So wollen Politiker die Journalisten kontrollieren
Märchen sind wunderbar. Die Handlung ist einfach, die Rollen von gut und böse sind klar verteilt, und nach einem leichten Schaudern kommt der Held und lebt für immer weiter. So entstehen Bilder in unserem Kopf und dadurch Emotionen, besser kann man Botschaften nicht verbreiten.
"Tausend und eine Nacht" kennt jeder, es gibt aber auch die Geschichtensammlung "Tausend und ein Tag", die erst im 17. Jahrhundert aus dem Orient zu uns kam. Der Titel beschreibt die Aktivitäten unserer Politiker. Jeden Tag sind sie unterwegs, auf der Suche nach Wirkung und Bildern, die die richtigen Emotionen auslösen. Fragen sind da nur lästig, ein kritischer Blick oder gar eine klare Analyse unerwünscht.
Gegen Druck wehren
Die Kommunikation der Mächtigen mit dem Volk war immer von dem Bemühen geprägt, gute Nachrichten zu verbreiten und schlechte zu verhindern. Dafür gab es früher den Zensor und dann den Parteienproporz.
Aber in der medialen Vielfalt des Internets haben Politiker und ihre Spin-Doktoren nicht mehr die Oberhoheit über ihre Geschichten. Umso heftiger aber versuchen sie es trotzdem. Auf Facebook gelingt das, da können sie ungefiltert agieren wie seinerzeit mit ihren Parteizeitungen – aber mit ebenso geringer Glaubwürdigkeit. Die ist in den klassischen Medien noch immer weit höher. Umso größer wird der Druck auf Journalisten, durch unfreundliche SMS, laute Telefonate und Interventionen bei Eigentümern. Da kann es auch darum gehen, das eine Geschichte nicht erscheint. So hört man es aus vielen Redaktionen. Angst bei den Politikern, Nervosität überall. Nur auf die Mailbox von Chefredakteuren spricht niemand mehr, die Damen und Herren sind lernfähig. Das Schicksal des früheren deutschen Bundespräsidenten Wulff, der den BILD-Chef derart beschimpft hatte, will keiner erleiden. Wulff musste zurücktreten.
Politiker lieben es, nur Geschichten nach ihrem Gusto zu lesen und zu hören, ohne Recherchen und Gegenfragen. Es hat ja in der 2. Republik in gewissen Medien bestens funktioniert. Die Welt von Radio, das zunächst viel wichtiger war, und Fernsehen war ausschließlich in rot und schwarz eingeteilt. Das galt für Redakteure ebenso wie für die Anzahl der Auftritte der Politiker. Dazu kamen die Parteizeitungen, die Arbeiter-Zeitung war bis 1955 sogar die auflagenstärkste Zeitung des Landes.
(Un)-abhängiger ORF?
Dann kamen die Boulevardzeitungen, und der Zugriff auf Radio und Fernsehen wurde noch brutaler, was zu Hugo Portischs erfolgreichem Volksbegehren im Jahr 1964 und zu einem – zunächst – unabhängigen ORF führte. Der einzige Politiker, der den ORF frei gab, war Bundeskanzler Josef Klaus (1964 - 1970), auch Bruno Kreisky (Foto) missbrauchte den Begriff "Rundfunkreform" nur für den Austausch missliebiger Personen. Ähnlich brutal agierte später Wolfgang Schüssel.
Als Bildermedium bleibt das Fernsehen begehrt. Den Zugriff auf das Personal läuft im ORF absurderweise über den "unabhängigen" Stiftungsrat. Aber hilft‘s? Parteien trainieren ihr Personal, wodurch oft jegliche Authentizität verloren geht. Politiker mit vorgeformten Sprüchen sind kein Programm zur Vertrauensbildung .
In der Art der TV-Auftritte unterscheiden sich die Vertreter der klassischen Parteien nicht von den Populisten, in den Geschichten allerdings sehr. Kanzlerkandidaten wie Christian Kern oder Sebastian Kurz wollen als Macher gesehen werden, zu Hause entscheidungsstark und international geachtet. Auf digitalen Plattformen werden Fotos in nachdenklicher Pose oder mit ausländischen Politikern gezeigt. Kern gibt wenigstens innenpolitische Interviews, Kurz versucht vorerst, mit ein paar Brocken Information durchzukommen. Strache gibt sich als Teil "seines Volkes", als Gegner der "Eliten", auch eine erfundene Geschichte, er gehört ja als Parteichef dazu.
Märchen wirken
Je mehr die FPÖ zur Arbeiterpartei wurde, umso mehr halfen die von der SPÖ am Boulevard platzierten, auch gekauften Inhalte den Freiheitlichen. Die SPÖ finanziert Blätter, die Angst und Unsicherheit verbreiten, und besorgt auch medial das Geschäft der FPÖ. Gekaufter Journalismus ist aber auch der ÖVP nicht fremd. Die Konsequenz, dass Journalisten oft wenig Respekt vor Politikern haben, nehmen diese im wahrsten Sinne des Wortes in Kauf. Umgekehrt müssen Journalisten wissen, dass sie von Politikern nur ernst genommen werden, wenn sie ihrem Druck und ihren Interventionen widerstehen. Gekaufte Verleger sind ohnehin nur Lachnummern.
Es geht um Vertrauen, ein Gefühl, das man nicht kaufen kann, das man nicht durch Druck erreicht. Vertrauen muss man sich erarbeiten, Politiker und Journalisten.
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