Eugen Freund ganz privat
KURIER: Herr Freund, Anfang November wehrten Sie sich lautstark gegen Ihre Pensionierung als ORF-Moderator, meinten, Sie können von der ASVG-Pension nicht leben. Wie wollen Sie das einem kleinen SPÖ-Pensionisten erklären, der Sie am 25. Mai wählen soll?
Eugen Freund: Das war eine ungeschickte Formulierung. Das ist mein Problem, dass ich frei nach dem Mund spreche. Aber es ist natürlich auch so, wenn jemand sein Leben lang in einem relativ hochverdienenden Segment tätig ist, dann hat man einen Lebensstil, der in der Pension schwer zu halten ist, und ich wollte ja noch nicht in Pension gehen. Ich finde es furchtbar, dass es sehr viele Menschen gibt, die mit noch weniger Geld leben müssen. Ich frage mich oft, wie das schaffbar ist.
Meine Angst war nicht: Um Gottes Willen, ich bin jetzt weg vom Bildschirm und die Menschen werden mich nicht mehr erkennen. Noch im Vorjahr wurde ich auf der Straße angesprochen, ob ich Heimaturlaub von Washington mache, obwohl ich schon seit 2001 nicht mehr US-Korrespondent bin. Dieser Wiedererkennungswert hält so lange an, das hätte mir für die nächsten Jahre gereicht.
Wie lange haben Sie überlegt, ob Sie annehmen?
Es war für mich wirklich eine böse Überraschung, als ich am 3. Oktober den Pensionierungsbrief mit den Schlussworten „Vielen Dank. Und vergessen Sie nicht, den Ausweis abzugeben“ vom ORF bekam. Ich wollte mit 62 nicht in Pension gehen. Oft genug habe ich im ZiB-Studio präsentiert, dass das reale Pensionsantrittsalter in Österreich zu niedrig ist. Ich hatte das Gefühl, dass ich noch nicht in die Pension gehöre. Dafür fühle ich mich zu agil. Schon im Oktober habe ich zu meiner Frau gesagt: „Weißt du, was ich wirklich gerne machen würde? Ich wäre gerne Abgeordneter im EU-Parlament.“ Knapp vor Weihnachten bekam ich einen Anruf von Josef Ostermayer (Kanzleramtsminister). Über Weihnachten wurde dann in der Familie die Entscheidung gefällt.
Es war eine kosmische Fügung. Aber vielleicht hängt es mit der Sternwarte zusammen, die mein Großvater in St. Kanzian gebaut hat, und meine EU-Kandidatur stand schon in den Sternen (lacht).
Als Journalist kann man Kritik austeilen, jetzt müssen Sie als Politiker Kritik einstecken. Können Sie das?
Durchaus. Ich glaube, dass ich sowohl kritikfähig als auch lernfähig bin. Ich weiß, dass ich kein perfekter Mensch und schon gar nicht ein perfekter Mann bin.
Von der ZiB zur SPÖ
Welche Fehler hat der Mann Eugen Freund? Sind Sie ein engagierter Familienmensch?
Das ist ein schwieriges Kapitel. Ich versuchte, mich so gut es geht zu engagieren. Es gab eine Zeit während meines Engagements als US-Korrespondent, da passierte eine Entfremdung zwischen meiner zweijährigen Tochter Carla und mir, weil ich durch die Zeitverschiebung zu familienfeindlichen Zeiten arbeiten musste. Sie hat mich einfach nicht mehr an sich herangelassen, weil ich als Vater nicht präsent war. Das war ein schwieriger Prozess, und es dauerte ein Jahr lang, bis Carla mich wieder akzeptiert hat. Aber jetzt lieben wir einander ganz innig. Heute ist sie 20 und studiert in den USA Umweltwissenschaften, und auch zu meinem 25-jährigen Sohn habe ich ein sehr gutes Verhältnis.
Wir sitzen hier in Ihrem Heimatort St. Kanzian am Klopeiner See. Welches Verhältnis hatten Sie zu Ihrer Heimat, als Jörg Haider an der Macht war?
Warum schreibt man einen Krimi über Jörg Haiders Tod, wenn man kein Verhältnis zu ihm hat?
„Der Tod des Landeshauptmanns“ ist eine fiktive Geschichte, und Jörg Haider ist eine Randerscheinung in meinem Roman. 90 Prozent sind total erfunden.
Doch durch den Titel und die erste Seite im Buch, wo der Autounfall beschrieben wird, wird sehr wohl das Gefühl erzeugt, es geht um Jörg Haider. Vielleicht eine Marketingstrategie, um mit dem Namen Haider mehr Bücher zu verkaufen?
Fühlen Sie sich noch als Kärntner?
Trotz meiner langen Zeit im Ausland bin ich in meiner Heimat noch sehr gut sozial integriert. Mein Vater war in St. Kanzian Arzt, und ich habe alle Hausbesuche mit ihm als Kind mitgemacht. Ich kenne hier jedes Haus und seine Bewohner. Hier habe ich meine fünf Bücher geschrieben. Dazu brauche ich Ruhe und Konzentration, die ich in St. Kanzian finde.
Sie halten sich mit Ihrem Wahlziel noch sehr vage. Im Interview in der ZiB2 wollten Sie nicht einmal den ersten Platz für die SPÖ bei der EU-Wahl beanspruchen, sondern ein besseres Ergebnis erreichen als bei den letzten EU-Wahlen. Warum sind Sie so vorsichtig?
Wenn Sie Ihr Wahlziel verfehlten, würden Sie Ihr Mandat als EU-Abgeordneter nicht annehmen?
