"Es wurden lebende Bankomat-Kassen produziert"

BM für Landesverteidigung / Doppelinterview mit Hans Peter Doskozil und Peter Pilz zum U-Ausschuss Eurofighter
In Militärfragen sind Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil und der Grüne Peter Pilz oft konträrer Meinung. In der Eurofighter-Causa ziehen sie an einem Strang

KURIER: Am Dienstag kommt der Nationale Sicherheitsrat zusammen, wo die Anzeige gegen Airbus der Opposition – also auch FPÖ-Chef Heinz Christian Strache – erläutert wird. Wollen Sie damit Strache ködern, dass er dem Eurofighter-U-Ausschuss zustimmt?

Peter Pilz: Bundeskanzler Christian Kern und Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil erfüllen die Forderungen von Heinz Christian Strache– nämlich den Eurofighter Vergleichsvertrag und die Anzeige offenzulegen. Das hätten sie nicht machen müssen, aber es ist taktisch ein sehr kluger Schritt. Damit sind alle Forderungen von Strache erfüllt. Wenn der FPÖ-Chef zu seinem Wort steht, dann wird der Eurofighter U-Ausschuss am 1. März beschlossen. Hier geht es auch um seine Glaubwürdigkeit.

Hans Peter Doskozil: Die Zusammenarbeit mit allen Fraktionen ist mir sehr wichtig. Ich möchte in keiner Facette den Eindruck erwecken, nicht transparent sein zu wollen. Aber wir müssen den rechtlichen Rahmen wahren. Auch die Polizei kann nicht einfach Strafanzeigen an jedermann wild in der Gegend verschicken. Der Nationale Sicherheitsrat ist das richtige Instrument, weil hier alle präsentierten Dokumente vertraulich behandelt werden müssen.

Das heißt, Sie glauben noch an die Installierung des U-Ausschusses?

Pilz: Es geht ausschließlich um die FPÖ. Früher war die Situation so, dass die FPÖ für Aufklärung war, auch wenn sie selbst Leichen im Keller hatte. Mit dieser Strategie sind sie gut gefahren. Die SPÖ wollte nie einen U-Ausschuss und hat mit dieser Strategie mehr verloren als gewonnen. Jetzt sind die Rollen umgekehrt verteilt. Die SPÖ will Aufklärung, obwohl sie selbst in einigen Punkten involviert ist. Strache wird sich entscheiden müssen, ob die FPÖ eine Österreich-Partei oder eine Eurofighter-Partei ist.

Herr Pilz, wäre es auch möglich, dass Sie mit Rot-Grün den U-Ausschuss installieren?

Pilz: Vielleicht müssen wir auch über diese Variante nachdenken. Aber ich bevorzuge einen Minderheitsbeschluss, damit wir bei der Zeugenbestellung bessere Rechte haben und der Ausschuss nicht von der Regierungsmehrheit abgedreht werden kann. Deswegen will ich die FPÖ an Bord haben. Aber ich sehe natürlich, dass der Ausschuss für FPÖ und ÖVP sehr unangenehm ist. Die Schiebungen um Typenentscheidung und Kaufvertrag gehen ja ausschließlich auf die Parteikappen von FPÖ und ÖVP. Die Grundfarbe der Eurofighter ist schwarz-blau.

Wie Peter Pilz schon gesagt hat, galt die SPÖ in den letzten Jahren als U-Ausschuss-Verhinderer. Wie schwer war es, Ihre Parteikollegen zu überzeugen, dass der Eurofighter-Deal aufgearbeitet werden muss?

Doskozil: Die Frage hat sich gar nicht gestellt. Der Sachverhalt liegt auf dem Tisch. Aus unserer Sicht ist der Betrug klar dargelegt. Wenn der Republik ein Schaden entstanden ist, dann stellt sich nicht die Frage, ob man handelt oder nicht handelt. Es ist einfach zu handeln.

"Es wurden lebende Bankomat-Kassen produziert"
BM für Landesverteidigung / Doppelinterview mit Hans Peter Doskozil und Peter Pilz zum U-Ausschuss Eurofighter
Herr Minister, muss der U-Ausschuss installiert werden?

Doskozil: Das ist generell die Sache des Parlaments. Für das Verteidigungsministerium gibt es eine klare Zielrichtung und die heißt: Airbus. Die Republik wurde beim Eurofighter-Kauf betrogen. Grundsätzlich sollte man aber alle Facetten aufklären. Es ist unbestritten, dass es bei großen Rüstungsgeschäften leider immer wieder Korruptionsverdacht gibt. Das ist nicht tolerierbar. In diesem Komplex gilt es ganz einfach, alles aufzuklären.

Auch wenn die SPÖ in die Bredouille kommen könnte?

Doskozil: Ich wiederhole mich: es gilt immer, alles aufzuklären. Aber wenn Sie den Vergleich aus 2007 meinen: Der Betrug impliziert ja auch das wesentliche Element der Täuschung. Auch beim Vergleichsvertragsabschluss im Jahr 2007 wurde getäuscht.

