Figl-Tochter: "Triumph für meinen Vater"

Am KURIER-Podium: Georg Markus, Manfried Rauchensteiner, Helmut Brandstätter, Anneliese Figl und Herbert Krejci (v. li. n. re.)
Die Besatzungszeit wurde sehr unterschiedlich erlebt: Einige in ständiger Angst, andere genossen die Freiheit.

Der Krieg ist aus – die Deutsche Wehrmacht kapitulierte, die Herrschaft der Nationalsozialisten ist vorbei. Was das für den Alltag der Österreicher bedeutete, darüber sprachen Historiker Manfried Rauchensteiner, Zeitzeugen Anneliese Figl und Herbert Krejci und Kolumnist Georg Markus beim KURIER-Gespräch "70 Jahre Befreiung, 60 Jahre Freiheit" im Raiffeisenforum Wien.

Ein emotionales Thema – auch für das Publikum. Je nachdem, in welcher Zone man lebte, wurde die Besatzungszeit anders erlebt. Während eine Frau von der Großzügigkeit der Amerikaner berichtet, erzählt ein anderer von der ständigen Angst, von den sowjetischen Besatzungssoldaten verschleppt zu werden. Als Historiker weiß Rauchensteiner, wie die Stimmung bei vielen war: "Die meisten haben sich von den Nationalsozialisten befreit gefühlt, auch wenn es unterschiedliche Erfahrungen mit Besatzungssoldaten gab."

Georg Markus hat in seinen Zeitzeugen-Gesprächen höchst unterschiedliche Wahrnehmungen der Tage der Befreiung vernommen. Tatsache ist, dass es zu vielen gewalttätigen Übergriffen gekommen ist. Alleine in Wien und Niederösterreich gab es geschätzte 240.000 Vergewaltigungen. Markus weist daraufhin, dass es sich bei den Tätern aber "um einzelne Kriminelle handelte". Dies war nicht im Sinne der sowjetischen Regierung. Rauchensteiner: "Oberste Befehl aus Moskau war, die Bevölkerung zu respektieren und zu verschonen." Ab 1946 entspannte sich die Lage etwas, in Folge dessen kam es auch zu Liebesbeziehungen zwischen österreichischen Frauen und Besatzungssoldaten (Mehr über Besatzungskinder auf S. 24).

Für Herbert Krejci, der 1945 von der Front nach Wien zurückgekehrt war, war der Kontakt mit den Amerikanern so etwas wie ein Neubeginn: Er arbeitete als Portier in einem Hotel, wo er als Journalist für den US-Nachrichtendienst rekrutiert wurde und später die Außenpolitik im Wiener KURIER leitete – den die Amerikaner gegründet hatten. Und er lobte die US-Politik: "Ohne den Marshallplan säßen sie alle nicht so gesund hier."

An ihren Vater, Leopold Figl, erinnert Tochter Anneliese. Er war ein Mann des Widerstands und saß bis 1943 im KZ Dachau. Die Tochter war sieben Jahre alt, als sie ihren Vater kennenlernte: "Mutter hat nicht viel über ihn erzählt, sie wollte uns eine unbeschwerte Kindheit ermöglichen." Und: "Ich war zu klein, um die Tragik der Zeit zu erleben." Nach Stauffenbergs Attentat auf Hitler wurde er erneut inhaftiert und kam erst 1945 wieder frei.

Als ihr Vater am 15. Mai 1955 die wichtigsten Worte seines Lebens rief: "Österreich ist frei", hörte sie im Radio mit: "Es war ein Triumph für den Vater, der zuvor so leiden musste." Eine Frau aus dem Publikum berichtet, dass sie damals mit dem Vater zum Schwarzenbergplatz ging. "Er wollte, dass ich diesen historischen Moment miterlebe, um später meinen Kindern und Enkeln davon zu erzählen."

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