EU-Wahl 2019: Kurz im Kandidaten-Dilemma

EU-Wahl 2019: Kurz im Kandidaten-Dilemma
Europa von innen: Eckte Karas innerparteilich zu oft an ?

Sebastian Kurz wird in seiner Parteienfamilie, der Europäischen Volkspartei (EVP), als ihr „neuer Führer“, „junges Talent“, „Hoffnungsträger“ gefeiert. Viele EVP-Abgeordnete haben sich bei seinem Besuch im Europäischen Parlament um Selfies angestellt.

Systematisch hat der ÖVP-Vorsitzende schon als Außenminister sein Netzwerk in der EVP aufgebaut. Fraktionschef Manfred Weber ist mittlerweile ein enger Freund und Vertrauter. „Sie verwenden sogar idente Formulierungen“, stellt ein CDU-Abgeordneter fest.

Im Hintergrund bereitet die EVP längst den Europa-Wahlkampf 2019 vor. „Migration wird das zentrale Thema sein“, sagt Weber. Das gefällt auch Kurz, der ihn als Spitzenkandidat für die EU-Wahl Ende Mai 2019 unterstützt. Wenn die EVP gewinnt – und bei den aktuellen politischen Mehrheitsverhältnissen in der EU ist das so gut wie sicher – ist der CSU-Mann dann auch der EVP-Kandidat für den Posten des Kommissionspräsidenten. „Wenn Weber Kommissionspräsident ist, hat Kurz den direkten Kontakt und unmittelbaren Einfluss in die Brüsseler EU-Institution“, betont ein CDU-Abgeordneter.

So klar die interne Entscheidung der EVP für Manfred Weber ist, so unklar ist, wen der Vorsitzende der Volkspartei als Nummer 1 auf der ÖVP-Liste ins Rennen schickt. ÖVP-Delegationsleiter Othmar Karas hat Ambitionen, er ist Europa-Parlamentarier mit Leib und Seele. Er ist fraktionsübergreifend beliebt, weil er ein starkes Europa will. Kurz hat sich noch nicht geäußert, ob er Karas zum Spitzenkandidaten macht. Gespräche zwischen den beiden gab es dem Vernehmen nach schon.

Die Rede von Karas beim Auftritt des Kanzlers im EU-Parlament, in der er Nationalismus und staatlichen Egoismus in Europa geißelte und für die Spaltung der EU verantwortlich machte, hat Kurz mit angespannter Miene verfolgt. Zustimmung schaut anders aus. Der Kanzler liebt absolute Loyalität, Karas ist zu unabhängig und kritisiert auch mal die eigene Partei (siehe auch Seite 31). „Es gibt eine gute Zusammenarbeit mit Karas, er ist ein professioneller Parlamentarier“, heißt es gegenüber dem KURIER aus dem Umfeld des Kanzlers.

Sollte Karas nicht nominiert werden, auch wenn er intakte Chancen hat, ist es sehr wahrscheinlich, dass der ÖVP-Politiker eine parteiübergreifende Plattform bildet und damit bei der Wahl antritt. 2009, als ihm Ernst Strasser als ÖVP-Spitzenkandidat vorgezogen wurde, hat Karas gekämpft und 112.954 Vorzugsstimmen erreicht, fast so viel wie Kurz bei der Nationalratswahl 2017, nämlich 117.468.

Eine eigene Karas-Plattform wäre für die ÖVP unbequem. Die überzeugten Pro-Europäer würden wohl ihm ihre Stimme geben. Er hat auch Anhänger unter Neos und Grünen, und selbst in der SPÖ sind manche für Karas.

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