Was macht Sie so sicher Herr Pilz, dass der neue U-Ausschuss nicht wieder zu einem Entschlagungsmarathon und damit zum Rohrkrepierer wird?

Pilz: Den wichtigsten Zeugen, an die ich denke, drohen keine Strafverfahren. Diese Personen haben viel mitbekommen, aber waren selbst keine Schlüsselpersonen. Es soll doch keiner glauben, dass wir von Karl Heinz Grasser & Co. eine tolle Aussagen erwarten können.

Um den Eurofighter-Vertrag rückabwickeln zu können, reicht es, einen Korruptionsfall aufzudecken. Da war man im ersten U-Ausschuss schon knapp dran, als man entdeckte, dass Lobbyist Erhard Steininger an den Ex-Luftwaffenchef Erich Wolf Zahlungen in der Höhe von 87.000 Euro tätigte. Sind die Beweise nun so dicht, dass man zumindest einen, wenn nicht mehrere Korruptionsfälle nachweisen wird können?

Pilz: Wir haben einen weiten Weg hinter uns. Die ersten Anzeigen in Deutschland gegen Airbus lauteten auf Untreue. Jetzt geht der Minister einen Schritt weiter und bringt eine Sachverhaltsdarstellung wegen Betrugs ein. Es darf sich niemand wundern, dass in der Strafanzeige des Verteidigungsministeriums kein einziger Korruptionsvorwurf erhoben wird, weil es nur um die Täuschung durch Airbus und Eurofighter geht. Der nächste Schritt wäre jetzt, wegen Bestechung Anzeige zu erstatten. Dafür kann uns der U-Ausschuss entschieden weiterbringen. Erst bei diesem Schritt geht es darum, verdächtige Personen zu nennen. Deswegen ist dem Verteidigungsministerium kein Vorwurf zu machen, wenn die verdächtigen Personen nicht in der Betrugsanzeige stehen. Beim Betrug sind ausschließlich die Organe von Airbus und Eurofighter die Verdächtigen.

Aber genau das ist der Vorwurf von Volkspartei und Freiheitlichen, dass keine wesentlichen neuen Fakten seit Bekanntwerden der Anzeige aufgetaucht sind ...

Doskozil: Es ist schon viel Neues da. Wir haben in der Task Force monatelang Unmengen an Daten forensisch aufgearbeitet. Was gegen einen Weltkonzern wie Airbus auf den Tisch gelegt wird, muss strategisch wohl überlegt sein. Die Strafrechtsexperten sind zum Schluss gekommen, dass hier Betrug vorliegt. Hier existieren eindeutige Unterlagen von Airbus – das sind neue Facetten. Wir hätten die Anzeige auf keinen Fall eingebracht, wenn wir nicht klare Beweise hätten. Und immerhin hat die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen auf Grund unserer Anzeige gegen Airbus und Eurofighter aufgenommen. Das bestätigt unseren Weg.

183,4 Millionen Schmiergelder sollen laut der Anzeige geflossen sein, die in den Kaufpreis der Eurofighter eingepreist wurden. Ein Teil davon soll nach Thailand und in die Mongolei gewandert sein. Wurde mit dem Eurofighter-Deal die Kriegskassa für Schmierzahlungen in anderen Ländern aufgefüllt?

Pilz: Beim österreichischen Eurofighter-Deal war es anders. Hier haben die Verantwortlichen im Konzern beschlossen, die 183, 4 Millionen Euro auf verschiedenen Wegen in weit verzweigte globale Netzwerke aus Briefkastenfirmen einzuspeisen. Ich habe bei meinen Recherchen 60 Briefkästen-Firmen allein beim Netzwerk Vector-Aerospace gefunden. Das geht nach Panama, Singapur, Malta, die Isle of Man und die Virgin Islands. Die Spuren des Schmiergelds gehen kreuz und quer durch die Welt. Aber – und das ist spannend – sie kommen auch wieder zurück nach Österreich. Da geht eine Spur nach Klagenfurt, eine nach Linz und eine ganz wichtige nach Wien.

Doskozil: Generell ist die Konstruktion so: Gelder lässt man über Off-Shore-Konstruktionen versickern. Das Geld kommt dann teilweise zurück und so werden lebende Bankomatkassen produziert. Das große Problem ist, wenn man hier Kontenöffnung erzwingen will, dann ist das wahnsinnig schwierig und dauert Jahre. Die Staatsanwaltschaft leistet hier wichtige Arbeit, echte Knochenarbeit. Es gibt diese bestehenden Ermittlungen und es gibt nun neue Ermittlungen aufgrund unser Strafanzeige wegen Betrugs. Es ist schade, dass jetzt die Parteipolitik ins Spiel kommt und meint, dass in den letzten zehn Jahren nichts passiert sei. Wir wissen heute viel mehr als 2007.

Herr Pilz, Sie betonen, dass gerade Vizekanzler Reinhold Mitterlehner im ersten Eurofighter U-Ausschuss als Abgeordneter gute Arbeit geleistet hat. Woher kommt sein Meinungsumschwung?