Das ist eine sehr theoretische Diskussion. Denn da müsste ich mir schon einen Patzer nach dem anderen leisten. Ich habe mir nicht überlegt, was passiert, wenn die Wahl schlecht ausgeht.
Wie groß ist die Angst vor Fettnäpfchen?
Ich neige leider dazu, nicht alle Fettnäpfchen zu umschiffen. Bis jetzt habe ich als Moderator in einem sehr engen Korsett gelebt. Eine Anmoderation dauert manchmal nur 20 Sekunden, aber wenn man so frei spricht, sind Fettnäpfchen nicht ganz ausgeschlossen. Aber ich werde jeden Tag disziplinierter und werde meine Botschaften präzisieren.
Kann Eugen Freund die EU-Skepsis der Österreicher verbessern?
Eugen Freund: Der Quereinsteiger
ORF-Karriere: Der 62-Jährige wurde als Sohn eines Landarztes und einer Galeristin geboren. Er wuchs in St. Kanzian am Klopeiner See auf, wo sein Großvater eine Sternwarte baute. „Er hat alle Teile selbst zusammengebaut“, erzählt Freund. 1974 startete er sein Karriere in der innenpolitischen Redaktion des ORF-Hörfunks, 1978 engagierte ihn der damalige parteilose Außenminister Willibald Pahr als Pressesprecher. Danach war Freund fünf Jahre beim Österreichischen Presse- und Informationsdienst in New York tätig. 1986 kam Freund wieder zum ORF zurück. Von 1995 bis 2001 war er ORF-Korrespondent in Washington, ab 1997 auch als Büroleiter. Von Mai 2011 bis Ende 2013 war Eugen Freund Moderator der ZiB-1.
Privat: Der Kosmopolit schrieb fünf Bücher. Am Montag wurde via KURIER bekannt, dass er als SPÖ-Spitzenkandidat in die EU-Wahl geht. Freund hat eine Tochter (20) und einen Sohn (25) und ist seit 25 Jahren verheiratet.
Mit der Nominierung von Eugen Freund zum SPÖ-Spitzenkandidaten nimmt der EU-Wahlkampf Konturen an. Für die ÖVP wird ihr EU-Star Othmar Karas in die Wahl ziehen, für die FPÖ das Duo Andreas Mölzer/Harald Vilimsky, und bei den Grünen bewirbt sich erneut Ulrike Lunacek. Weiters fix im Rennen ist Ewald Stadler mit einer rechts-katholischen Unterstützer-Gruppe.
Hans Peter Martin hat noch nicht bekannt gegeben, ob er wieder antritt, und bei den Neos ist der mehrstufige Vorwahlprozess für den Spitzenkandidaten erst am 15. Februar abgeschlossen. Derzeit läuft die allgemeine Wahl, 52 Kandidaten sind noch im Rennen, 800 Bürger haben ihre Stimme gegen ein Entgelt von 10 Euro bereits abgegeben.
Obwohl noch nicht alle Kandidaturen feststehen, hat sich die Ausgangslage für den Wahlkampf vor allem durch den SPÖ-Spitzenkandidaten Eugen Freund geändert. Hatte die SPÖ zuvor ein Desaster befürchtet, ist mit Eugen Freund die Zuversicht gestiegen. Die SPÖ fürchtet nun nicht mehr, hinter die Blauen oder unter 20 Prozent abzustürzen. Im Gegenteil, sie hofft nun sogar, den ersten Platz zurückzuerobern.
Negativer Bundestrend
Es ist davon auszugehen, dass sich dieser negative Bundestrend bei der EU-Wahl bemerkbar machen wird. Schadensbegrenzung kann die ÖVP mit ihrem profilierten Spitzenkandidaten versuchen. Othmar Karas kann, so Meinungsforscher, die ÖVP vor einem Debakel bewahren und mit Glück vielleicht sogar Platz 1 retten.
Demzufolge plant Karas auch einen Persönlichkeitswahlkampf mit einem breit gefächerten Personenkomitee.
Eugen Freunds Aufgabe wird es sein, die SPÖ-Anhängerschaft – vor allem jene, die die EU für nicht besonders wichtig erachten – zum Wählen zu animieren.
Aussagekräftige Umfragen gibt es noch nicht, weil sich erst ein Viertel bis ein Drittel der Wähler gedanklich mit dem Thema beschäftigt hat.
In Österreich ist man „Österreicher“. Zumindest im Reisepass. Im Herzen ist man Burgenländer, Vorarlberger, Kärntner... Und das wird man nicht los. Auch wenn man Jahrzehnte in Wien lebt. Oder im Ausland.
Eugen Freund ist so einer, der in der Welt zu Hause, aber stets in Kärnten daheim war. „Ich kenne jedes Haus“, sagt er beim Interview in der Heimatgemeinde. Dennoch ist sein Patriotismus abgekühlt. So wie der vieler überzeugter Kärntner. „Vor Haiders Zeit als Landeshauptmann hupte ich immer als Begrüßungsritual im letzten Tunnel vor der Kärntner Grenze. Das habe ich als Protest eingestellt“, sagt Freund.
Da hat also ein Mann, der sich selbst als größter Patriot inszenierte (obwohl er ein Zuagraster war), seinem Land nicht nur einen Polit-Sumpf und Milliarden Schulden hinterlassen, sondern auch einen Knacks im kollektiven Selbstwert.
Zu Unrecht. Kärnten ist so viel mehr als die Summe seiner Skandale. Daher schreiben wir Eugen Freund, der bald nach Straßburg geht, ins Stammbuch: „Patriot sein heißt, die Heimat trotz der Patrioten zu lieben.“
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