Flüchtlinge als Bäcker: Mohnflesserl statt Fladenbrot

Syrer Amer Ojo (li.) will bei Resch & Frisch Lehrlingsabschluss machen.
Reportage: Resch & Frisch in Wels bietet Flüchtlingen ein Programm zur Arbeitsintegration – und profitiert davon.

Vier Sekunden: So lange braucht Amer Ojo, um mit ein paar geschickten Handbewegungen ein Mohnflesserl (für die Nicht-Oberösterreicher: ein Mohnstriezerl) zu flechten. Der 26-jährige Syrer steht an einer Tafel in der Resch-&- Frisch-Handwerksbäckerei in Wels. Im Laufe des Tages wird Ojo bis zu 54 verschiedene Gebäcksorten formen. Gelernt hat er das an seinen ersten Arbeitstagen im August.

"Ein Glücksgriff"

Amer Ojo wurde im Zuge eines Deutschkurses in Linz "entdeckt". Der Syrer hat schon in Damaskus als Bäcker gearbeitet. Neben Fladenbrot gibt es dort auch Schwarzbrot und Krapfen, sagt er – Letztere am liebsten mit Nougat. "Wir haben immer ein Problem, Bäcker zu finden. Amer ist wirklich ein Glücksgriff", lobt ihn sein Chef Walter Wieser. Die Firma Resch & Frisch beschäftigt an 86 Standorten rund 1600 Mitarbeiter aus 44 Nationen – darunter 30 anerkannte Flüchtlinge bzw. subsidiär Schutzberechtigte. Die Idee, ihnen einen Einstieg in die Arbeitswelt zu ermöglichen, entstand bei Geschäftsführer Josef Resch, der auch Funktionär in der Wirtschaftskammer ist, schon vor dem großen Flüchtlingsstrom im Herbst 2015. Flüchtlinge sollten nicht zur Untätigkeit verdammt sein, ihre Qualifikationen sollten sinnvoll eingesetzt werden.

Und was hat das Unternehmen davon? Einerseits betont Resch die moralische Pflicht eines Traditionsbetriebs; andererseits expandiert er, braucht ständig neue Bäcker. Und Josef Resch ist Geschäftsmann, auch wenn er sich selbst scherzhaft als "Hausmeister" tituliert.

Offene Lehrstellen dürfen in Österreich mit Flüchtlingen besetzt werden – eine Forderung der Wirtschaftskammer aufgrund des Lehrlingsmangels. Für jene, die für eine klassische Lehre zu alt sind – wie Amer Ojo – gibt es aber kaum Angebote. Rundum-HilfeResch bietet deshalb das firmeninterne Weiterbildungsprogramm "Du kannst was" an, das im Vorjahr acht Migranten absolviert haben.

"Woher einer kommt, ist wurscht"

Hilfskräfte können nach drei Jahren in der Praxis ihren Lehrabschluss nachholen und werden dann als Fachkräfte in den Betrieb übernommen. Bei Sprachbarrieren werden ihnen Landsleute zur Seite gestellt, Deutschkurse organisiert und sogar bei der Wohnungssuche geholfen. Den Vorwurf, Migranten würden "bevorzugt" lässt Josef Resch nicht gelten: "Mir ist wurscht, woher einer kommt, wenn er was kann."

An die große Glocke gehängt hat das Welser Unternehmen das nie. Als Resch – berüchtigt für seine unverblümte Art – in einer TV-Diskussion mit Kanzler Christian Kern sein Modell als Beispiel für Arbeitsintegration nannte, hakte der SPÖ-Chef interessiert nach.

Im Februar präsentierte die Regierung ihr Konzept des "Integrationsjahres": Bei dem Programm, das aus mehreren Modulen besteht (Deutsch- und Wertekurse, Kompetenzcheck, Bewerbungstraining), dürfen zwar auch Asylwerber mitmachen. Beim letzten Modul, dem Arbeitstraining, werden aber Asylberechtigte bevorzugt – also jene, die sowieso schon arbeiten dürften.

Der Vorteil: Beim Integrationsjahr wird ihnen die Rutsche für ein erstes Erschnuppern der Arbeitswelt gelegt. Der Nachteil: Es gibt keinen Lohn. Machen sie nicht mit, kann ihnen sogar die Mindestsicherung gekürzt werden.

"Bin sehr glücklich"

Amer Ojo wurde mit dem Resch & Frisch-Programm ein eigener Weg ermöglicht: Als Hilfskraft verdient er schon jetzt 1100 Euro, also um rund 200 Euro mehr als die Mindestsicherung. Und: Er kann sich langfristig integrieren, hat am Arbeitsplatz Freunde gefunden und spricht bereits gut Deutsch.

In Linz wohnt er mit seinen Eltern, sein Leben findet aber in Wels, rund um den Arbeitsplatz, statt. "Ich bin sehr glücklich. Das hier ist alles für mich", sagt der 26-Jährige.

Wer in Österreich Asyl bekommen hat, den zieht es meist in den städtischen Bereich. Gerade am Land gibt es aber einen eklatanten Mangel an Lehrlingen.
Dieses Problem will die Wirtschaftskammer (WKO) mit einem Programm, das auf Flüchtlinge zwischen 17 und 25 Jahren zugeschnitten ist, beheben. Die „überregionale Vermittlung“ in Mangelberufe – etwa im Tourismusbereich in Salzburg und Tirol – gibt es seit Herbst in Kooperation mit dem AMS. Bisher haben 78 Asylberechtigte am Einführungskurs teilgenommen, 33 wurden laut AMS tatsächlich in eine Beschäftigung vermittelt.

Heuer soll das Projekt volle Fahrt aufnehmen – die Zielgruppe umfasst alleine in Wien rund 4800 Personen, davon 3900 Männer. „Es wäre sinnvoll, auch Asylwerber in Mangelberufe zu vermitteln, wenn sie qualifiziert sind. Möglichst rasch, bevor sie ihre Fähigkeiten verlernen“, sagt Martin Gleitsmann, Leiter der WKO-Abteilung Sozialpolitik. Für Asylwerber gibt es derzeit keine Angebote. Wenn, dann rekrutieren Unternehmer sie auf Eigeninitiative.

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