Pilz: Die Rolle der ÖVP ist seltsam. Denn Mitterlehner ist vollkommen unverdächtig, ein Vertreter von Airbus zu sein. Er war im U-Ausschuss exzellent. Er verweigert auch bis heute die Unterschrift für die Gesamtabnahme der dubiosen Gegengeschäfte. Diese Verweigerung ist sehr wichtig für die Republik. Warum sich Mitterlehner von einigen ÖVPlern unter Druck setzen lässt, ist mir schleierhaft.

Ex-Verteidigungsminister Norbert Darabos hat sich diese Woche zu Wort gemeldet. Er meinte, die Instandhaltung der Tranche-2-Eurofighter wäre genauso teuer wie die Instandhaltung der Tranche-1-Flieger gewesen, die Österreich gekauft hat. Es gäbe auch keinen Qualitätsunterschied zwischen Tranche 1 und Tranche 2. Das klingt, als würde Darabos den Erkenntnissen der Task Force widersprechen?

Doskozil: Wenn Norbert Darabos damals den Wissenstand von heute gehabt hätte, hätte er den Vergleich nicht geschlossen. Airbus hat die Republik auch 2007 getäuscht. Aber Faktum ist: Die Tranche 1 läuft aus, und wir müssen Tranche 1 auf Tranche 2 aufrüsten. Das ist ein enormer Kostenfaktor.

Pilz: Der Staatsanwalt kann prüfen, ob im Jahr 2007 zur Zeit von Gusenbauer und Darabos das Verteidigungsministerium getäuscht wurde. Was er nicht untersuchen kann, ist, ob Gusenbauer und Darabos sich bewusst täuschen haben lassen und an der Täuschung mitgewirkt haben. Ich halte alles für möglich, nur eines kann ich ausschließen: Darabos ist nicht korrupt. Er hat sich sicherlich nicht persönlich bestechen lassen. Ich sage es ganz offen: Mich interessiert nicht der Parteisoldat Darabos, sondern der Parteichef Gusenbauer. Wie ist aus dem Sozialfighter Gusenbauer der Eurofighter Gusenbauer geworden?

Könnte das für die SPÖ nicht unangenehm werden?

Doskozil: Man muss die parteipolitische Brille ablegen. Hier muss es einzig und alleine um die Sache gehen. Mein Fokus liegt auf Airbus.

Ist das Ihre DNA als gelernter Polizist, die Sie so denken lässt?

Doskozil: Persönlich gibt es zwei Aspekte für mich: Ich habe überhaupt keine Toleranzgrenze bei Korruption. Der zweite Aspekt ist meine Verantwortung gegenüber dem Ressort. Tagtäglich entsteht dem Bundesheer ein finanzieller Schaden durch den teuren Betrieb des Eurofighters, den die Republik nicht angeschafft hätte, wenn es keinen Betrug durch Airbus und Eurofighter gegeben hätte.

Pilz: Wir hatten einen gemeinsamen Freund – den Kurt Kuch. Kurt Kuch ist als Aufdeckerjournalist gegen Korruption aufgetreten. Ich habe es als Abgeordneter gemacht und der Minister macht es in seiner Funktion als Regierungsmitglied. Wir können den Kampf gegen Korruption nur gewinnen, wenn Menschen in völlig unterschiedlichen politischen und beruflichen Verhältnissen gemeinsam dagegen kämpfen.

Was ist die wirkliche "Smoking Gun" beim Eurofighter-Deal? Ist es die Drohung, auch in den USA aktiv zu werden? Das Verteidigungsministerium hat ja auch eine renommierte US-Anwaltskanzlei engagiert ...

Doskozil: Der wesentlichste Anhaltspunkt sind die Beweise für die Anzeige bei der österreichischen Staatsanwaltschaft. Ich habe aber auch die Task Force beauftragt, zu untersuchen, ob in den USA oder in Großbritannien Recht gebrochen wurde. Die Prüfung ist noch nicht abgeschlossen. Das kann noch eine wichtige Rollen spielen.

Wie könnte das ausschauen? Geht es Ihnen vor allem darum, Druck auf den Konzern aufzubauen?

Pilz: Das kann man einfach erklären. Die US-amerikanischen Behörden sind extrem sensibel gegenüber Korruption. Europäische Konzerne wissen, wenn sie wegen eines korruptionsnahen Delikts angeklagt oder verurteilt werden, drohen in den USA gewaltige Zahlungen und die Sperre für den US-Markt. Jetzt muss man eines wissen: Österreich ist nicht die einzige Korruptionsaffäre, die den Airbus-Konzern betrifft. Offenbar ist Airbus eine korruptionsanfällige Firma. Der österreichische Tropfen kann das Airbus-Fass in den USA zum Überlaufen bringt. Wenn das passiert, ist das für den Airbus-Konzern eine wirtschaftliche Katastrophe, die einer Bruchlandung gleichkommt.

Herr Minister, sind die Beweise, die in Ihrem Ministerium gesammelt wurden, so stark, dass dieses Szenario, Airbus in die Knie zwingen zu können, eintreten könnte?

Doskozil: Das werden wir in den nächsten Wochen sehen. Aber ich bin in diesem Punkt sehr zuversichtlich.

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