Kühl, mit trüben Aussichten beim EU-Vorsitz-Auftakt auf der Planai

EU-RATSVORSITZ - STAFFELÜBERGABE IN SCHALDMING: KURZ / SCHÜTZENHÖFER / BOGNER-STRAUSS / SCHRAMBÖCK
Alphorn-Bläser empfingen Ministerriege und EU-Ratspräsident Tusk. Mehr als 200 Besucher standen für Picknick-Decken und Jausen-Sackerl Schlange.

Einen zünftigen aber kühlen Auftakt hat der Samstagvormittag auf der Schladminger Planai für die Übergabe des EU-Ratsvorsitzes geboten: Wolken rund um den 1.906 Meter hohen Ski-WM-Berg verdeckten weitgehend die Sicht auf das Ennstal und das Dachstein-Massiv. Maskottchen Hopsi wartete bei rund zehn Grad Celsius auf die Ministerriege von Österreich und Bulgarien sowie EU-Ratspräsident Donald .

Der Tross kam mit etwa 20 Minuten Verspätung gegen 10.05 Uhr auf der Planai an. Sie wurden von Alphorn-Bläsern der Musikschule Schladming sowie einem Musiker mit seiner "Quetschn" - einer Ziehharmonika - empfangen. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) richtete vorerst nur ein paar Worte an die Medien und sagte: "Das ist eine große Verantwortung, aber auch eine große Chance für Europa." Danach ging er zusammen mit Tusk und dem bulgarischen Ministerpräsident Bojko zur Schafalm-Hütte, wo ein Arbeitsfrühstück auf dem Programm stand.

Kühl, mit trüben Aussichten beim EU-Vorsitz-Auftakt auf der Planai

Getrübt wurde die Stimmung der Politiker auch durch laute Sprechchöre, die plötzlich seitens der "Plattform Radikale Linke" skandiert wurden - sie protestierten gegen die aktuelle Asylpolitik. Akustisch etwas irritierend dann auch die umherschwirrenden, summenden Drohnen, die zur Sicherheit der Spitzenpolitiker beitragen sollen.

Letztere konnten freilich trotzdem ihre Botschaften nach dem gemeinsamen Arbeitsfrühstück verkünden: Man sei "stolz und froh", mit 1. Juli den Ratsvorsitz zu übernehmen, betonte Kurz, es sei eine "große Ehre für uns, aber auch eine große Verantwortung". Das Umfeld beschrieb Kurz mit dem Hinweis auf Spannungen mit Russland, eine unberechenbare Situation in den USA sowie den Brexit als herausfordernd.

Als "Brückenbauer" wolle man sicherstellen, dass die Union eine starke sei. Man wolle ein schlankes, geeintes und fokussiertes Europa schaffen. "Wir wollen ein Europa schaffen, das schützt", bemühte der Kanzler das offizielle Motto. Es gehe darum, Sicherheit zu schaffen und den Wohlstand zu schützen. Erfolgreich sei man nur, wenn es eine gute Zusammenarbeit zwischen allen EU-Staaten und -Institutionen gebe, mahnte Kurz.

Dem stimmte auch zu - Sicherheit und Schutz könne es nur geben, wenn man zusammenstehe. Der Ministerpräsident sagte Kurz auch jegliche Unterstützung während des EU-Vorsitzes zu, bevor er den österreichischen Kanzler freundschaftlich herzte.

Auftaktevent für EU-Ratsvorsitz

 

Tusk packte zu Beginn seiner Stellungnahme seine Deutschkenntnisse aus und begrüßte die Medienschar mit: "First of all: Grüß Gott!" Er wünsche Kurz nur das Beste für die Ratspräsidentschaft, es gebe eine Menge zu tun, und die Herausforderungen könnten nicht in besseren Händen sein, streute er dem Kanzler Rosen. Österreich liege im Herzen Europas und sei ein zentraler Brückenbauer. Kurz werde das richtige Gespür haben, die "Brückenbauer-Präsidentschaft" zu einem Erfolg für ganz Europa zu machen, gab sich Tusk überzeugt.

