Die ÖVP sieht pink

Neos-Chef Matthias Strolz (mit Spitzen-kandidatin Angelika Mlinar) will "auf die Wadlbeißerei" der ÖVP "nicht eingehen"
Ignorieren geht nicht mehr: Die Schwarzen schießen sich auf die Neos ein.

Auf den ersten Blick schienen die Ballons ganz wunderbar zu den Neos zu passen. In der Wiener Neustiftgasse, am Fußweg zur Bundesparteizentrale, waren am Freitag an Bushaltestellen Luftballons in der Parteifarbe montiert; in großen Lettern stand darauf: "Das Programm der Neos zur Europawahl."

Bei genauem Hinsehen entpuppten sich die pinken Blasen als perfider Angriff auf den Neos-Wahlkampfauftakt; denn was auf den angehängten Karten zu lesen war, kam definitiv nicht von Neos-Boss Matthias Strolz: Die Neos-Partei wolle "Doping legalisieren", "Abtreibungen bis zur Geburt erlauben" und "Putin in die EU holen", stand da – ungeachtet der programmatischen Realität.

Wer hat die Ballons mit den bösen Botschaften angebracht?

Die wahrscheinlichste Antwort lautet: ÖVP-Funktionäre oder zumindest ÖVP-affine Aktivisten.

Denn die affichierten Positionen entsprechen genau dem, was ÖVP-Spitze und Parteisekretariat seit Wochen intern predigen, nämlich: Attackiert die Neos-Partei!

Erst am 8. April hat ÖVP-Generalsekretär Gernot Blümel an führende Funktionäre einen dem KURIER vorliegenden Brief verschickt, der indirekt zugibt, dass die bisher verfolgte Linie gegenüber den Pinken – "Nicht einmal ignorieren" – nicht funktioniert. Die Neos seien "sehr widersprüchlich", mitunter "skurril" und jedenfalls "gegen Österreichs Interessen", befundet Blümel – entsprechend offensiv müsse man ihnen begegnen. Seit Wochen macht es der Generalsekretär vor und verunglimpft die Pinken als "Besserwisser" und "Möchtegern-Wirtschaftspartei", die das "inhaltliche Chaos" zum Programm erhoben haben.

Seinen Funktionären schickte er zur Unterstützung "Argumentekarten" mit, wonach die Neos für Sterbehilfe, die Privatisierung des Wassers und die Kürzung der Agrarförderungen, aber gegen Neutralität seien. Und: Religionen würden sie nicht respektieren.

"Ich orte in den vergangenen Wochen zunehmende Nervosität bei der ÖVP", sagt Neos-Chef Matthias Strolz zum KURIER. "Aber wir werden auf die Wadlbeißerei nicht eingehen. Das ist nicht unser Stil."

Strolz’ Gelassenheit kommt nicht von ungefähr: Die Neos sind in Umfragen mittlerweile locker zweistellig und werden ihren Stimmenanteil von der Nationalratswahl (fünf Prozent) bei der EU-Wahl am 25. Mai voraussichtlich mehr als verdoppeln.

Zeitgeistphänomen

Die ÖVP sieht pink
APA18148818 - 01052014 - WIEN - ÖSTERREICH: Othmar Karas (r.), ÖVP-Spitzenkandidat für die EU-Wahl, und ÖVP-Chef Michael Spindelegger am Donnerstag, 1. Mai 2014, anl. eines Pressefrühstücks in Wien. APA-FOTO: HERBERT NEUBAUER
Parteimanager Blümel konstatiert in seinem Schreiben an Spitzenschwarze auch, dass die neue Konkurrenz "für (zu) viele eine wählbare Alternative" seien. Vor allem im bürgerlich-urbanen Raum machen die Pinken der ÖVP Wähler abspenstig. Das zeigte sich schon bei der Nationalratswahl. "Auf dem Land nimmt man die Neos noch nicht wirklich wahr. Da fehlen ihnen die Strukturen", analysiert ein ÖVP-Stratege.

Nicht zuletzt deshalb flüchten sich manche in der Volkspartei in die Hoffnung, die Neos würden wie einst das Liberale Forum als "Zeitgeistphänomen" an den Mühen der politischen Ebene scheitern und sich irgendwann von selbst erledigen.

Derzeit sieht es freilich nicht danach aus, im Gegenteil: In Strolz ’ Heimat Vorarlberg, wo im Herbst gewählt wird, sind die Pinken in Umfragen bereits auf Platz zwei – und das, ohne überhaupt einen Spitzenkandidaten gekürt zu haben.

Es handelt sich nicht um eine blinde, sondern eine reife Liebe, bei der unendlich viel Beziehungsarbeit nötig ist." In Paartherapeuten-Manier erläutert Neos-Chef Matthias Strolz den Slogan für die EU-Wahl: "Wir lieben Europa" lautet das Motto der Pinken.

Die Strolz-Truppe startete am Freitag in Wien gemeinsam mit Vertretern von ALDE, der Partnerpartei im EU-Parlament, offiziell in den EU-Wahlkampf. Neos-Spitzenkandidatin Angelika Mlinar peilt ein zweistelliges Ergebnis an. Das heißt, die Partei müsste ihr Nationalratswahl-Ergebnis (fünf Prozent) verdoppeln.

ALDE-Frontmann Guy Verhofstadt nannte als Wahlziel, er wolle EU-Kommissionspräsident werden: "Laut Vertrag stellt nicht die stärkste Partei den Kommissionspräsidenten, sondern der, dem es gelingt, eine Mehrheit im Europäischen Parlament zu finden." Die Allianz der Liberalen und Demokraten ist derzeit die drittstärkste Fraktion im EU-Parlament. Bei der Wahl 2009 erhielt ALDE 11,4 Prozent.

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