die Frage müssten nun jene beantworten, die in der Regierung dafür zuständig seien, so Kurz.
Die Republik habe Relocation-Programmen bisher "unzählige Male" zugestimmt, meinte der Minister weiters. Kurz verwies zudem darauf, dass viele Entscheidungsträger in der Europäischen Union stets für die Umverteilung von Flüchtlingen eingetreten seien, während er den Schutz der Außengrenzen als oberstes Ziel ausgegeben habe.
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