Österreich hätte kein besseres Motto als "Ein Europa, das schützt", wählen können, findet Tusk, handle es sich doch um ein uraltes menschliches Bedürfnis. Es gehe nicht um Fremdenfeindlichkeit, sondern die Politik müsse Recht durchsetzen und Außengrenzen schützen, erklärte er angesichts der aktuellen Migrationsdebatte. Es brauche Stabilität statt Instabilität, Sicherheit statt eines Mangels an Sicherheit, wenn auch nicht auf Kosten der Freiheit, wie er meinte. In diesen Zielen müsse man jedenfalls zusammenstehen, erklärte Tusk. "Ich verlasse mich auf dich, Sebastian", so der EU-Ratspräsident. "Alles Gute, Sebastian", legte Tusk auch zum Schluss noch seine Deutschkenntnisse dar.

Borissow überreichte Kurz zum Abschluss einen EU-Wimpel - in Anlehnung ans aktuelle Top-Thema Fußball, wo vor Spielbeginn oft Wimpel getauscht werden. Anschließend gingen Kurz, Tusk und Borissow gemeinsam zur Bergstation der Planai-Bahn, wo sie sich in das Gipfelbuch eintrugen. Während Kurz die ausländischen Gäste verabschiedete, trudelten die übrigen Minister und die steirische Spitzenpolitik ein.

Mehr als 200 Gäste verfolgten die Ankunft der Minister. Auch das mediale Interesse ist groß: Über 130 Medienvertreter sind laut Angaben des Kanzleramts vor Ort, ein Drittel davon aus dem Ausland, darunter auch Journalisten aus Japan. Die meisten von ihnen hatten sich angemessen auf das " Gipfeltreffen" vorbereitet, trugen Bergschuhe und hatten Softshell-Jacken im Gepäck. Für das leibliche Wohl sorgten die Veranstalter: Jeder Gast erhielt ein Sackerl voller Jause - darunter Bockshornklee-Käse, Alpensalami und österreichische Kräuterlimonade. Zum Proviant wurden auch passend bedruckte Picknick-Decken mit der Aufschrift "Servus Europa" ausgegeben. Die Leute standen Schlange für die Beutel, ob sie die Decken in die noch nassen Wiesen legen werden, war aber zu bezweifeln.

Jausenmesser war übrigens keines im Sackerl zu finden. Das dürfte aber den hohen Sicherheitsvorkehrungen geschuldet sein: Hunderte Polizisten sorgten auf den Zufahrtsstrecken, bei der Talstation sowie am Berg für Ordnung. Betonleitwände auf den Straßen waren aufgestellt, um mögliche mobile Angreifer aufzuhalten. Auf die Planai durften sowohl Medien als auch Gäste nur nach einer vorherigen Sicherheitskontrolle. Bereits kurz nach 8.00 Uhr hatten sich rund ein Dutzend "Gipfelstürmer" bei der Talstation der Planai-Bahn eingefunden, um noch vor den Ministern am Berg zu sein.

Auftakt des Vorsitzes bildet eine Staffelübergabe unter dem Titel "Servus Europa" in Schladming. Am Samstag übergibt der Ministerpräsident des aktuellen EU-Vorsitzlandes Bulgarien, Bojko Borissow, an Bundeskanzler Kurz. Auf der Planai ist das Gipfel-Picknick geplant, im Tal findet ein Konzert mit u.a. den Seern, Opus und Cesar Sampson statt. Nach Österreich übernimmt Rumänien am 1. Jänner 2019 die Ratspräsidentschaft.

Dritter Vorsitz für ein halbes Jahr

Österreich übernimmt am morgigen Sonntag den EU-Vorsitz für ein halbes Jahr. Es ist das dritte Mal nach 1998 und 2006. Der Vorsitz steht unter dem Motto "Ein Europa, das schützt". Die Schwerpunkte sind Migration, die Budgetverhandlungen und der Brexit.

Die Verhandlungen zum mehrjährigen Finanzrahmen 2021-2027 werden - glauben Beobachter - so schwierig wie noch nie in der Geschichte der Gemeinschaft, weil mit dem Wegfall des Milliarden-Nettobeitrags der Briten vieles anders wird. Auch die Brexit-Verhandlungen selbst werden ein harter Brocken. Zum von Österreich forcierten Schwerpunkt Migration soll es bei einem EU-Gipfel am 20. September in Salzburg, der sich dem Thema Sicherheit widmen soll, konkrete Ergebnisse geben.

Generell wird es während der Ratspräsidentschaft an die 300 Vorsitz-Veranstaltungen in Österreich geben. Kommende Woche am 3. Juli hält Kanzler Kurz im Europäischen Parlament in Straßburg seine Grundsatzrede. Am 5. und 6. Juli wird dann die EU-Kommission zu einem Antrittsbesuch in Wien erwartet.

Wien wird zur EU-Drehscheibe

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