„Es zeigt sich, wie wichtig historische Bildung ist“

Monika Sommer
Die Historikerin Monika Sommer über ihr Haus der Geschichte und die Heeresschau am Heldenplatz.

 KURIER: Wissen die Österreicher überhaupt, was wir am 26. Oktober feiern?

Monika Sommer: Ich schätze, dass circa die Hälfte der Bevölkerung den richtigen Anlass weiß. Die jungen Leute lernen sehr wohl, dass die Neutralität der Grund ist.

Gäbe es nicht Anlässe, die besser geeignet sind? Zum Beispiel die Ausrufung der Republik oder die Gründung des unabhängigen Staates Deutsch-Österreich?

Auch der Tag des EU-Beitritts oder EU-Referendums kämen infrage. Aber ich glaube, dass sich der 26. Oktober sehr gut etabliert hat.

Ist der Nationalfeiertag im Grunde genommen nicht nur ein Volksfest mit Heeresschau für große und kleine Buben?

Der Tag wurde schon verschiedentlich begangen. In den 70er-Jahren wurde er z. B. mit einem „Fit mach mit!“-Marsch verbunden. Heute sind es vorwiegend die Ereignisse am Heldenplatz. Man kann sicherlich darüber nachdenken, ihn anders zu nutzen – in Ergänzung zum Bestehenden.

Laut einer OGM-Umfrage weiß nur ein Fünftel der über 50-Jährigen, was im März 1938 geschehen ist: der „Anschluss“. Ist die gesamte Information, die es heuer über die Gedenkjahre gab, verpufft?

Glaube ich nicht. Aber es zeigt sich, wie wichtig historische Bildung ist. Und dazu wird unser Haus der Geschichte Österreich, das am 10. November aufsperren wird, einen wesentlichen Beitrag leisten. Gerade die Zeit des Nationalsozialismus ist etwas, wo wir einen Schwerpunkt setzen – auch vor dem Hintergrund, dass es in Österreich kein Holocaust-Museum gibt.

Ein Republikmuseum – in der Hofburg. Ist das nicht ein Treppenwitz der Geschichte?

Viele Institutionen der Österreich-Repräsentation sind in historischen Räumlichkeiten untergebracht. Denken Sie nur an die Präsidentschaftskanzlei oder an das Kanzleramt. Wir befinden uns also in einer österreichischen Tradition. Ich könnte mir aber auch vorstellen, dass das HdGÖ in einem Neubau stattfindet. Und dass die Republik ein bauliches Zeichen setzt.

Derzeit ist das Museum eingepfercht zwischen den Sammlungen der Musikinstrumente und Waffen des Kunsthistorischen Museums, das die Räume lieber selber nutzen würde.

International haben ähnliche Einrichtungen zumindest 2500 Ausstellungsfläche, wir haben nur 800 . Das ist die richtige Größe für Wechselausstellungen, ein HdGÖ als Museum braucht allerdings auch Räume für eine Dauerausstellung, für Vermittlung, für Depots.

Sie haben hier auch einen heiklen Ort, den „Hitler-Balkon“. Warum wird er nicht genutzt oder zugänglich gemacht?

Der Balkon, eigentlich ein Altan, liegt in der Verantwortung der Burghauptmannschaft und ist in einem Bauzustand, dass er nicht betreten werden kann.

Ein statisches Problem – oder doch ein psychologisches?

Heute herrschen andere Sicherheitsrichtlinien. Die Balustraden sind zu niedrig. Zudem müsste eine Klimaschleuse eingebaut werden, was derzeit nicht vorgesehen ist. Ich kann mir aber sehr gut vorstellen, dass man den Altan zugänglich macht – und den Menschen diesen Platz zurückgibt.

Was erwartet die Besucher?

Zwei tolle Ausstellungen. In „Aufbruch ins Ungewisse – Österreich seit 1918“ bieten wir spannende Perspektiven auf dieses sehr widersprüchliche Jahrhundert. Die zweite Ausstellung trägt den Titel „Nur die Geigen sind geblieben. Arnold und Alma Rosé“; sie widmet sich den beiden ehemaligen Ikonen des Wiener Musik- und Gesellschaftslebens und vor allem ihrem Schicksal im Nationalsozialismus.

Sollte sich das Republikmuseum nicht vorrangig mit der Demokratie beschäftigen?

Wir werden die ersten Jahre der Demokratie völlig neu interpretieren – nicht mehr nur aus der Perspektive des Zerfalls der Habsburgermonarchie.

Warum beginnen Sie nicht mit der bürgerlichen Revolution?

Unser politischer Auftrag war, schwerpunktmäßig mit dem 12. November 1918 zu starten. Aber wir gehen in manchen Stationen zurück bis zum Jahr 1848. Die Revolution ist für uns ein zentraler Bezugspunkt.

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