Falsche Wahl zwischen Pest und Cholera
Vor die Wahl zwischen Pest und Cholera gestellt, haben sich Kanzler Faymann und seine Partei für beides entschieden.
Der Kanzler vor dem Untersuchungsausschuss zu seiner fremdfinanzierten Inseraten-Haberei mit dem Boulevard befragt, das wäre gewiss von problematischer Optik, möglicherweise auch von einigem Risiko gewesen.
Der U-Ausschuss gemeinsam mit der Nasenring-geführten ÖVP blitzartig abgedreht, wäre ein demokratiepolitischer Skandal samt massivster Verärgerung der Wähler gewesen.
Unter dem Druck der Opposition und einer kritischen Öffentlichkeit mussten die Sozialdemokraten am Mittwoch im Nationalrat einem faulen Kompromiss zustimmen, der sie und den Kanzler beschädigt. Bloß noch acht Ausschusstage für vier große Themenbereiche – für die bisher erledigten vier Untersuchungsgegenstände standen 44 Tage zur Verfügung. Und keine Zeugenladung an den Kanzler. Zumindest vorerst, die Opposition bereitet dazu neue Anträge vor.
Der politische Misserfolg lässt sich in mehreren Umfragen belegen: Das Image Faymanns ist kräftig weiter ins Minus gesunken; die schlechten Werte zur Glaubwürdigkeit erreichen für die SPÖ dramatisch hohe Werte in der Nähe der schwer angepatzten Parteien ÖVP und FPÖ; bei Nationalratswahlen an diesem Sonntag würden die Sozialdemokraten nur noch 27 Prozent erreichen, die Koalition hätte keine Mehrheit.
Neue Basis für Kontrolle
In einer für ihn ungewohnten Schnelligkeit und Deutlichkeit nannte Bundespräsident Fischer die teils skandalösen Aktionen um den U-Ausschuss unerfreulich, sie hätten „der politischen Kultur keinen guten Dienst erwiesen“.
Und zusätzlich mahnte der Präsident jene Reformen bei den Regeln für Untersuchungsausschüsse ein, die seit Jahren und auch jetzt wieder von den Koalitionsparteien versprochen wurden.
Die dreisten Manöver der Parlamentsmehrheit haben einmal mehr belegt, dass sich deren meiste Abgeordnete nicht als Kontrollorgane, sondern als willige bis willfährige Helfer der Regierung verstehen.
Daher kann wirksame Kontrolle durch Untersuchungsausschüsse nur funktionieren, wenn deren Einsetzung und Praxis ein Minderheitenrecht werden. Der deutsche Bundestag fährt mit der Regelung längst bestens, wonach ein Viertel der Abgeordneten dafür entscheidend sind. Und Bundeskanzler treten dort, nebenbei gesagt, immer wieder und ganz selbstverständlich als Zeugen auf.
Mit einem Minimum an gutem Willen der Regierungsmehrheit könnte eine Neuregelung nach bewährtem deutschen Muster sehr rasch umgesetzt werden.
Langwieriger, aber offensichtlich ebenso notwendig ist eine Reform in Richtung eines ausgeprägten Persönlichkeitswahlrechtes. Das verfassungsrechtlich festgelegte freie Mandat funktioniert in der Realpolitik des Listenwahlrechtes mit seinen Abhängigkeiten nicht. Es braucht aber selbstbewusste, freie Parlamentarier.
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Hintergrund
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